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Kritik mit Methode? - Rosa-Luxemburg-Stiftung

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Bevor nun <strong>mit</strong>hilfe der Sequenzanalyse der in der ZEIT publizierte Zeitungsartikel<br />

von Martin Kannegiesser analysiert wird und durch die konkrete Anwendung<br />

ihre Nützlichkeit für die kritische Rekonstruktion von Deutungsmustern aufgezeigt<br />

werden soll, möchte ich der Frage nachgehen, inwiefern die Objektive<br />

Hermeneutik gesellschaftskritische Forschung ermöglicht. Was ist also ihr kritisches<br />

Potenzial?<br />

1.6. <strong>Kritik</strong> ohne Subjekt?<br />

In der bis dato erfolgten Darstellung der grundlegenden Annahmen und Analysestrategien<br />

der Objektiven Hermeneutik wurde sichtbar, dass sie sich für die<br />

Rekonstruktion latenter, aber dennoch wirkmächtiger sozialer Strukturen interessiert.<br />

Daran möchte ich das kritische Potenzial dieses Ansatzes verdeutlichen.<br />

Die Behauptung, dass einer Methodologie, die so stark wie die Objektive Hermeneutik<br />

die ›Eigenständigkeit‹ und Objektivität ihres Untersuchungsfeldes<br />

betont, ein kritisches Potenzial zuzuschreiben ist, mag vielleicht ein wenig verwundern.<br />

Denn einige Theorien und Forschungsprogramme, die für sich in Anspruch<br />

nehmen einen gesellschaftskritischen Zugang zu ihrem Gegenstand zu entwickeln,<br />

betonen dem entgegen gerade die Subjekt- oder Akteursperspektive und<br />

möchten dieser eine ›Stimme‹ verleihen. Der Objektiven Hermeneutik ließe sich<br />

daher von dieser Seite aus der Vorwurf machen, dass sie gewissermaßen ›abgehoben‹<br />

und über den Köpfen der Subjekte argumentiert. Sie wäre dann selbst zu kritisieren,<br />

anstatt sie zum Ausgangspunkt einer kritischen Gesellschaftsbeschreibung<br />

zu machen. Dies würde allerdings auf einem groben Missverständnis beruhen.<br />

Der Objektiven Hermeneutik geht es eben nicht darum zu sagen, dass die rekonstruierbaren<br />

objektiven Sinnstrukturen nichts <strong>mit</strong> dem Leben der Subjekte gemein<br />

hätten. Genau das Gegenteil ist der Fall. Was ›lediglich‹ behauptet wird ist, dass<br />

Subjekte, Handlungen, Bewusstsein etc. sich erst unter Rückgriff auf objektive<br />

Sinnstrukturen befriedigend erklären lassen und eine kritische Analyse sich daher<br />

besser von der Vorstellung präkonstituierter Handlungssubjekte verabschiedet.<br />

Oevermanns <strong>Kritik</strong> an den an der einzelnen Akteurin primär ansetzenden und<br />

dann summarisch aggregierenden Handlungstheorien besteht eben darin, dass<br />

diese »die Perspektive des Subjekts der praktisch zweckgerichteten Handlung jeweils<br />

schon als gegeben voraussetz[en], ohne die Konstitution dieser Perspektive<br />

selbst noch analysieren zu können« (Oevermann 1996: 4 f.).<br />

Es darf daher bei der Diskussion des kritischen Potenzials der Objektiven Hermeneutik<br />

nicht vergessen werden, dass trotz der Betonung der relativen ›Eigenständigkeit‹<br />

der kommunikativen Formen in der Objektiven Hermeneutik immer<br />

wieder auch gezeigt wird, dass sich Subjekte an allgemein gültigen Sinnstrukturen<br />

orientieren. Genau diesen Punkt spricht Oevermann an, wenn er das Subjekt<br />

»auf die Vorstellung von einem dynamischen Medium der Aktualisierung objektiver<br />

sozialer Sinnstrukturen reduziert« (Oevermann et. al. 1976: 387). Diese Re-<br />

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