09.11.2012 Aufrufe

Kritik mit Methode? - Rosa-Luxemburg-Stiftung

Kritik mit Methode? - Rosa-Luxemburg-Stiftung

Kritik mit Methode? - Rosa-Luxemburg-Stiftung

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

pher, die auf eine dem Problem nicht angemessene Diskussionskultur verweist.<br />

Die Diskussionsteilnehmer überböten (»legt […] obendrauf«) sich <strong>mit</strong> »›klugen‹<br />

Vorschlägen«. Die Debatte erweckt demnach den Eindruck, dass derjenige sich<br />

durchsetzt, der die kontraproduktivsten Vorschläge macht. Die vom Text dann als<br />

Beispiele angeführten Vorschläge zeichnen sich dadurch aus, dass sie allesamt Arbeitszeiten<br />

verlängern möchten. Da<strong>mit</strong> lässt sich dann auch die obige Lesart verwerfen,<br />

die davon ausging, dass die Debatte deshalb nicht gemeinsam geführt<br />

werde, weil beide Seiten aneinander vorbeiredeten. An dieser Sequenzstelle wird<br />

vom Text deutlich gemacht, dass es sich um einseitige Forderungen nach Arbeitszeitverlängerungen<br />

seitens arbeitgeberinnenfreundlicher gesellschaftlicher Kräfte<br />

handelt. Der Text macht sich also an dieser Stelle klar als arbeitnehmerinnenfreundlich<br />

kenntlich und kritisiert relativ stark die Arbeitgeberinnenseite. Der<br />

Text geht davon aus, dass es in verschiedenen gesellschaftlichen Feldern (Politik,<br />

Wissenschaft, Wirtschaft) ein gemeinsames übergreifendes Muster gebe, <strong>mit</strong> Arbeitszeit<br />

umzugehen. Dieses Muster ist aus einem Bündel von Forderungen nach<br />

Arbeitszeitverlängerung zusammengesetzt und wird von ihm kritisch angesprochen.<br />

Diese Forderungen werden wie folgt durch den Text weiter beschrieben:<br />

»All dies ist unsensibel, weil es von den Arbeitnehmern als Summe von Belastungen<br />

wahrgenommen wird. Es schadet auch bei notwendigen betrieblichen Anpassungen,<br />

weil es überflüssigen Widerstand provoziert und den Blick auf die Realität<br />

ebenso versperrt wie auf das, was vorrangig zu tun ist.«<br />

Die Forderungen werden als »unsensibel« bezeichnet. Sie verletzen die Arbeitnehmerinnen,<br />

weil sie die Forderungen als »Summe von Belastungen wahrnehmen«.<br />

Die Forderungen sind demnach nicht klug, weil sie diejenigen, an die sie<br />

gerichtet sind, verletzen. Es stellt sich die Frage, warum die Forderungen unsensibel<br />

sein sollen. Eine Lesart besteht darin zu sagen, dass sie unsensibel sind, weil<br />

Arbeitszeitverlängerungen generell den Interessen der Mitarbeiterinnen widersprechen<br />

und diese daher nicht ausreichend beachten. Diese Lesart würde dann<br />

widerlegt sein, wenn der Text sich im späteren Verlauf selbst positiv auf die Verlängerung<br />

von Arbeitszeiten beruft, <strong>mit</strong> dem Anspruch, dies sensibel genug zu<br />

machen. Aus Gründen einer lineareren Darstellung soll das Sequentialitätsprinzip<br />

hier – also in der Darstellung und nicht in der Analyse – verletzt werden, indem<br />

vorgegriffen wird. Der Text vertritt später nämlich selbst die Forderung nach Arbeitszeitverlängerung.<br />

Daher kann diese Lesart schon an dieser Stelle verworfen<br />

und muss nicht unnötigerweise in der Darstellung ›<strong>mit</strong>geschleppt‹ werden. Es<br />

muss dann eine andere Lesart entwickelt werden: Die Bezeichnung »unsensibel«<br />

kann sich auch stärker auf die Mitteilungsebene einer Aussage beziehen und nicht<br />

so sehr auf die inhaltliche Qualität der Information. Ein Gedanke kann zwar absolut<br />

richtige Gegenstandsbezüge herstellen, aber dennoch unsensibel geäußert werden<br />

(man denke etwa an eine in unangemessener Form erteilte Todesnachricht).<br />

Die Umstände, der Zeitpunkt oder die Art und Weise der Formulierung einer<br />

Äußerung können unsensibel sein, wenn sie die Adressatin oder die Person, über<br />

94

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!