Diskurslage erweiterte Dialogprozesses Veränderungen
BMAS_Werkheft-2
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Debatte<br />
VERTRAUENSVOTUM MIT NOTBREMSE –<br />
WIE WIR ALS NICHT NEINSAGER GEMEINSAM<br />
UND TROTZDEM SCHNELL ENTSCHEIDEN<br />
Wir haben unser Mitbestimmungsmodell wegen einer Kaffeemaschine<br />
geändert: Wir hatten unsere Agentur Dark Horse mit 30<br />
gleichberechtigten Gründerinnen und Gründern aus 25 Disziplinen<br />
gegründet und standen damals kurz vor dem Umzug in ein größeres Büro.<br />
Nach zwei Stunden Diskussion über Tabs (umweltschädlich), Siebträger (teuer)<br />
und Filterkaffee (nicht lecker) gab es Tränen und Geschrei, aber keine Entscheidung.<br />
Wir wussten: Wenn wir kurzfristig wieder Kaffee trinken und langfristig<br />
als Unternehmen überleben wollten, mussten wir schneller Entscheidungen<br />
treffen. Hierarchie als der traditionelle Weg dafür schied aus. Einerseits wollte<br />
keiner von uns Chef oder Chefin sein und allein Verantwortung übernehmen,<br />
und andererseits wollte niemand in allen Anliegen durch jemand anderen<br />
repräsentiert werden.<br />
Als Erstes haben wir operative und strategische Entscheidungen entkoppelt.<br />
Operativ arbeiten wir in wechselnder Besetzung in zwei- bis fünfköpfigen Projektteams<br />
zusammen. Die Teams sind völlig frei, es gibt keinerlei Managementstrukturen.<br />
Jedes Team darf und muss seine Entscheidungen von der Budgetplanung<br />
bis zur Abrechnung komplett selbstständig treffen. Diese temporäre<br />
Führung fördert unternehmerisches Handeln und gemeinsame Lerneffekte.<br />
Monika Frech ist Mitgründerin<br />
und Partnerin bei Dark<br />
Horse Innovation. Dark<br />
Horse ist eine Agentur für<br />
Innovationsentwicklung aus<br />
Berlin. Dark Horse entwickelt<br />
gemeinsam mit seinen<br />
Auftraggebern Produkte, Services<br />
und Geschäftsmodelle<br />
und unterstützt sie darin,<br />
ihre Strukturen, Prozesse und<br />
Denkweisen an das digitale<br />
Zeitalter anzupassen.<br />
Strategische Entscheidungen – also Dinge, die uns alle angehen und den Kurs<br />
unserer Firma maßgeblich beeinflussen – treffen wir nach wie vor gemeinsam.<br />
Allerdings haben wir den Entscheidungsmodus auf das sogenannte Konsentprinzip<br />
umgestellt. Das bedeutet, ein Vorschlag ist angenommen, wenn keiner<br />
einen schwerwiegenden Einwand dagegen hat. Das Vetorecht funktioniert<br />
wie eine Notbremse im Zug. Diese zieht man nicht, weil man Lust auf einen<br />
Spaziergang hat, sondern weil man um das Wohlergehen der Reisegesellschaft<br />
fürchtet. Wie bei der Notbremse wird Missbrauch bestraft; wer einen Einwand<br />
hat, muss an einer Alternative mitdenken. Es geht also nicht darum, dass<br />
möglichst viele »Ja« sagen, sondern keiner »Nein«. Wir haben gelernt abzuschätzen,<br />
wann ein Einwand wirklich schwerwiegend ist und wann wir mit<br />
einem Vorschlag leben können. Wir suchen nicht nach perfekten Lösungen,<br />
da es diese in einer sich ständig wandelnden Welt sowieso nicht gibt, sondern<br />
nach Ansätzen, die funktionieren und bei Bedarf angepasst werden können.<br />
Einmal getroffene Entscheidungen können sofort implementiert werden, es<br />
gibt keine Blockaden oder Unternehmenspolitik, denn es hätte jeder beizeiten<br />
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