Diskurslage erweiterte Dialogprozesses Veränderungen
BMAS_Werkheft-2
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Praxis<br />
»DAS PENDELN IST FÜR UNS ALS<br />
FAMILIE SEHR ANSTRENGEND.«<br />
Aygül Yildiz arbeitet 20 Stunden pro Woche in einem Verein, der Frauen<br />
mit Migrationshintergrund in Konfliktsituationen beratend zur Seite<br />
steht. Nebenbei macht sie einen Master in psychosozialer Beratung.<br />
Taylan Yildiz ist als akademischer Rat auf Zeit im Bereich Politikwissenschaft<br />
an einer Universität im Ruhrgebiet beschäftigt. Er pendelt<br />
zwischen Ruhr gebiet und dem Wohnort Mainz hin und her. Das Paar<br />
hat zwei Kinder im Alter von 10 und 13 Jahren.<br />
Aygül Wir haben früh geheiratet und sind mit<br />
28 Eltern geworden. Als unsere Kinder auf die<br />
Welt kamen, musste ich erst einmal eine Weile<br />
aussetzen und mein Studium beenden. Dann<br />
habe ich Taylan den Vortritt gelassen und er hat<br />
promoviert.<br />
Taylan Die Zeit war materiell sehr schwierig. Wir<br />
hatten nur mein Stipendium und lebten noch in<br />
unserer Studentenbude. Wir mussten irgendwie<br />
gucken, dass wir nicht auf der Strecke bleiben.<br />
Materiell hat sich die Situation irgendwann verbessert.<br />
Aber wenn man im akademischen Bereich<br />
arbeitet, muss man schon einiges in Kauf nehmen.<br />
Es ist ein prekärer Weg, der mit vielen Unsicherheiten<br />
verbunden ist. Selbst wenn man viel Leistung<br />
einbringt, heißt das nicht, dass man eine<br />
feste Anstellung bekommt. Ich mag meine Arbeit<br />
sehr, aber wenn ich mich entscheiden müsste,<br />
würde ich mich für die Familie entscheiden.<br />
Aygül Montags bis mittwochs ist Taylan an der Uni<br />
und nicht in Mainz. Ich arbeite dann so bis zwei<br />
oder halb drei. Dann komme ich nach Hause und<br />
erledige den Haushalt und kümmere mich um die<br />
Freizeittätigkeiten der Kinder und alles, was dazugehört.<br />
Wenn Taylan donnerstags und freitags von<br />
zu Hause arbeitet, kümmert er sich um die Kinder,<br />
den Haushalt und was so anliegt. Ich bin froh darüber,<br />
dass es die Ganztagsbetreuung an der Schule<br />
gibt. Vor allem, dass jemand ein Auge auf die<br />
Hausaufgaben hat. Aber es ist auch nicht so, dass<br />
ich nach Hause komme und die Beine hochlegen<br />
kann. Meinen Kindern schmeckt das Essen in der<br />
Mensa schon lange nicht mehr. Deshalb muss ich<br />
trotzdem immer kochen.<br />
Taylan Ich finde, das klingt erst einmal viel: Aygül<br />
arbeitet Teilzeit und hat ein berufsbegleitendes<br />
Studium, Kinder, und ihr Mann ist nicht immer zu<br />
Hause. Aber irgendwie sind wir gut aufeinander<br />
abgestimmt. Das hat damit zu tun, dass ich nach<br />
Vertrauensarbeitszeit arbeite. Es gibt Gremienarbeiten,<br />
einen Fakultätsrat, in dem ich sitze, und<br />
die Lehre, das alles findet zu festen Zeiten statt.<br />
Aber bei allen anderen Tätigkeiten, wie eigene<br />
Publikationsprojekte oder die Vorbereitung der<br />
Lehre, schaut keiner, ob ich im Büro, zu Hause, im<br />
Zug, oder sonst wo arbeite.<br />
Aygül Für mich ist es einfacher, wenn ich ins Büro<br />
gehe und meine Arbeit nicht mit nach Hause<br />
bringe. Bei meinem Studium ist das natürlich<br />
anders. Ich muss mich gut strukturieren und<br />
mir die Zeit nehmen. Wenn ich zu Hause arbeite,<br />
kommt das Kind um die Ecke und will irgendwas.<br />
Das Problem hat Taylan öfter.<br />
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