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Diskurslage erweiterte Dialogprozesses Veränderungen

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Kontext<br />

wenn alle diesen Weg gehen würden? Was es<br />

für ein System der kollektiven Alterssicherung<br />

bedeutet, wenn sich immer mehr daraus<br />

zurückziehen, um nur ein Beispiel zu nennen.<br />

Luzia Schmid<br />

gebürtige Schweizerin, arbeitete<br />

nach ihrem Journalismusstudium<br />

mehrere Jahre als Moderatorin<br />

und Redakteurin für das<br />

Schweizer Radio und Fernsehen,<br />

bevor sie an der Kunsthochschule<br />

für Medien in Köln Film<br />

studierte. Die mehrfach ausgezeichnete<br />

Autorin arbeitet für die<br />

Dokumentationsredaktion des<br />

WDR und für verschiedene Fernsehredaktionen.<br />

Sie ist Gastdozentin<br />

im Bereich Medienkunde<br />

an der Hochschule für Soziale<br />

Arbeit in Luzern. Ihr Film »Deine<br />

Arbeit, Dein Leben!« ist Teil eines<br />

crossmedialen Projekts und<br />

erzählt aus der Perspektive der<br />

Menschen selbst, was Arbeit in<br />

einem traditionellen Industrieland<br />

heute bedeutet. Auf Einladung<br />

des WDR hielten Menschen<br />

dafür ihren Arbeitsalltag mit<br />

Smartphone oder Videokamera<br />

fest. Der Film entstand aus mehreren<br />

Hundert dieser Videos.<br />

für die Szene der digitalen Nomadinnen und<br />

Nomaden? Stellt man sich dort Fragen, welche<br />

Auswirkungen es auf die Gesellschaft hätte,<br />

TJ: Die Leute machen heute schnell Abi, sprinten<br />

durch das Studium, fallen in den Job und stellen<br />

dann fest: Mist, jetzt bin ich gerade 30 geworden, was<br />

passiert eigentlich noch in meinem Leben? Dann<br />

hören sie einen »Flip-Flop-Entrepreneur-Podcast«<br />

und versuchen alles, um im nächsten Winter<br />

ebenfalls auf Bali zu sein. Früher hat man sich<br />

in Studium und Ausbildung mehr Zeit für sich<br />

genommen und konnte sich auch mal gehen<br />

lassen. Vielleicht ist das digitale Nomadentum eine<br />

Reaktion auf diese neuen Strukturen, die einen<br />

möglichst schnell in den Arbeitsmarkt bringen<br />

sollen. Für viele ist der Ausbruch daraus aber auch<br />

nur eine Phase, die sich später wieder relativiert.<br />

Meist auch dann, wenn sie ihre sozialen Rückzugsorte<br />

vermissen.<br />

LS: Dieses extreme Nomadentum ist aus meiner<br />

Sicht in den meisten Fällen auf eine Lebensphase<br />

begrenzt. Ich kenne die Dimension des digitalen<br />

Nomadentums nicht im Detail, vermute aber, sie<br />

ist noch nicht relevant für die Gesamtgesellschaft.<br />

Ich habe einen Dokumentarfilm über Entwicklungshelferinnen<br />

und -helfer beim Roten Kreuz<br />

gemacht, die sind im Grunde ja genauso unterwegs<br />

wie digitale Nomaden und nie zu Hause bei<br />

Freunden und Familie. Und Steuern zahlen diese<br />

Menschen auch nur in der Schweiz. Da spricht aber<br />

niemand von egoistischer Selbstoptimierung.<br />

Das ist ein interessanter Punkt. Sind die digitalen<br />

Nomadinnen und Nomaden wirklich<br />

eine neue Bewegung? Oder handelt es sich<br />

nicht nur um eine neue Variation alter Motive?<br />

Man denke an die Kinder der Adeligen und des<br />

gehobenen Bildungsbürgertums, deren Erziehung<br />

seit der Renaissance mit der sogenannten<br />

Kavaliersreise beziehungsweise im 18. und 19.<br />

Jahrhundert der »Grand Tour« durch Europa<br />

abgeschlossen wurde. Oder die Wanderjahre<br />

der Handwerksgesellen. Auch diese Reisetätigkeit<br />

wurde durch »ortsflexibles« Arbeiten<br />

ermöglicht. Was ist das Neue am digitalen<br />

Nomadentum?<br />

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