Diskurslage erweiterte Dialogprozesses Veränderungen
BMAS_Werkheft-2
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Analysen<br />
Berufseinsteiger, die sich eine Basis in ihrem<br />
Beruf schaffen wollen, sind häufig bereit, dafür ein<br />
höheres Arbeitspensum zu leisten. In Phasen der<br />
Familiengründung, der Pflege von Angehörigen,<br />
der Weiterbildung, des ehrenamtlichen Engagements<br />
oder des Übergangs in den Ruhestand<br />
können flexible Arbeitsmodelle helfen, beiden<br />
Anforderungen, denen des Berufs und denen des<br />
Privatlebens, gerecht zu werden.<br />
Daneben können betriebliche Flexibilitätsanforderungen<br />
mit per se nicht flexiblen familiären<br />
Taktungen in Konflikt geraten, wie z. B. Öffnungszeiten<br />
von Kindertagesstätten oder der plötzlichen<br />
Erkrankung eines Kindes. Das stellt die Sozialpartner<br />
und die Unternehmen vor die Herausforderung,<br />
Modelle zu entwickeln, die den Beschäftigten<br />
mehr selbstverantwortliche Kompetenz<br />
bei der Steuerung ihrer Arbeitszeit (und der Wahl<br />
ihres Arbeitsortes) gewähren, gleichzeitig aber<br />
den betrieblichen Anforderungen gerecht werden.<br />
Hier gibt es bereits viele tarifliche Regelungen, auf<br />
deren Grundlage flexible Arbeitszeitmodelle durch<br />
Betriebsvereinbarungen gestaltet werden können<br />
(Bispinck 2014), wie zahlreiche Beispiele innovativer<br />
und flexibler Arbeitszeitmodelle in kleinen<br />
Betrieben ebenso wie großen Konzernen der verschiedensten<br />
Branchen zeigen (BMAS 2015b). Eine<br />
einheitliche Regelung für alle Unternehmen wäre<br />
bei den je nach Branche, Standort und Unternehmensgröße<br />
teilweise sehr unterschiedlichen Voraussetzungen<br />
und Möglichkeiten weder möglich<br />
noch sinnvoll.<br />
Die Unternehmen stehen außerdem vor neuen<br />
Herausforderungen bei der Personalplanung, etwa<br />
durch die Umsetzung der Rechtsansprüche auf<br />
familienbedingte Arbeitszeitreduzierungen (wie<br />
Elternzeit, Pflegezeit), deren Inanspruchnahme<br />
im betrieblichen Alltag nicht immer konfliktfrei<br />
verläuft und nicht nur zwischen den Betriebsparteien,<br />
sondern auch zwischen den Beschäftigten<br />
ausgehandelt werden muss. Eine ausreichende<br />
Personalausstattung in den Unternehmen ist eine<br />
Grundvoraussetzung, damit flexible und reduzierte<br />
Arbeitszeiten der oder des einen Beschäftigten<br />
nicht zu Mehrbelastungen für andere<br />
Beschäftigte führen.<br />
Nicht zuletzt können sowohl individuelle<br />
als auch betriebliche Flexibilitätsansprüche im<br />
Widerspruch zum gesellschaftlichen Anspruch<br />
auf feste gemeinsame Zeitfenster wie den arbeitsfreien<br />
Sonntag stehen. Der Sonntag ist dabei nicht<br />
nur ein Tag der Arbeitsruhe, sondern auch ein Tag,<br />
an dem möglichst viele Menschen zur gleichen<br />
Zeit und im gleichen wiederkehrenden Rhythmus<br />
»frei« haben.<br />
AUSBLICK<br />
Um die beschriebenen Spannungsfelder aufzulösen,<br />
bedarf es erstens einer Verständigung<br />
der verschiedenen Akteure über die unterschiedlichen<br />
Anforderungen, möglichen Grundkonsense<br />
und Kompromisslinien für eine innovative<br />
Arbeitszeitpolitik. Der Arbeitszeitdialog, den die<br />
HUMBOLDT-VIADRINA Governance Platform<br />
mit Bundesministerin Nahles führt, soll dazu beitragen,<br />
diese herauszuarbeiten. 3<br />
Zweitens bedarf es einer gesicherten<br />
Erkenntnis darüber, welche Arbeitszeitmodelle<br />
realiter verbreitet sind – etwa wie sich Arbeitszeitdiskrepanzen<br />
im Zeitverlauf verändern oder sich<br />
Arbeitszeitbedarfe im Lebensverlauf der Beschäftigten<br />
wandeln. Neben einer Beschreibung des Istzustands<br />
kann eine wissenschaftliche Betrachtung<br />
auch dabei helfen, die eingangs beschriebenen<br />
Negativfolgen der Flexibilisierung von Arbeit zu<br />
erkennen und zu vermeiden. 4<br />
3<br />
Vgl. den Beitrag »Wie kann eine innovative Arbeitszeitpolitik aussehen?« von Gesine Schwan in diesem Werkheft.<br />
4<br />
Laufende Forschungsprojekte zum Thema »Arbeitszeit« sind u. a.:<br />
»Arbeitszeitberichterstattung für Deutschland« der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin zur Wiedereinführung eines regelmäßigen Arbeitszeitmonitors<br />
in Deutschland; http://www.baua.de/de/Forschung/Forschungsprojekte/f2360.html<br />
»ALHabA« – das Projekt untersucht Arbeitszeitdiskrepanzen im Lebensverlauf von Frauen und Männern; http://www.hsu-hh.de/ipa/<br />
index_WZwNJ5Q8IKOkDw9h.html<br />
»ZEITREICH« wird aktuell im Rahmen des Bundesprogramms Initiative Neue Qualität der Arbeit (INQA) gestartet und soll in einer gemeinsamen<br />
Anstrengung der Sozialpartner Arbeitszeitmodelle zur Lösung von Zielkonflikten der Arbeitszeitregelung in kleinen und mittleren Unternehmen aus vier<br />
ausgewählten Branchen generieren.<br />
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