Diskurslage erweiterte Dialogprozesses Veränderungen
BMAS_Werkheft-2
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Kontext<br />
sechs Tagen hat der Herr Himmel, Erde und Meer<br />
gemacht und alles, was dazugehört; am siebten<br />
Tage ruhte er. Darum hat der Herr den Sabbat<br />
gesegnet und ihn für heilig erklärt.« (Ex 20,8-11).<br />
Eine modifizierte Begründung blickt auch auf<br />
den Auszug aus Ägypten zurück. Alle Lebewesen<br />
sollen ruhen können. »Achte auf den Sabbat: halte<br />
ihn heilig … Denk daran: als du in Ägypten Sklave<br />
warst, hat dich der Herr, dein Gott, mit starker<br />
Hand und hoch erhobenem Arm dort herausgeführt.<br />
Darum hat es dir der Herr, dein Gott, zur<br />
Pflicht gemacht, den Sabbat zu halten.« (Dtn 5,<br />
12.15) Hier klingt eine stärkere soziale Dimension<br />
des Sabbat-Gebotes an.<br />
Jesus erklärte, er sei nicht gekommen, die<br />
Weisungen Gottes oder die Prophetenworte aufzulösen,<br />
sondern zu erfüllen (Mt 5,17). Es kam<br />
aber dennoch zu heftigen Konflikten mit den<br />
Schriftgelehrten (z. B. Mk 2,23–28: »Ährenraufen<br />
am Sabbat«), die Jesus mit dem berühmten Wort<br />
entscheidet, das für die Geschichte des Sabbats so<br />
wichtig wurde: »Der Sabbat ist für den Menschen<br />
da, nicht der Mensch für den Sabbat. Deshalb ist<br />
der Menschensohn Herr auch über den Sabbat.«<br />
(Mk 2,28). Die Heilighaltung des Sabbats wurde<br />
damit ausdrücklich in den Dienst des Menschen<br />
gestellt.<br />
Die ersten Christen stammten aus dem<br />
Judentum und begingen deshalb zunächst den<br />
Sabbat. Als das Christentum sich in alle Welt ausbreitete,<br />
wurde der auf den Sabbat folgende Tag,<br />
der Sonntag, zum wichtigsten Tag der christlichen<br />
Woche. Im zweiten Jahrhundert finden sich eindeutige<br />
Belege für einen christlichen Sonntagsgottesdienst.<br />
Seitdem gibt es auch zwischen Sabbat<br />
und Sonntag ein abwechslungsreiches Wechselspiel:<br />
Beide gehören eng zusammen, beide unterscheiden<br />
sich tiefgründig. Es ist bis heute nicht<br />
leicht, zu einer Einigung zu kommen. 2<br />
Unser Wort Sonntag hat eine sehr verwickelte<br />
Beziehung zur Verehrung eines Sonnengottes.<br />
Jedenfalls ist unsere Sprache von einer möglichen<br />
Anlehnung des Herrentages an den Sonnenkult<br />
mitgeprägt. Die Sonne hat etwas zu tun mit dem<br />
Licht des ersten Schöpfungstages, das Gott schafft<br />
(vgl. Gen 1,3). Es gibt ohnehin den engen Zusammenhang<br />
von Schöpfung und Sabbat/Sonntag. Das<br />
Licht deutet auch auf den Glanz, der in der Auferstehung<br />
aufgeht. Jesus ist das »Licht der Welt« (Joh<br />
8,12; 9,5; 12,46). Immer wieder musste das Missverständnis<br />
abgewehrt werden, die Christen würden<br />
die Sonne anbeten.<br />
Hier mag eine gute Gelegenheit sein, um auf<br />
die Beachtung des »Freitags« im Islam wenigstens<br />
kurz zurückzukommen. Die Wahl des Freitags<br />
erfolgte in deutlicher Absetzung von den wöchentlichen<br />
Feiertagen der Juden und der Christen. Der<br />
Islam betont bis heute den wesentlichen Unterschied<br />
zum Sabbat und zum Sonntag. Er kennt<br />
auch nicht zwingend am Freitag eine verordnete<br />
Arbeitsruhe, obgleich sie durch den westlichen<br />
Einfluss vielfach beachtet wird. Der Freitagsgottesdienst<br />
ist wesentlich durch die Predigt gekennzeichnet,<br />
die immer schon politische Akzente trug.<br />
So heißt es über den Freitag im Koran: »Ihr Gläubigen!<br />
Wenn am Freitag (wörtlich: am Tag der Versammlung)<br />
zum Gebet gerufen wird, dann wendet<br />
euch mit Eifer dem Gedenken Gottes zu und lasst<br />
das Kaufgeschäft (solange ruhen)! Das ist besser<br />
für euch, wenn (anders) ihr (richtig zu Gott) wisst.<br />
Doch wenn das Gebet zu Ende ist, dann geht eurer<br />
Wege und strebt danach, dass Gott euch Gunst<br />
erweist (indem ihr eurem Erwerb nachgeht)! Und<br />
gedenket Gottes ohne Unterlass! Vielleicht wird es<br />
euch wohlergehen.« (Sure 62, 9-10, Übersetzung<br />
von Rudi Paret)<br />
Ein formelles Gebot, den Freitag durch Ruhe<br />
zu heiligen (wie es beim Sabbat und beim Sonntag<br />
der Fall ist), kennt der Islam nicht, doch wird in<br />
vielen islamischen Ländern am Freitag nicht gearbeitet,<br />
Schulen und Geschäfte sind geschlossen.<br />
2 ARBEITSRUHE UND<br />
GOTTESDIENSTBESUCH<br />
Man darf jedoch nicht dem Missverständnis<br />
erliegen, der Sonntag sei von Anfang an mit einer<br />
allgemeinen Arbeitsruhe verbunden gewesen.<br />
Erst Kaiser Konstantin I. erklärte im Jahr 321 den<br />
Sonntag zum allgemeinen Ruhetag aller Stadtbewohnerinnen<br />
und Stadtbewohner, an dem keine<br />
Arbeit (außer auf dem Feld) und kein Rechtsgeschäft<br />
(mit Ausnahme der Sklavenfreilassung)<br />
erfolgen durfte. Später wurden auch Gerichtsverhandlungen,<br />
Zirkusspiele, Theateraufführungen,<br />
2<br />
Vgl. umfassend Ebner u. a. (2003); Rüpke (2006); Rordorf (1972). In aller Kürze: Markschies (1997: S. 47–50).<br />
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