Diskurslage erweiterte Dialogprozesses Veränderungen
BMAS_Werkheft-2
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Analysen<br />
(SOLO-)SELBST-<br />
STÄNDIGKEIT:<br />
WAS WIR DARÜBER<br />
WISSEN<br />
Gabriele Weinhold<br />
Die Diskussionen um die Auswirkungen verschiedener Trends, die die<br />
Zukunft der Arbeitswelt bestimmen werden, haben einen gemeinsamen<br />
Kristallisationspunkt in der »Solo-Selbstständigkeit«. Individualisierung,<br />
Digitalisierung, Spezialisierung, Globalisierung: Diese<br />
Entwicklungen begünstigen in vielfältiger Weise Erwerbsformen von<br />
selbstständigen Einzelkämpferinnen und -kämpfern, die auf der Basis<br />
von Werk- und Dienstverträgen oder als »Crowdworker« unabhängig<br />
arbeiten. Einerseits gilt ihre Lebensform als beneidenswert frei und<br />
selbstbestimmt, andererseits als prekär, unterbezahlt, von Altersarmut<br />
bedroht. Welche Entwicklung lässt sich beobachten? Welche Chancen<br />
und Risiken ergeben sich für den Einzelnen und die Gesellschaft?<br />
Und: gibt es Handlungsbedarf für den Staat?<br />
Das Bild der herkömmlichen Selbstständigkeit ist<br />
geprägt durch die »freien Berufe«: Ärztinnen und<br />
Ärzte, Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte oder<br />
Steuerberaterinnen bzw. Steuerberater, Handwerkerinnen<br />
bzw. Handwerker und Mittelständlerinnen<br />
und Mittelständler sind meist hoch qualifizierte<br />
Fachleute, ausgestattet mit einem – oft durch<br />
öffentliche Gebührenordnungen – gesicherten Einkommen<br />
und mit Betriebsvermögen. Sie schaffen<br />
Arbeitsplätze, genießen persönliche Unabhängigkeit<br />
und gestalten, so eine verbreitete Vorstellung,<br />
ihren Arbeitsplatz in eigener Verantwortung. Wie<br />
überall auf der Welt ist auch in Deutschland die<br />
Zahl selbstständig arbeitender Personen im Zuge<br />
der Digitalisierung in den letzten Jahren (zumindest<br />
bis 2012) stetig gestiegen. Getragen wurde der<br />
Trend jedoch hauptsächlich durch eine Zunahme<br />
der Solo-Selbstständigen (Brenke/Beznoska 2016: S.<br />
19). Ermöglicht hat dies auch der Einsatz von Informations-<br />
und Kommunikationstechnik, die eine<br />
Verlagerung von Arbeiten, die traditionell von angestellten<br />
Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern erledigt<br />
wurden, an »Externe« gestattet. Unternehmen<br />
können eine große Anzahl von Externen kostengünstig<br />
und flexibel in den Betriebsablauf einbinden.<br />
Daraus ergeben sich neue Unternehmensstrategien,<br />
die den Bedarf an Externen erhöhen<br />
und zu neuen Erwerbsformen wie beispielsweise<br />
Crowdworking führen (Apt u. a. 2016: S. 8). Vertragliche<br />
Grundlage dieser Auslagerungen sind nicht<br />
mehr Arbeits-, sondern Dienst- und Werkverträge.<br />
Nahezu abgeschlossen ist diese Entwicklung in der<br />
Medien- und Kulturbranche; die Folgen dort lassen<br />
sich anschaulich nachvollziehen (ebd., S. 7).<br />
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