Diskurslage erweiterte Dialogprozesses Veränderungen
BMAS_Werkheft-2
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Analysen<br />
auch die veränderten neuen Arbeitsbedingungen<br />
den Kriterien menschengerechter Arbeit entsprechen<br />
sollten. Eine Tätigkeit gilt als human, wenn<br />
sie die Gesundheit insgesamt, das Wohlbefinden<br />
sowie die Leistungsfähigkeit nicht beeinträchtigt,<br />
der Qualifikation des Beschäftigten entspricht<br />
und die Entfaltung individueller Potenziale und<br />
Kompetenzen erlaubt (GfA 1999). Dies verlangt,<br />
dass die vorhandenen Kenntnisse zur psychischen<br />
Belastung aufbereitet, vorhandene Wissenslücken<br />
identifiziert und die Aussagekraft der verfügbaren<br />
Gestaltungsaussagen überprüft werden. So ist zu<br />
differenzieren zwischen<br />
1. Gestaltungswissen, das im Rahmen von<br />
Interventionsstudien oder Studien vergleichbarer<br />
Qualität gewonnen wurde (höchster<br />
Evidenzgrad),<br />
2. Gestaltungsempfehlungen, die zum Beispiel<br />
aus empirisch begründeten Zusammenhängen<br />
zwischen Belastung und Beanspruchung gefolgert<br />
werden, ohne dass eine separate (empirische)<br />
Prüfung der Gestaltungsaussagen vorgenommen<br />
wurde, und<br />
3. Gestaltungshinweisen, die sich zwar auf die in<br />
den Studien berichteten Erkenntnisse beziehen,<br />
jedoch nicht aus der berichteten Evidenz abgeleitet<br />
werden (niedrigster Evidenzgrad).<br />
Das BAuA-Projekt »Psychische Gesundheit<br />
in der Arbeitswelt« zielt dementsprechend darauf,<br />
den Stand des Wissens über psychische Belastungsfaktoren<br />
im Sinne einer wissenschaftlichen<br />
Standortbestimmung aufzuarbeiten. Einbezogen<br />
wurden in die Untersuchung Arbeitsbedingungsfaktoren,<br />
die zentrale Komponenten arbeitswissenschaftlicher<br />
bzw. arbeitspsychologischer Theorien<br />
und Modelle darstellen. Daneben erfolgte<br />
die Berücksichtigung solcher Faktoren, die in der<br />
politischen Diskussion zur psychischen Gesundheit<br />
im Fokus stehen und Eingang etwa in Regulationsvorschläge,<br />
Vereinbarungen oder Leitfäden<br />
gefunden haben und in der Öffentlichkeit intensiv<br />
thematisiert werden. Die so ermittelten Arbeitsbedingungsfaktoren<br />
lassen sich inhaltlich vier Themenbereichen<br />
zuordnen, nämlich »Arbeitsaufgabe«,<br />
»Führung und Organisation«, »Arbeitszeit«<br />
sowie »Technische Faktoren«. Bei der Aufbereitung<br />
der Literatur wurden nicht nur psychische Störungen,<br />
Herz-Kreislauf- und Muskel-Skelett-Erkrankungen,<br />
sondern auch Motivation, Arbeitszufriedenheit<br />
und Befinden erfasst, da Gesundheit nicht<br />
nur die Abwesenheit von Krankheit, sondern auch<br />
das körperliche, geistige und soziale Wohlergehen<br />
als wesentliche Voraussetzungen für die Funktionsfähigkeit<br />
des Menschen und dessen Teilhabe<br />
am Erwerbsleben umfasst (WHO 1946).<br />
Das Projekt gliedert sich in drei aufeinander<br />
aufbauende Phasen: So erfolgte in Phase 1 eine Aufbereitung<br />
des Wissens über die Zusammenhänge<br />
zwischen den Arbeitsbedingungsfaktoren und den<br />
Gesundheitsindikatoren auf Basis der Methode<br />
des Scoping Reviews (Arksey/O’Malley 2005): Dazu<br />
wurden Publikationen (Artikel in wissenschaftlichen<br />
Zeitschriften, Kongressbeiträge etc.) in Literaturdatenbanken<br />
gesucht und ausgewertet, wobei<br />
es keine Einschränkung auf bestimmte methodische<br />
Vorgehensweisen in den Studien gab. Damit<br />
erlaubt dieser Ansatz eine breite Erfassung der verfügbaren<br />
Evidenz, sodass auch neuere Themen mit<br />
einem noch geringen Stand elaborierter Forschung<br />
berücksichtigt werden können. Die Entwicklung<br />
der Suchstrings für die einzelnen Scoping Reviews<br />
basierte auf den zu den Arbeitsbedingungsfaktoren<br />
jeweils vorliegenden Theorien, Modellen und<br />
Konzepten. Daneben fanden aber auch publizierte<br />
Suchstrings – wie der von Mattioli u. a. (2010) – zur<br />
Eingrenzung der Literatursuche auf den Arbeitskontext<br />
Verwendung. Artikel wurden von der<br />
weiteren Bearbeitung dann ausgeschlossen, wenn<br />
die Operationalisierung der Variablen fehlte bzw.<br />
nicht nachvollziehbar war oder wenn die Darstellung<br />
des methodischen Vorgehens, der verwendeten<br />
Messinstrumente bzw. der Ergebnisse<br />
unvollständig war. Daneben blieben Artikel unberücksichtigt,<br />
die keine Aktualität mehr besaßen,<br />
etwa dann, wenn durch technische Entwicklungen<br />
<strong>Veränderungen</strong> des jeweiligen Arbeitsbedingungsfaktors<br />
eingetreten sind, die in der entsprechenden<br />
Publikation noch nicht berücksichtigt waren. Die<br />
Evaluation der in den Publikationen gefundenen<br />
quantitativen Ergebnisse berücksichtigt neben<br />
der statistischen Signifikanz der Befunde auch<br />
die Effektstärke, die Rückschlüsse über die praktische<br />
Bedeutsamkeit der Ergebnisse zulässt. Die<br />
Klassifikation der Höhe der Effektstärken orientierte<br />
sich am Cohen-Schema (Cohen 1988), das<br />
zwischen kleinen, mittleren und großen Effekten<br />
unterscheidet.<br />
ARBEITEN 4.0 WERKHEFT 02 SEITE 95