Diskurslage erweiterte Dialogprozesses Veränderungen
BMAS_Werkheft-2
BMAS_Werkheft-2
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
Kontext<br />
Und was sind negative Aspekte von Arbeit für<br />
Sie? Was trübt Ihre Freude an der Arbeit?<br />
LS: Ich liebe die Filmbranche. Aber als Solo-Selbstständige<br />
stelle ich mir häufig die bange Frage, ob<br />
das noch zwanzig Jahre gut geht.<br />
TJ: Mir geht es darum, dass Leute, die arbeiten, in<br />
Ruhe gelassen werden von Leuten, die Meetings<br />
machen. Ich fühle mich mehr als Macher denn als<br />
Manager. Ich finde es immer schade, als Macher<br />
in einer Organisation von Leuten gefangen zu<br />
sein, die ständig Meetings mit mir machen und<br />
kontrollieren und steuern wollen. Als Informatiker<br />
möchte ich mich in die Dinge reindenken<br />
und ganz allein wochenlang an der Lösung eines<br />
Problems arbeiten dürfen. Erst, wenn es wieder<br />
was zu zeigen und zu besprechen gibt, ist es aus<br />
meiner Sicht auch wieder Zeit für ein Meeting.<br />
Diese Arbeitsweise ist in einem Angestelltenverhältnis<br />
sehr schwierig umzusetzen. Ich finde es<br />
wichtig, dass die Leute sich darauf konzentrieren<br />
zu arbeiten und nicht darauf Wert legen, beschäftigt<br />
zu wirken.<br />
Wie kamen Sie dazu, sich im Medium des<br />
Dokumentarfilms mit dem Thema Arbeit zu<br />
beschäftigen?<br />
LS: Arbeit bestimmt und definiert unser Leben. Ist<br />
man glücklich mit der Arbeit, hat das enorm positive<br />
Auswirkungen auf das ganze Leben. Ich wollte<br />
einen Film über unsere Gesellschaft machen, und<br />
Arbeit ist für unser Zusammenleben zentral. Wir<br />
haben dann die Menschen in Nordrhein-Westfalen<br />
aufgerufen, ihre Arbeit zu filmen, zu zeigen,<br />
was sie umtreibt, was gut und schlecht ist an dem,<br />
was sie täglich tun. Auf diese Weise sind wir dem<br />
Alltag der Menschen sehr nahegekommen, denn<br />
es war kein fremdes Filmteam, das sie beobachtet<br />
hat, sondern sie haben sich selbst der Kamera präsentiert.<br />
In Bezug auf Arbeit ist NRW ein sehr spezielles<br />
Bundesland, weil es dort einen immensen<br />
Strukturwandel gegeben hat. Aus dem riesigen<br />
Pool an Einsendungen habe ich dann diesen<br />
70-minütigen Film geschnitten.<br />
TJ: Die Entstehung unseres ersten Films war eher<br />
Zufall. Ursprünglich wollten Thorsten Kolsch und<br />
ich einen Imagefilm für eine neue Onlineplattform<br />
für digitale Nomaden drehen. Wir wollten die<br />
Geschichte um einen Ich-Erzähler herum bauen,<br />
der seinen eigenen Weg ins digitale Nomadentum<br />
beschreibt. Und dann wurde das Projekt immer<br />
größer und ist letztlich zu einem 72-minütigen<br />
Film gewachsen, in den Thorsten Kolsch und ich<br />
unsere Perspektiven auf das Thema eingebracht<br />
haben. Im Verlauf des Films haben wir uns mit<br />
dem Lebens- und Arbeitsmodell der digitalen<br />
Nomaden kritisch auseinandergesetzt und waren<br />
nicht immer einer Meinung. Der Protagonist des<br />
Films vertritt uns aber letztlich beide.<br />
Ihr Film »Digitale Nomaden« ist ein Film über<br />
Menschen, die ohne festen Wohnsitz durch die<br />
Welt reisen, sich von regelmäßigen Arbeitszeiten<br />
befreien und Aufträge auf Projektbasis<br />
abarbeiten. Würden Sie sich selber als digitalen<br />
Nomaden bezeichnen?<br />
TJ: Ich hatte lange eine Bahncard 100 und bin viel<br />
umhergereist als freiberuflicher Software-Entwickler.<br />
Da Wertschätzung mir sehr wichtig ist,<br />
ist das digitale Nomadentum für mich eher eine<br />
schwierige Sache. Über Chats lässt sich Wertschätzung<br />
schlecht vermitteln. Für mich sind persönliche<br />
Beziehungen, lachen und abends auch mal<br />
zusammen einen trinken gehen ganz wichtig.<br />
LS: Ich habe eher zufällig, auch durch die Futurale<br />
und den Film von Tim Jonischkat, festgestellt,<br />
dass ich in gewisser Weise ebenfalls Teil dieser<br />
Bewegung bin. Denn ich arbeite als selbstständige<br />
Dokumentarfilmerin im Prinzip schon seit zehn<br />
Jahren ortsunabhängig und ohne feste Arbeitszeiten,<br />
wenn auch mit festem Wohnsitz. Dass es<br />
für Leute wie mich den Begriff der »Solo-Selbstständigen«<br />
gibt, habe ich auch erst im Rahmen<br />
der Futurale erfahren. In Auseinandersetzung<br />
mit dem Begriff der digitalen Nomaden frage ich<br />
mich schon, ob und wie eine Gesellschaft es verkraften<br />
würde, wenn alle so arbeiteten. Und ob<br />
bei diesem Leben nicht auch etwas verloren geht.<br />
Das soziale Umfeld zum Beispiel und persönliche<br />
Wertschätzung.<br />
Der Protagonist in Ihrem Film, Herr Jonischkat,<br />
reflektiert diese Punkte selbstkritisch. Er<br />
fürchtet, ein »egoistischer Selbstoptimierer« zu<br />
werden. Ist diese reflektierte Art repräsentativ<br />
ARBEITEN 4.0 WERKHEFT 02 SEITE 201