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BMAS_Werkheft-2

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Analysen<br />

schnittlichen Arbeitszeitunterschiede variieren<br />

(→ Abbildung 1, S. 68).<br />

Arbeitszeitunterschiede sind in denjenigen<br />

Ländern geringer, in denen Einkommen individuell<br />

besteuert werden, Kinderbetreuung gut ausgebaut<br />

ist oder Männer und Frauen ähnliche Stundenlöhne<br />

für gleiche Arbeit bekommen (Hipp/Leuze<br />

2015): So gibt es in puncto Arbeitszeitdifferenzen<br />

in Schweden mit seinem System der individuellen<br />

Einkommensbesteuerung keine Unterschiede zwischen<br />

verheirateten und unverheirateten Paaren.<br />

In Deutschland hingegen, mit seinem System des<br />

Ehegattensplittings, arbeiten verheiratete Frauen<br />

im Vergleich zu unverheirateten Frauen rund<br />

fünf Wochenstunden weniger als ihre Partner.<br />

Auch eine gut ausgebaute Kinderbetreuungsinfrastruktur<br />

hilft Eltern, Erwerbsarbeit ausgeglichener<br />

aufzuteilen. Wäre die Kleinkindbetreuung<br />

in Deutschland während des Untersuchungszeitraums<br />

der oben genannten Studie ähnlich gut<br />

ausgebaut gewesen wie in Dänemark, so hätte<br />

der durchschnittliche Arbeitszeitunterschied von<br />

Eltern mit kleinen Kindern womöglich nur noch<br />

zehn statt 16 Stunden betragen. Außerdem gilt:<br />

Je ungleicher die Entlohnung von Männern und<br />

Frauen in einem Land, desto ungleicher werden<br />

auch Arbeitszeiten aufgeteilt (ebd.).<br />

Eine Analyse der Auswirkungen der Elternzeit<br />

auf Väter in Deutschland zeigt außerdem,<br />

dass Väter, die Elternzeit in Anspruch genommen<br />

haben, ihr Engagement in Haus- und Familienarbeit<br />

erhöhen und ihre Erwerbsarbeitszeiten reduzieren:<br />

Väter, die bis zu zwei Monate Elternzeit<br />

genommen haben, reduzieren ihre Wochenarbeitszeit<br />

durchschnittlich um drei Stunden; Väter<br />

mit längerer Elternzeit reduzieren ihre Wochenarbeitszeiten<br />

im Schnitt sogar um fünf Stunden<br />

(Bünning 2015).<br />

Zusammengenommen können aus diesen<br />

Befunden folgende Handlungsempfehlungen<br />

abgeleitet werden: Steuerliche Anreize sollten so<br />

gesetzt werden, dass partnerschaftliche Arbeitszeiten<br />

honoriert werden und nicht Arrangements,<br />

in denen eine Person besonders lange und die<br />

andere besonders kurz oder gar nicht arbeitet. Vor<br />

diesem Hintergrund sollte in Deutschland neben<br />

dem Ehegattensplitting auch die beitragsfreie<br />

Mitversicherung bei der gesetzlichen Krankenversicherung<br />

und die Minijobregelung überdacht<br />

werden (Prognos 2014). Kinderbetreuung sollte<br />

weiter ausgebaut werden und für Eltern finanzierbar<br />

sein, um Müttern die Chance auf eine<br />

Erwerbsarbeit und Vätern die Chance auf eine<br />

Arbeitszeitreduzierung zu ermöglichen. Väter<br />

sollten außerdem weiter dazu ermutigt werden,<br />

Elternzeit auch über die Dauer der de facto zwei<br />

»Vätermonate« hinaus in Anspruch zu nehmen.<br />

Die Politik ist auch gefragt, wenn es darum geht,<br />

die in Deutschland nach wie vor große Lohnlücke<br />

zwischen Männern und Frauen zu schließen;<br />

der Vorstoß zu mehr Transparenz bei Gehältern<br />

(BMFSFJ 2016) ist ein wichtiger Schritt in die richtige<br />

Richtung.<br />

FAZIT<br />

Trotz wesentlicher Fortschritte in den vergangenen<br />

Jahren bleiben geschlechtsspezifische<br />

Ungleichheiten auf dem Arbeitsmarkt bestehen.<br />

Ausgeprägte Differenzen in Erwerbs- und Familienarbeitszeiten<br />

(»Gender Time Gap«) und in der<br />

Entlohnung von Männern und Frauen (»Gender<br />

Pay Gap«) akkumulieren sich im Laufe des Lebens<br />

und führen zu ausgeprägten Unterschieden bei<br />

den Alterseinkommen (»Gender Pension Gap«).<br />

Dreh- und Angelpunkt einer Verringerung dieser<br />

Differenzen ist die Umverteilung von Erwerbsund<br />

Familienarbeitszeiten, zumal insbesondere<br />

bei Eltern in Deutschland die tatsächlichen und<br />

gewünschten Arbeitszeiten mitunter stark divergieren.<br />

Hier besteht dringender Handlungsbedarf.<br />

Auszeiten und Teilzeitarbeit wirken sich nur<br />

dann negativ auf Einkommen, Karriereverläufe<br />

oder Rentenbeträge aus, wenn sie von Dauer sind,<br />

wie es derzeit für viele Frauen in Deutschland der<br />

Fall ist. Sind sie zeitlich befristet und auf beide<br />

Partner verteilt, tun sie dies nicht. Eine Umverteilung<br />

von Erwerbsarbeit könnte sicherstellen, dass<br />

beide Partner finanziell auf eigenen Beinen stehen<br />

und sowohl Frauen als auch Männern ausreichend<br />

Zeit für andere, wichtige Dinge des Lebens<br />

verschaffen.<br />

ARBEITEN 4.0 WERKHEFT 02 SEITE 73

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