Diskurslage erweiterte Dialogprozesses Veränderungen
BMAS_Werkheft-2
BMAS_Werkheft-2
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
Analysen<br />
(Destatis 2016). Etwa drei Millionen, darunter über<br />
ein Drittel Frauen in Teilzeit, möchten ihre bestehende<br />
Wochenarbeitszeit (durchschnittlich 19,3<br />
Stunden) um 13,4 Stunden erhöhen. Etwa 900.000,<br />
vor allem Männer in Vollzeit, wollen ihre Arbeitszeit<br />
im Schnitt um mehr als elf Stunden verkürzen<br />
(Destatis 2016). Das Institut für Arbeitsmarkt- und<br />
Berufsforschung berichtet sogar noch deutlichere<br />
Zahlen; je ein Drittel der Vollzeit- und Teilzeitbeschäftigten<br />
wünscht sich kürzere bzw. längere<br />
Arbeitszeiten (IAB 2014).<br />
Diese Zahlen stehen der Aussage gegenüber,<br />
dass in Betrieben flexible Arbeitsangebote bereits<br />
überwiegend vorhanden sind. In fast der Hälfte<br />
der Unternehmen standen den Beschäftigten 2013<br />
flexible Arbeitszeitangebote zur Verfügung (iwd<br />
2014). Allerdings variiert dieses Angebot mit der<br />
Unternehmensgröße und -branche. Der Anteil der<br />
Unternehmen, die für ihre Beschäftigten Arbeitszeitkonten<br />
führen, steigt mit der Größe der Unternehmen<br />
(Janßen 2003).<br />
Flexibilität betrifft aber nicht nur die Arbeitszeit,<br />
sondern auch den Arbeitsort. In Deutschland<br />
dominiert bis heute eine Präsenzkultur. Es fehlen<br />
oft die notwendigen technischen und strukturellen<br />
Voraussetzungen für die Arbeit von zu Hause. 31<br />
Prozent der Angestellten arbeiten gelegentlich<br />
oder regelmäßig von zu Hause aus, bei Arbeitern<br />
sind es zwei Prozent. Bei Betrieben mit über 500<br />
Beschäftigten ist es die Hälfte. Homeoffice wird<br />
vor allem für Führungskräfte und Beschäftigte im<br />
Dienstleistungssektor angeboten. Dabei übersteigt<br />
das Interesse am Homeoffice das Angebot. Über<br />
ein Drittel der Angestellten, die nicht im Homeoffice<br />
arbeiten (39 Prozent), würden dies gerne regelmäßig<br />
oder gelegentlich tun (Brenke 2016). Arbeit<br />
im Homeoffice hat auch Auswirkungen auf die<br />
Arbeitsqualität. Beschäftigte, die von zu Hause<br />
arbeiten können, sind zufriedener und fühlen sich<br />
ihrem Betrieb enger verbunden (BMAS 2015a).<br />
SPANNUNGSFELDER<br />
»Flexibilität<br />
betrifft nicht nur<br />
die Arbeitszeit,<br />
sondern auch den<br />
Arbeitsort.«<br />
Im Zentrum der aktuellen Arbeitszeitdebatte<br />
stehen divergierende, teilweise entgegengesetzte<br />
Flexibilitätsvorstellungen und -ansprüche<br />
der Beschäftigten, der Unternehmen und der<br />
Gesellschaft insgesamt, die entsprechende Spannungsfelder<br />
begründen. Ein Spannungsverhältnis<br />
besteht aber nicht nur zwischen dem, was<br />
Unternehmen, und dem, was Beschäftigte sich<br />
unter »mehr Flexibilität« vorstellen, sondern es<br />
kann auch beispielsweise zwischen individuellen<br />
Ansprüchen von Beschäftigten und kollektiven<br />
Regelungen für Beschäftigte auftreten: Regelungen<br />
für eine einzelne Gruppe oder für alle<br />
Beschäftigten entsprechen nicht immer den subjektiven<br />
Flexibilitätswünschen der Betroffenen.<br />
So können unterschiedliche Flexibilitätsanforderungen<br />
der Beschäftigten zu Konflikten in<br />
einem Team oder einer Belegschaft führen. Hier<br />
können Fachkräfte, die ihre Flexibilitätswünsche<br />
bei der Wahl ihrer Arbeitszeit und ihres Arbeitsortes<br />
durchsetzen können, Beschäftigten gegenüberstehen,<br />
die in befristeten Arbeitsverhältnissen<br />
die temporären Lücken füllen oder in Branchen<br />
arbeiten, in denen die Gestaltungsspielräume der<br />
Beschäftigten im Zuge einer »Rund-um-die-Uhr-<br />
Ökonomie« noch abnehmen (Crary 2014). Wachsende<br />
Polarisierungstendenzen können sich dabei<br />
auch innerhalb von Betrieben zeigen und zu entsprechenden<br />
Konflikten führen.<br />
Auch die Erwartungen und Bedürfnisse der<br />
Beschäftigten sind nicht homogen. Es gibt diejenigen,<br />
die mehr Zeitsouveränität für ein selbstbestimmteres<br />
Arbeiten nutzen möchten. Daneben<br />
gibt es aber auch eine große Gruppe, die feste und<br />
verlässliche Arbeitszeiten und eine klare Trennung<br />
von Berufs- und Privatleben wünscht. Außerdem<br />
verändern sich individuelle Arbeitszeitwünsche<br />
im Laufe des Lebens. Berufseinsteigerinnen und<br />
ARBEITEN 4.0 WERKHEFT 02 SEITE 79