Die Luzemer Pfarreien und Landvogteien
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FRÜHE LANDESHOHEIT UND LANDVOGTEIGRENZEN 45<br />
wird man aufweiten Strecken bedeutende Unterschiede feststellen, die nicht den<br />
allgemeinen Grenzverlauf, sondern nur die lokale Linienführung betreffen. Es<br />
sind nicht mehr lange, gerade Linien, sondern kurze, zackige, welche die Gemeinden<br />
voneinander trennen. Das hat seinen Gr<strong>und</strong>. Seit man nämlich mit<br />
der Gr<strong>und</strong>buch Vermessung begann, war man bestrebt, die politischen Grenzen<br />
wenn möglich mit den privaten Gr<strong>und</strong>stückgrenzen in Übereinstimmung zu<br />
bringen oder sie doch wenigstens so zu gestalten, daß die politische Grenze<br />
nicht ganze, aus mehreren Häusern bestehende Gehöfte sinnlos trennt."^ <strong>Die</strong><br />
mit der Einführung des Gr<strong>und</strong>buches verb<strong>und</strong>ene neue Vermessung der Gemeinden<br />
brachte so eine nachhaltige Bewegung in die politischen Grenzen <strong>und</strong><br />
veranlaßte in unzähligen kleinen Fällen, daß die Grenzen neu festgelegt werden<br />
mußten <strong>und</strong> müssen. Der Gebietsaustausch zwischen den Gemeinden wird dabei<br />
nicht nach der Größe der zu tauschenden Fläche vorgenommen, sondern<br />
nach dem Katasterwert, damit kein Verlust an Steuern entsteht.<br />
Es ist jedoch nicht nur diese neue Vermessungspraxis, welche Grenzkorrekturen<br />
zur Folge haben kann. Solche Korrekturen werden auch nötig, wenn Bach- <strong>und</strong><br />
Flußläufe Korrektionen unterworfen werden <strong>und</strong> als Grenzlinien nur dann<br />
weiterhin dienen können, wenn zwischen den betroffenen Gemeinden oder Kantonen<br />
eine Einigung über die Zuteilung der durch die Begradigung entstehenden<br />
neuen Geländeabschnitte erzielt werden kann. Auch die Melioration von altem<br />
Moos- <strong>und</strong> Sumpfgelände kann zu neuen Grenzziehungen führen, weil bisher<br />
unzugängliches Land urbar gemacht <strong>und</strong> wirtschaftlich genutzt werden kann.<br />
<strong>Die</strong> Verlegung von Straßenzügen, die bisher als Grenzen dienten, schaffen ebenfalls<br />
neue Grenzfragen, die zu bereinigen sind.<br />
Neben der Grenzlinie, die seit dem 19. Jahrh<strong>und</strong>ert allein maßgebend ist, gab<br />
es lange Jahrh<strong>und</strong>erte auch die Grenzräume, besonders zwischen den einzelnen<br />
Siedlungen. Aber auch hier tendierte man auf lange Sicht darauf, die Räume<br />
auszumarchen, weil die intensivierte Nutzung dazu zwang.^^^<br />
Es scheint, daß im Mittelalter, als die personalen Beziehungen im Vordergr<strong>und</strong><br />
standen <strong>und</strong> sich wirr überlagerten, Grenzen einseitig <strong>und</strong> willkürUch festgelegt<br />
wurden. Es fanden wohl keine vertraglichen Abstimmungen zwischen gleichberechtigten<br />
Nachbarn statt. Mit dem Fortschritt der Territorialisierungsprozesse<br />
jedoch konnten keine Grenzen mehr gezogen werden, ohne das Einverständnis<br />
des Nachbarn zu besitzen. Es entstanden überall die Grenzverträge<br />
zwischen einzelnen eidgenössischen Orten, zwischen <strong>Landvogteien</strong> oder zwischen<br />
Twinggemeinden. Auch in solchen Verträgen lehnte man sich mit Vor-<br />
i«3 Das <strong>Luzemer</strong> Dekret über die Gr<strong>und</strong>buch Vermessung vom 18. 2. 1930 postuliert ähnlich<br />
wie sein Vorgänger vom 17. 7. 1912 in Artikel 16: Ferner sollen die Verlegung von Gemeindegrenzen<br />
an Gr<strong>und</strong>stück- <strong>und</strong> Straßengrenzen <strong>und</strong> ähnliche Verbesserungen angestrebt werden.<br />
Artikel 17: In der Reget sind für den gegenseitigen Ausgleich bei der Regelung der Gemeindegrenzen<br />
die Katasterwerte zu berücksichtigen. Gesetze, Dekrete <strong>und</strong> Verordnungen für den<br />
Kanton Luzem, Band 11, Luzem 1936, S. 193 f.<br />
^'^ Vgl. die Seminararbeit von L. Berrisch <strong>und</strong> A. Gloor, Grenzbildung <strong>und</strong> Grenzstreitigkeiten<br />
in zürcherischen Landgemeinden des 15. <strong>und</strong> 16. Jahrh<strong>und</strong>erts. Ms. 3. 12. 1976.