Institutsbericht 2010/2011 - Leibniz-Institut für Atmosphärenphysik ...
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1 Temperaturtrends in der Mesosphäre<br />
(F.-J. Lübken, U. Berger, D. Keuer, E. Becker)<br />
1.1 Einleitung<br />
Es ist unter Wissenschaftlern praktisch unbestritten,<br />
dass der Anstieg von anthropogenen Treibhausgasen<br />
in den letzten Jahrzehnten zu einem Temperaturanstieg<br />
in der Troposphäre geführt hat. In der mittleren<br />
Atmosphäre rechnet man dagegen allgemein mit einer<br />
Abkühlung, da ein Anstieg der Konzentrationen von<br />
infrarot-aktiven Gasen hier zu einer verstärkten Emission<br />
von Strahlung in den Weltraum führt. Dies kühlt<br />
die mittlere Atmosphäre. Auf die Frage, welche Auswirkungen<br />
mögliche Trends von dynamischen Größen<br />
haben könnten, gehen wir in Abschnitt 1.3 näher ein.<br />
Wir konzentrieren uns in diesem Kapitel auf Temperaturtrends<br />
in der Stratosphäre und Mesosphäre in<br />
der Sommersaison, da hier die natürliche Variabilität<br />
aufgrund von Wellen wesentlich kleiner ist als im Winter.<br />
Dies erleichtert den experimentellen Nachweis von<br />
Trends.<br />
Typischerweise sagen Modellrechnungen eine Abkühlung<br />
der Stratosphäre und Mesosphäre von etwa<br />
0,5–1 Grad pro Dekade voraus. In der unteren Stratosphäre<br />
liegen inzwischen lange Messreihen vor, die<br />
einen Temperaturtrend in der oben angegebenen Größenordnung<br />
bestätigen. Dagegen sind Temperaturmessungen<br />
in der oberen Stratosphäre und in der Mesosphäre<br />
schwieriger und daher seltener. Lange Messreihen<br />
liegen nicht vor. Hinzu kommt, dass mit zunehmender<br />
Höhe die Variation der solaren Strahlung mit<br />
dem solaren 11-Jahreszyklus an Bedeutung gewinnt.<br />
Dies erschwert die Analyse von Trends.<br />
In Kühlungsborn wird seit Ende der 1950er Jahre<br />
die Reflexion von Radiowellen in der Ionosphäre<br />
vermessen. Die Reflexion erfolgt bei einer bestimmten<br />
Elektronendichte, die man bei einem Druck von etwa<br />
0,006 hPa (bei einem festen Sonnenstandswinkel von<br />
78,4 ◦ ) in einer Höhe von ca. 82 km findet. Es zeigt sich,<br />
dass diese Reflexionshöhen in den letzten Jahrzehnten<br />
um ca. 1,5 km abgenommen haben (Abb. 1.1). Dies<br />
bedeutet, dass sich die Atmosphäre unterhalb dieser<br />
Höhe irgendwo abgekühlt haben muss. Mit anderen<br />
Worten: die Atmosphäre schrumpft. Man erkennt aus<br />
Abb. 1.1, dass die Abkühlung nicht stetig erfolgt, sondern<br />
z. B. in den letzten 20 Jahren deutlich kleiner<br />
ausfällt als zuvor. Wenn man nur den Zeitraum von<br />
Abb. 1.1: Abweichung der Reflexionshöhen<br />
von Radiowellen (Mittelwerte im Sommer)<br />
vom langjährigen Mittel (rot). Kleinere Modulationen<br />
durch den solaren Zyklus und die<br />
geomagnetische Aktivität wurden entfernt.<br />
Modellergebnisse von LIMA (blau), wobei eine<br />
kleine Variation durch den solaren Zyklus<br />
ebenfalls entfernt wurde.<br />
Abb. 1.2: Aus Phasenhöhenmessungen im<br />
Zeitraum 1959–2000 abgeleitete Temperaturtrends.<br />
Zum Vergleich sind Modellrechnungen<br />
des amerikanischen Modells WACCM nach<br />
Garcia et al. (J. Geophys. Res., 2007) gezeigt.<br />
1961 bis 1996 berücksichtigt, und vorher den Einfluss der geomagnetischen Aktivität und des solaren<br />
Zyklus herausrechnet, ergibt sich aus den Messdaten eine Abnahme der Reflexionshöhe von<br />
−388 m/Dekade.<br />
Aus den Phasenhöhenmessungen allein kann man nicht feststellen, wo unterhalb von ∼82 km<br />
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