Dekan: Prof. Dr. Martin Hautzinger - Universität Tübingen
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Clemens Krause: Posthypnotische Amnesie für therapeutische Geschichten 109<br />
der Gedächtnisforschung, wie dem gelenkten Vergessen unterscheidet (Basden et al., 1994;<br />
Geiselman et al., 1983, s. Kap. 3.6). Tab. 2 vergleicht suggerierte PHA mit anderen Formen<br />
der Amnesie.<br />
Außer der Amnesie im Zusammenhang mit der Demenz vom Alzheimer Typ kann es bei allen<br />
beschriebenen Amnesieformen zu (spontanen) Remissionen kommen, auch bei der PHA wie<br />
die Ergebnisse von Kihlstrom et al. (1983) nahelegen. Weitere Eigenarten der PHA bestehen<br />
darin, daß sie durch sozialen <strong>Dr</strong>uck gebrochen werden kann, allerdings nicht bei allen Pbn<br />
(z.B. Coe, 1996; Kap. 4.7.6) und daß die Darbietung eines Cues zur Aufhebung der Amnesie<br />
führt. Auch bei der Dissoziativen Amnesie und der Dissoziativen Fugue wird häufig über eine<br />
Remission berichtet, wenn die Patienten wieder mit Familienangehörigen konfrontiert werden<br />
und damit adäquate Cues zum Abruf von Informationen erhalten. Inhalte der spontanen PHA<br />
können jedoch oft nur durch eine erneute Hypnoseinduktion zugänglich gemacht werden<br />
(Gheorghiu, 1973) obwohl es auch hier zu spontanen Remissionen kommen kann (Erickson &<br />
Rossi, 1974/1997).<br />
Es gibt Hinweise darauf, daß im Fall der Dissoziativen Störungen auch semantisches und<br />
prozedurales Wissen nicht zugänglich ist, wie der Fall von K. nahelegt (z.B. Treadway et al.,<br />
1992; s. Kap. 4.5). Wie oben schon ausgeführt, ist eine PHA für semantische Inhalte gut<br />
vorstellbar, wurde aber bisher empirisch nicht untersucht, eine Amnesie für implizite<br />
Gedächtnisinhalte konnte bisher nicht nachgewiesen werden. Das implizite Gedächtnis<br />
scheint sehr robust zu sein und außer bei Dissoziativen Amnesien ist es nur bei der Demenz<br />
vom Alzheimer Typ beeinträchtigt und dort auch nur bei Darbietung von neuen Stimuli und<br />
bei Wortergänzungen (Brandt & Rich, 1995; s. Kap. 4.2).<br />
Suggerierte PHA betrifft v.a. das episodische Gedächtnis und dies auch nur für durch die<br />
Suggestion umschriebene Inhalte. Die in Hypnose gelernten Inhalte können jedoch in Form<br />
von semantischem Wissen (Quellenamnesie) oder implizit zum Ausdruck gebracht werden. In<br />
dieser Hinsicht bestehen Parallelen zur Posttraumatischen Amnesie nach einem Schädel-Hirn-<br />
Trauma, aber auch zur Dissoziativen Fugue.<br />
In welchem Ausmaß eine anterograde PHA für Inhalte, die im Wachzustand dargeboten<br />
werden, suggeriert werden kann, ist bisher ebenfalls noch nicht untersucht worden.<br />
Angesichts der Tatsache, daß posthypnotische Suggestionen auf der motorischen Ebene von<br />
hochhypnotisierbaren Pbn durchaus ausgeführt werden, wäre auch die Suggestion für<br />
umschriebene Inhalte, die nach der hypnotischen Trance gelernt werden, denkbar. Barnier<br />
(1998) spezifiziert die Bedingungen unter denen eine posthypnotische Suggestion ausgeführt<br />
wird. So sollte der zeitliche Rahmen eingegrenzt werden, das soziale Umfeld das Ausführen<br />
der posthypnotischen Suggestion unterstützen und bedacht werden, daß die Pbn in einem<br />
aktiven Entscheidungsprozeß eingebunden sind, um die in Hypnose erhaltene Suggestion<br />
angemessen zu interpretieren und auf sie zu reagieren. Die Autorin berichtet jedoch, daß die<br />
Suggestion ein komplexeres posthypnotisches Verhalten auszuführen (jeden Tag eine Karte<br />
an den Versuchsleiter zu schicken), in einem vergleichbaren Maß von Pbn ausgeführt wurde,<br />
die ohne Hypnose die Bitte erhielten das gleiche zu tun. Die Gruppe, die eine posthypnotische<br />
Suggestion bekommen hatte, berichtete jedoch das Verhalten eher mühelos und automatisch<br />
gezeigt zu haben.<br />
Isolierte retrograde Amnesien scheinen jedoch funktionelle von strukturellen Amnesien<br />
abzugrenzen. Laut Hodges (1995) kommt es nur in sehr seltenen Fällen einer Schädigung<br />
anteriorer temporaler Strukturen zum Auftreten dieses Phänomens. Retrograde Amnesien<br />
gehen anscheinend auf eine Beeinträchtigung des Abrufs zurück, die genaueren Mechanismen<br />
der PHA werden im nächsten Kapitel ausführlicher besprochen.<br />
Es bleibt festzustellen, daß die verschiedenen Amnesieformen sowohl durch<br />
Gemeinsamkeiten aber auch durch Unterschiede gekennzeichnet sind. Für die<br />
Amnesieforschung sollte die PHA ein interessantes Paradigma darstellen, da sie non-invasiv