Dekan: Prof. Dr. Martin Hautzinger - Universität Tübingen
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Clemens Krause: Posthypnotische Amnesie für therapeutische Geschichten 38<br />
Moscovitch (1992) stellt dar, wie anhand der Aktivität von Modulen zwischen impliziten und<br />
expliziten Gedächtnisfunktionen unterschieden werden kann. Demnach beginnt Gedächtnis<br />
mit der Registrierung von Information in kortikalen Input-Modulen. Ereignisse aus der<br />
Umgebung werden von den Input-Modulen aufgegriffen, die auf einer perzeptuellen,<br />
präsemantischen Ebene am Dekodieren und Klassifizieren der Information beteiligt sind. Ihr<br />
Output wird zu zentralen Systemstrukturen weitergeleitet, in der eine semantische<br />
Interpretation erfolgt; es wird Bedeutung geschaffen. Diese Prozesse hinterlassen eine<br />
Aufzeichnung ihrer Aktivität sowohl in den Input-Modulen als auch in den semantischen<br />
Systemen. Beide werden im posterioren und midlateralen Kortex vermutet. Diese<br />
Aufzeichnungen erhalten Informationen über das stimulierende Ereignis und haben<br />
Konsequenzen auf die Verarbeitung, so daß identische und aufeinander bezogene Ereignisse<br />
schneller verarbeitet werden, wenn sie zu einem späteren Zeitpunkt wieder präsentiert<br />
werden. Es ist die Reaktivierung perzeptueller und semantischer Aufzeichnungen, die für den<br />
Effekt des Wiederholungsprimings verantwortlich ist. Der Begriff Engramm bezieht sich auf<br />
den Informationsgehalt der Aufzeichnung.<br />
Lediglich der Output von Modulen kann bewußt gemacht werden, obwohl prozedurale oder<br />
Handlungssysteme auch direkt aktiviert werden können, ohne zuvor ins Bewußtsein zu<br />
gelangen (Moscovitch, 1989, Schacter, 1989). Wenn der Output bewußt aufgegriffen wurde<br />
und ins Arbeitsgedächtnis (AG) weitergeleitet wurde, wird er automatisch von der<br />
hippocampalen Komponente (s.o.) aufgenommen. Jedoch werden nur bewußt erfahrene,<br />
semantisch interpretierte Ereignisse automatisch dieser Komponente zugeführt. Sie verknüpft<br />
die empfangene Information mit den Engrammen in den Modulen und zentralen Systemen,<br />
deren Aktivität die bewußte Erfahrung schuf. Dieser Prozess wird wahrscheinlich durch<br />
reziproke Bahnen vermittelt, die den Hippocampus mit dem Neokortex über das Riechhirn<br />
und angrenzende kortikale Areale verbinden (Squire, 1987). Diese hippocampal vermittelte<br />
Sammlung verbundener Engramme bildet eine Gedächtnisspur (Hayman & Tulving, 1989),<br />
die, wie schon erwähnt, als Adresskodierung im Hippocampus kodiert wird. Dieser Prozeß<br />
wird auch Gedächtniskonsolidierung genannt.<br />
Laut Moscovitch (1992) erfolgt Erinnerung dann, wenn entweder ein äußerer oder ein innerer<br />
Cue Zugang zum AG bekommt (also bewußt wird), die hippocampale Adresskodierung<br />
aktiviert wird und in Interaktion mit der Gedächtnisspur tritt. Das Ergebnis dieser Interaktion<br />
wird dem Bewußtsein zugänglich gemacht. Der Prozeß, durch den Abrufinformation in<br />
Interaktion mit gespeicherter Information tritt, wird Ecphorie genannt. Sowohl Ecphorie als<br />
auch Konsolidierung sind automatische Prozesse, zu denen kein bewußter Zugang besteht.<br />
Uns ist lediglich der Input und der flache Output des hippocampalen Systems zugänglich.<br />
Deshalb betrachten wir die hippocampale Komponente als ein Gedächtnismodul, das in<br />
wesentlichen Operationen und Merkmalen analog zu den Inputmodulen ist. Da sie modular<br />
ist, ihre Repräsentationen (Gedächtnisspuren) aus Adresskodierungen zu assoziierten<br />
Engrammen bestehen und da der Abruf auf Cues hin, die mit der Gedächtnisspur verbunden<br />
sind, automatisch erfolgt, bezeichnen wir die hippocampale Komponente als assoziativ.<br />
Die assoziative/ecphorische Komponente des Gedächtnisses, mit dem Hippocampus als<br />
wichtigster Komponente, kodiert automatisch bewußt verstandene Information und liefert auf<br />
einen angemessenen Cue hin automatisch ecphorische Information als Gedächtnisinhalt<br />
zurück ins Bewußtsein. Da sie modular ist, fehlt dieser Komponente jegliche „Intelligenz“.<br />
Führt der Cue nicht unmittelbar zu einem Gedächtnisinhalt, erfolgt nicht von selbst ein<br />
weiterführender Suchprozess. Selbst wenn eine Gedächtnisspur gefunden wurde, muß es sich<br />
nicht um einen "wahren" Inhalt handeln, weil vielleicht durch den Cue eine falsche Spur<br />
abgerufen wurde. Die hippocampale Komponente kann aufgrund fehlender „Intelligenz“<br />
keine angemessene Unterscheidung zwischen verzerrten, "falschen" und "wahren" Inhalten<br />
treffen.