Dekan: Prof. Dr. Martin Hautzinger - Universität Tübingen
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Clemens Krause: Posthypnotische Amnesie für therapeutische Geschichten 122<br />
Zeigarnik (1927) fand, daß Personen Aufgaben, die sie nicht beendet hatten, besser erinnerten<br />
als abgeschlossene Aufgaben. Sie war der Ansicht, daß Gehirnstrukturen, die mit<br />
unvollendeten Aufgaben befaßt waren, in einem aktivierten Zustand verbleiben und daß diese<br />
Aufgaben deshalb besser abgerufen werden können, ein Prozeß der an Priming Effekte<br />
erinnert. Unter Umständen jedoch, in denen eine Unterbrechung der Aufgaben als Versagen<br />
interpretiert wurde, kehrte sich der Effekt um und unvollendete Aufgaben wurden schlechter<br />
erinnert, was die Autorin als eine Art von Verdrängung von Ich-bedrohlicher Information<br />
interpretierte. Dieses Ergebnis wurde öfters repliziert (z.B. Rosenzweig, 1952). Rosenzweig<br />
fand, daß Hypnotisierbarkeit, mit der Tendenz unvollendete Aufgaben in Ich-bedrohlichen<br />
Situationen zu vergessen, korreliert und sah darin einen Nachweis, daß Hochhypnotisierbare<br />
eher Verdrängung als Abwehrmechanismus anwenden (Rosenzweig & Sarason, 1942).<br />
Hilgard und Hommel (1961) verwendeten standardisierte Hypnotisierbarkeitsskalen um<br />
dieses Phänomen zu überprüfen. Sie fanden, daß Pbn 60,2 % der bewältigten Items,<br />
gegenüber 49 % der nicht bewältigten Items erinnerten. Die Ergbnisse zeigen also einen<br />
umgekehrten Zeigarnik Effekt auf. Für Hochhypnotisierbare war der Effekt jedoch nicht<br />
signifikant. Da die Autoren aufgrund der geringen Erinnerung von Hochhypnotisierbaren,<br />
während die Amnesiesuggestion wirksam war, einen Artefakt vermuteten, werteten sie auch<br />
die Wiedergabe nach Aufhebung der Amnesiesuggestion aus. Diejenigen Items, die auch nach<br />
der Reversibilität nicht erinnert wurden, erhielten einen überproportionalen Anteil von Items,<br />
die sie nicht bestanden hatten. Somit schlossen die Autoren, daß Verdrängung, wie sie durch<br />
den umgekehrten Zeigarnik Effekt ausgedrückt wird, weitgehend von Amnesie und Hypnose<br />
unabhängig ist. O’Conell (1966) replizierte die Ergebnisse und erhielt ebenfalls einen<br />
umgekehrten Zeigarnik Effekt, der für Niedrighypnotisierbare akzentuierter war. Er war<br />
zusätzlich der Meinung, daß der Effekt bei Niedrighypnotisierbaren ausgeprägter sei, da sie<br />
weniger Items bestehen und deshalb diese Items besonders gut erinnern. Die Ergebnisse<br />
konnten mit methodischen Verbesserungen teilweise repliziert werden. Pettinati und Evans<br />
(1978) kamen allerdings zu dem Schluß, daß sowohl hoch- als auch niedrighypnotisierbare<br />
Personen, die erfolgreich ausgeführten Suggestionen besser erinnerten und daß diese Tendenz<br />
der normalen Funktionsweise des Gedächtnisses entspricht und nicht auf Hypnose<br />
zurückzuführen ist.<br />
Zusammenfassend läßt sich feststellen, daß PHA nicht dazu beizuträgt unangenehme,<br />
bedrohliche oder konfliktbeladene Inhalte zu verdrängen, wenngleich eine allgemeine<br />
Tendenz dazu aufgezeigt werden kann, die jedoch unabhängig von Hypnose ist (s. Kap. 3.10).<br />
Hypnose und Hypnotisierbarkeit und damit auch die PHA sind multidimensional bedingte<br />
Phänomene. Es ist anzunehmen, daß sowohl sozialer Einfluß, als auch spezielle Fähigkeiten<br />
des Individuums während der Hypnose wirksam werden und Reaktionserwartungen erzeugen,<br />
die zu einer kognitiven Verarbeitung führen, die vom Wachzustand verschieden sein kann,<br />
aber nicht muß (Krause, 2000). Hypnotische Phänomene können auf mehrere Wege erfahren<br />
werden, so unterscheiden sich auch amnestische Versuchspersonen darin, ob sie angeben<br />
Kontrolle über ihr Gedächtnis zu haben oder ob sie angeben keinen Einfluß auf die<br />
Reproduktion von Inhalten nach einer Amnesiesuggestion zu haben. Auch scheint eine<br />
Subgruppe hochhypnotisierbarer Pbn, sogenannte Dissoziierer PHA eher erfahren zu können<br />
als andere.<br />
Obwohl die aufgeführten experimentellen Studien sicherlich wertvoll sind um Merkmale der<br />
PHA zu erfassen, bleiben viele Fragen offen. So wurde das Auftreten und Auswirkungen der<br />
PHA noch nie im Verlauf einer Therapie untersucht. Überhaupt gibt es mit einer Ausnahme<br />
(Matthews & Langdell, 1989) noch keine Studie, die die Erzeugung einer PHA für<br />
therapierelevantes Material untersucht. Es ist anzunehmen, daß ein Klient in einer<br />
therapeutischen Sitzung emotional beteiligter ist als ein Proband, der Wortlisten erinnern soll.<br />
Hinweise dafür, daß Emotionen tatsächlich Gedächtnisfunktionen beeinflussen, stammen von