Dekan: Prof. Dr. Martin Hautzinger - Universität Tübingen
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Clemens Krause: Posthypnotische Amnesie für therapeutische Geschichten 114<br />
seinen Namen zu erinnern (Vermeidung von Peinlichkeit), gelingt es uns manchmal nicht, den<br />
Namen zu erinnern. Eine mögliche Erklärung, warum Inhalte während einer PHA nicht<br />
erinnert werden können, ist, daß der Gedächtnishalt zwar aktiviert ist, aber nicht bewußt<br />
gemacht werden kann, was zwei voneinander abgrenzbaren Prozessen entspricht (s.u.).<br />
Wenn sich Personen lediglich so verhalten, als ob sie hypnotisiert wären, so müßte deren<br />
Verhalten von Personen, die nicht hypnotisiert sind simuliert werden können. Orne (1959,<br />
1979) führte ein Paradigma ein, das vorsah niedrighypnotisierbare Pbn, die Hypnose<br />
offensichtlich nicht oder nur in einem geringen Ausmaß erfahren konnten, dazu anzuleiten<br />
Hypnose zu simulieren. Der Versuchsleiter ist dabei blind für den Status seiner Pbn. Diese<br />
werden instruiert den Versuchsleiter zu täuschen und sich so zu verhalten, wie sie annehmen,<br />
daß es tief hypnotisierte Personen tun. Hinsichtlich der PHA deuten die Ergebnisse dahin, daß<br />
sich simulierende Pbn amnestischer geben als tatsächlich hypnotisierte, für Hypnose sehr<br />
empfängliche Pbn. Dies gilt sowohl für die freie Wiedergabe (z.B. Williamsen et al., 1965) als<br />
auch für das Wiedererkennen (z.B. Spanos, James & deGroot, 1990). Diese Ergebnisse<br />
können als Hinweis auf die verschiedenartige Wirkung des hypnotischen und des<br />
Wachzustandes auf die Realisierung einer PHA interpretiert werden. Evans (1988) stellt fest,<br />
daß nur bei hochhypnotisierbaren Pbn eine Quellenamnesie (s.o.) auftritt, simulierende Pbn<br />
zeigen lediglich PHA für den Inhalt der hypnotischen Sitzung.<br />
Ein weiteres Argument, das von den Kontextualisten aufgeführt wird um zu belegen, daß bei<br />
der PHA keine besonderen Prozesse wirksam werden, ist das Auftreten von proaktiver und<br />
retroaktiver Interferenz der gelernten Inhalte, obwohl für diese Inhalte Amnesie suggeriert<br />
wurde und auch auftrat (z.B. Dillon & Spanos, 1983). Nach Gregg (1979, 1980) ist eine<br />
kategoriale Ordnung beim Lernen ein optionaler Prozeß, dessen Effiziens durch die Pbn<br />
willentlich beeinflußt werden kann; im Sinne einer Selbstablenkung verzichten die Pbn auf<br />
die effektive Strategie. Die Aufhebung der Interferenz stellt nach Dillon und Spanos einen<br />
obligatorischen Gedächtnisprozeß dar, der von Pbn nicht willentlich beeinflußt werden kann<br />
(s.u.). Für Kihlstrom (1978) zeigt das Auftreten von Interferenzeffekten lediglich, daß die<br />
amnestische Information gespeichert wird und mit anderen Gedächtnisinhalten assoziative<br />
Verbindungen unterhält. Es besteht jedoch kein Grund daran zu zweifeln, daß es sich um eine<br />
echte Amnesie handelt. Seiner Meinung nach handelt es sich bei der PHA um ein<br />
Abrufproblem, welches lediglich das episodische und nicht das semantische Gedächtnis<br />
betrifft. Von der PHA wird der Suchprozess betroffen, der Informationen im Gedächtnis<br />
wiederfindet. In die gleiche Richtung gehen Ergebnisse zur Dissoziativen Identitätsstörung.<br />
Auch hier kam es zu Interferenz, obwohl die Listen verschiedenen Persönlichkeiten<br />
dargeboten wurden, die füreinander amnestisch waren (Silberman et al., 1985; Eich et al,<br />
1997; s.u., s. Kap. 4.5).<br />
Andere Befunde deuten ebenfalls in diese Richtung. So veränderte sich der Hautwiderstand<br />
bei Darbietung von Wörtern, die eine Person gelernt hat, jedoch die sie nach einer<br />
posthypnotischen Amnesiesuggestion nicht mehr erinnerte. Bei der Darbietung von Wörtern,<br />
die nicht gelernt wurden, war dies nicht der Fall. Auch hier ist die Information offensichtlich<br />
im Gedächtnis vorhanden, beeinflußt physiologische Prozesse, kann aber explizit nicht<br />
abgerufen werden (Bitterman & Marcuse, 1945).<br />
Es gibt auch psycho-physiologische Befunde, die für eine besondere kognitive Verarbeitung<br />
in Hypnose sprechen. Hautkappe und Bongartz (1992) verglichen hochhypnotisierbare und<br />
niedrighypnotisierbare Probanden, die Hypnose simulierten, in ihren Reaktionen auf den Test<br />
von amnestischen Gedächtnisinhalten. Hochhypnotisierbare zeigten eine signifikant<br />
niedrigere Herzratenvariabilität als simulierende Pbn. Da eine niedrige Herzratenvariabilität<br />
als ein Anzeichen mentaler Anstrengung gilt, konnte aus den Ergebnissen geschlossen<br />
werden, daß simuliernde Probanden sich weniger anstrengten, um im Test Inhalte der<br />
Hypnosesitzungen zu reproduzieren als Hochhypnotisierbare, die versuchten eine echte PHA