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Dekan: Prof. Dr. Martin Hautzinger - Universität Tübingen

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Clemens Krause: Posthypnotische Amnesie für therapeutische Geschichten 77<br />

Während PTA Patienten nach dem Trauma eine ausgeprägte anterograde Amnesie zeigen<br />

beschränkt sich die retrograde Amnesie zumeist auf die Zeit unmittelbar vor dem Unfall und<br />

ist von kürzer Dauer als die anterograden Folgen des Traumas. Es kann aber auch zu einer<br />

retrograden Amnesie kommen, die länger zurückreicht, jedoch bildet sich diese meist<br />

innerhalb der ersten Monate nach dem Trauma zurück. Es verbleibt dann eine residuale<br />

Amnesie für Stunden unmittelbar vor dem Trauma. Ein temporaler Gradient, der auf eine<br />

bessere Erinnerung alter Gedächtnisinhalte hinweist, konnte nicht konsistent gefunden werden<br />

(Levin et al., 1992).<br />

Patienten mit PTA zeigen sowohl eine höhere Vergessensrate bei visuellem Wiedererkennen,<br />

als auch eine flachere Lernkurve über fünf Durchgänge hinweg. Sie können weniger von<br />

wiederholter Darbietung des Materials profitieren. Patienten mit PTA können bei der<br />

Wiedergabe weniger Wörter kategorisieren und semantische Cues führen bei ihnen im<br />

Gegensatz zu gesunden Pbn nicht zu einer besseren Gedächtnisleistung. Es scheint so, als<br />

gebrauchten Patienten mit PTA weniger aktive Kodierungs- und Abrufstrategien als gesunde<br />

Pbn. Während das deklarative Gedächtnis beeinträchtigt ist zeigen PTA Patienten<br />

prozedurales Lernen. Die Lernerfolge hielten auch nach Beendigung der PTA an, obwohl die<br />

Leistung im Vergleich mit einer Kontrollgruppe allgemein schlechter war. Auch scheint das<br />

räumliche Gedächtnis für die Lokalisierung von Räumen auf einem Plan relativ intakt zu sein<br />

(s. Übersichten bei Goldstein & Levin, 1995 und Levin et al., 1992).<br />

Die Auswirkungen von Hirnverletzungen auf das Gedächtnis hängen natürlich auch von der<br />

Schwere des Traumas ab. Leichte Verletzungen werden durch einen Verlust des Bewußtseins,<br />

der 30 Minuten oder weniger anhält, definiert. Zusätzlich sollten sich keine neurologischen<br />

Komplikationen ergeben. Auch bei leichten Verletzungen sind Beeinträchtigungen des<br />

Gedächtnisses die herausragenden Merkmale in der Abgrenzung zu gesunden Pbn, auch noch<br />

einen Monat nach dem Trauma (Dikmen, McLean & Temkin, 1986). In einer anderen Studie<br />

erzielten 85 % der Patienten mit einem leichten Trauma eine Woche nach dem Unfall eine<br />

schlechter Leistung in einem verbalen Gedächtnistest als gesunde Pbn (Levin et al., 1987).<br />

Ergebnisse mit bildgebenden Verfahren zeigen inkonsistente Ergebnisse in der Vorhersage<br />

von Gedächtnisstörungen bei Hirnverletzungen. Anwesenheit und Lokalisation temporaler<br />

Läsionen und neuropsychologische Testung wiesen im Fall der PTA keine Beziehung<br />

zueinander auf, während das in anderen Populationen (z.B. Enzephalitis bei Herpes simplex,<br />

Patienten nach elektrokonvulsiver Krampftherapie) der Fall war.<br />

Bei leichten Hirnverletzungen dauert es bis zu zwei Jahren, bis alle Gedächtnisfunktionen<br />

wieder hergestellt sind, obwohl die meisten Patienten ein bis drei Monaten nach der<br />

Verletzung berichten keine Probleme mehr mit ihrem Gedächtnis zu haben. Es gibt Anzeichen<br />

dafür, daß sich die Auswirkungen von Schädel-Hirn-Traumata kumulieren, deshalb sollte bei<br />

andauernden Beschwerden auf ein eventuelles vorausgehendes Trauma geachtet werden.<br />

Patienten ab 40 Jahren zeigen eine langsamere Rehabilitation als jüngere Patienten.<br />

Tiefe und Länge der Bewußtlosigkeit sowie Augenreflexe sind die besten Prädiktoren für die<br />

Rehabilitation bei mittelschweren bis schweren geschlossenen Hirnverletzungen. Hypoxie<br />

legt dagegen eine schlechte Prognose nahe. Etwa ein <strong>Dr</strong>ittel bis zu einer Hälfte von Patienten<br />

mit schweren Hirnverletzungen zeigen Verbesserungen der Gedächtnisfunktionen. Ruff et al.<br />

(1991) beobachtete drei Subtypen von Amnestikern. Eine Gruppe der Patienten (ein drittel)<br />

zeigte eine Verbesserung der Gedächtnisleistung nach sechs Monaten, nach einem Jahr fiel<br />

ihre Gedächtnisleistung aber wieder auf Baseline-Werte zurück. Eine andere Subgruppe (17<br />

%) zeigte keine Verbesserung der Gedächtnisleistung, während eine dritte Subgruppe (50 %)<br />

eine stetige Verbesserung im Wiedererkennen einer Wortliste über ein Jahr hinweg zeigte.<br />

Letztere Gruppe zeigte auch einen Rückgang der Depressionswerte, während diese bei den<br />

anderen Gruppen gleich blieben oder sich verschlechterten, was einen Zusammenhang<br />

zwischen affektiven Beeinträchtigungen und der Gedächtnisleistung nahelegt. Wilson (1992)<br />

untersuchte Patienten 5 bis 10 Jahre nachdem sie wegen ihrer Gedächtnisstörungen behandelt

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