Dekan: Prof. Dr. Martin Hautzinger - Universität Tübingen
Dekan: Prof. Dr. Martin Hautzinger - Universität Tübingen
Dekan: Prof. Dr. Martin Hautzinger - Universität Tübingen
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
Clemens Krause: Posthypnotische Amnesie für therapeutische Geschichten 45<br />
erinnerten sie 91 % der Wörter, bekamen sie dagegen per Zufall die Cues von anderen Pbn<br />
zugewiesen, erinnerten sie lediglich 55 % der Items (Mäntylä, 1986). Dieses Experiment<br />
zeigt, welche Einbußen in der Gedächtnisleistung bestehen, wenn der Kontext zum Zeitpunkt<br />
des Kodierens und des Abrufs unterschiedlich ist. Den Kontext bezeichnen wir in diesem Fall<br />
als intrinsisch und semantisch. Der intrinsische, semantische Kontext bezieht sich auf<br />
Aspekte, die für die Bedeutung des Stimulus bedeutsam sind, z.B. wie er interpretiert und<br />
konzeptualisiert wird. Die Attribute, die von den Pbn beim Kodieren generiert wurden,<br />
beruhen auf der individuellen Erfahrung einer Person und können deshalb für jemand anderen<br />
relativ bedeutungslos sein.<br />
Werden Kodierungs- und Abrufkontext durch den Versuchsleiter vorgegeben und<br />
manipuliert, sind die Ergebnisse ähnlich. Werden Substantive mit einem Adjektiv gepaart<br />
vorgegeben (z.B. soda cracker), ist die Wiedererkennensleistung für die Substantive<br />
wesentlich besser, wenn sie in der Abrufphase mit dem gleichen Adjektiv dargeboten werden,<br />
als wenn sie allein oder mit einem anderen Adjektiv (z.B. graham cracker) dargeboten<br />
werden (Light & Carter-Sobell, 1970). Die gleichen Ergebnisse wurden bei Wörtern, die<br />
assoziativ aufeinander bezogen sind (z.B. love-hate) (Tulving & Thomson, 1971) und<br />
Portraitfotos (Winograd & Rivers-Bulkeley, 1977) erzielt.<br />
Intrinsischer physikalischer Kontext<br />
Beim physikalischen Kontext wird zwischen intrinsischem und extrinsischem Kontext<br />
unterschieden (Koutstaal & Schacter, 1997). Sensorische und perzeptuelle Aspekte eines<br />
Stimulus, die notwendigerweise durch eine Aufmerksamkeitszuwendung zu dem Stimulus<br />
verarbeitet werden, aber die nicht die Bedeutung oder Interpretation des Stimulus<br />
beeinflussen, definieren den intrinsischen physikalischen Kontext. Wenn wir ein gedrucktes<br />
Wort lesen, so wird die Information über die Schrifttype verarbeitet, auch wenn sie die<br />
Interpretation des Wortes nicht beeinflußt. Ein vom Kodieren zum Abruf veränderter<br />
intrinsischer, physikalischer Kontext scheint die explizite, bewußte Gedächtnisleistung kaum<br />
zu beeinflussen. Unterschiedliche Stimmen, die das Reizmaterial in der Kodierungs- oder<br />
Abrufphase darbieten, oder ein Wechsel der Modalität von visuell während des Kodierens, zu<br />
auditiv während des Abrufs, beeinflussen die Erinnerung nicht signifikant (s. Übersicht bei<br />
Hayman & Rickards, 1995). Wie in Kap. 2.2 dargelegt sind jedoch indirekte, implizite Tests<br />
für einen Wechsel des intrinsischen, physikalischen Kontexts sehr wohl sensibel (s. auch<br />
Jacoby und Dallas, 1981; Roediger & Blaxton, 1987).<br />
Extrinsischer physikalischer Kontext:<br />
Der extrinsische, physikalische Kontext bezieht sich auf sensorische und perzeptuelle<br />
Charakteristika der Umgebung, wie z.B. Merkmale, die den Raum, in dem das Material<br />
kodiert bzw. abgerufen wurde, betreffen oder die Kleidung des Versuchsleiters. Obwohl diese<br />
Merkmale nicht verarbeitet werden müssen, um den dargebotenen Stimulus wahrzunehmen<br />
und obwohl diese Aspekte möglicherweise weitgehend unabhängig vom Zielstimulus<br />
verarbeitet werden, beeinflussen sie mehr oder weniger den Grad der Überschneidung von<br />
Merkmalen der Umgebung, in der die Information kodiert und abgerufen wird. Die klassische<br />
Studie von Godden und Baddeley (1975) verdeutlicht, wie die gleiche physikalische<br />
Umgebung während des Kodierens und des Abrufs zu einer wesentlich besseren Leistung der<br />
freien Wiedergabe führt. Die Pbn, alles Taucher, lernten Wortlisten entweder zu Land oder<br />
unter Wasser und wurden anschließend auch entweder an Land oder unter Wasser getestet.<br />
Pbn, die nicht in der gleichen Umgebung lernten und getestet wurden, erinnerten ca. 40 %<br />
weniger Wörter als Pbn, bei denen die Umgebung in beiden Phasen des Experiments<br />
übereinstimmte. Dieser Effekt konnte aber in einem Wiedererkennens-Paradigma nicht<br />
repliziert werden.