Dekan: Prof. Dr. Martin Hautzinger - Universität Tübingen
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Clemens Krause: Posthypnotische Amnesie für therapeutische Geschichten 74<br />
Folgende Kriterien für das amnestische Syndrom sind allgemein anerkannt:<br />
• Eine normale Intelligenz ist weitgehend erhalten.<br />
• Es kommt zu einem Verlust von Information die vor dem Eintreten des Gehirnschadens<br />
erworben wurde.<br />
• Der Erwerb von Fertigkeiten (skills) bleibt erhalten.<br />
Eine präzise klinische Definition für Amnesie wurde bisher jedoch nie festgelegt. Die meisten<br />
Neuropsychologen verwenden eine ganze Reihe von standardisierten Gedächtnistests um<br />
Amnesie zu erheben und die Diagnose wird über die Testergebnisse operationalisiert. Es gibt<br />
jedoch keine Cut-off Punkte die Amnestikern von einer gesunden Population unterscheiden.<br />
Nichtsdestotrotz gab es Versuche quantitative Kriterien für die Diagnose einer Amnesie<br />
einzuführen. Ursprünglich wurde ein Unterschied von 20 Punkten zwischen einem<br />
allgemeinen Intelligenztest (WAIS-R IQ, Wechsler, 1981) und einem standardisierten<br />
Gedächtnistest (WMS MQ, Wechsler, 1987) als Kriterium für das vorliegen einer Amnesie<br />
eingeführt. Später wurde berichtet, daß amnestische Patienten von normalen Pbn und<br />
Alzheimerpatienten aufgrund von Unterschiedsscores zwischen Aufmerksamkeit und<br />
allgemeinen Gedächtnis-Indizes des WMS-R unterschieden werden können (Butters et al.,<br />
1988). Sehr valide ist dieser Index jedoch nicht. So könnte eine Person mit<br />
überdurchschnittlicher Aufmerksamkeit und einer noch im Normbereich liegenden<br />
Gedächtnisleistung als amnestisch klassifiziert werden.<br />
Teilweise wird ein ausgiebiges neuropsychologisches <strong>Prof</strong>il der Patienten erhoben. Neben der<br />
Beurteilung des Gedächtnis wird ein breiter Bereich kognitiver Funktionen erhoben. Die<br />
Faktoren Schlußfolgern, Urteilen, Aufmersamkeitsspanne, Vigilanz, mentale Flexibilität,<br />
Sprache, Wahrnehmung und Persönlichkeit ergeben ein umfassendes <strong>Prof</strong>il des Patienten.<br />
Eine so ausführliche Diagnostik erscheint angesichts der vielen Faktoren die das Gedächtnis<br />
beeinflussen können (Aphasie, Depression, usw.), jedoch nicht primäre Merkmale des<br />
amnestischen Syndroms darstellen, notwendig. Nur Patienten mit reiner Amnesie sollten in<br />
Gruppenstudien des amnestischen Syndroms eingehen (O’Connor, Verfaellie & Cermak,<br />
1995).<br />
Innerhalb des amnestischen Syndroms besteht eine große Heterogenität, einfach deshalb weil<br />
die eine große Anzahl von medizinischen, neuropsychologischen und psychosozialen<br />
Bedingungen das Gesamtbild des Gedächtnisverlustes sowie die residualen Fähigkeiten zu<br />
Lernen beeinflussen. Trotzdem gibt es Versuche Amnestiker aufgrund von ätiologischen<br />
und/oder neuroanatomischen <strong>Prof</strong>ilen zu gruppieren. Am meisten akzeptiert ist die<br />
Unterscheidung zwischen Amnestikern mit dienzephaler Pathologie (z.B. WKS, thalamische<br />
Infarkte, Tumore im Bereich des dritten Ventrikels) und Amnestikern mit einem Schaden des<br />
medial-temporalen Bereichs (z.B. Lobotomie, Herpes-Simplex-Enzephalitis,<br />
Gehirnschädigung aufgrund von Sauerstoffmangel) (s. Kap. 2.4.1).<br />
Hodges (1995) nimmt folgende Unterteilung der Amnesien in vier Subgruppen vor, je nach<br />
Lokalisierung der Psychopathologie:<br />
• Hippokampale Amnesie: Squire (1992) postuliert, daß eine Schädigung des Hippocampus<br />
per se moderate anterograde Amnesie, mit einer temporal begrenzten retrograden Amnesie<br />
hervorrufen kann. Die Patienten zeigen erhaltene Einsicht, keine Konfabulationen, und<br />
haben die Tendenz schnell zu vergessen (z.B. Parkin, 1984). Sind zusätzlich<br />
parahippocampale Areale geschädigt, kann es zu einer profunden anterograden Amnesie<br />
mit einer extensiven aber temporal abgestuften RA kommen. Nach Herpes-Simplex-<br />
Autoimmunreaktionen. Auch abnormale virale und endokrine Reaktionen werden mit ihrem Auftreten in<br />
Zusammenhang gebracht. Das klinische Erscheinungsbild ist neben einem Verlust des Gedächtnisses auch durch<br />
emotionale Probleme bestimmt.