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Dekan: Prof. Dr. Martin Hautzinger - Universität Tübingen

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Clemens Krause: Posthypnotische Amnesie für therapeutische Geschichten 24<br />

motorische Antwortsysteme widerspiegelt. Die Gedächtnisinhalte haben dabei keinen Zugang<br />

zu Prozessen, die für ein bewußtes Erinnern notwendig sind.<br />

Jeder der drei beschriebenen Ansätze kann gewisse empirische Ergebnisse erklären andere<br />

nicht, weshalb eine umfassende Theorie über das implizite Gedächtnis noch aussteht.<br />

Auffallend ist die Vielfalt und Unterschiedlichkeit von Gedächtnisphänomenen, die unter dem<br />

Begriff „implizit“ subsumiert werden. Die Tatsache, daß implizites Gedächtnis über eine<br />

Vielzahl von Aufgaben und Populationen hinweg beobachtet wurde führt sowohl zu<br />

empirischen als auch theoretischen Implikationen: Erst einmal ist es nötig Ähnlichkeiten und<br />

Unterschiede zwischen verschiedenen Tests, die alle implizites Gedächtnis erheben,<br />

herauszuarbeiten. So könnten z.B. Wortstamm- und Wortfragmentergänzungen,<br />

Worterkennung, lexikalische Entscheidung, freie Assoziation und andere implizite<br />

Gedächtnistests jeweils verschiedene Aspekte des impliziten Gedächtnis erfassen<br />

(Witherspoon & Moscowitch, 1989). Hinweise auf Unterschiede ergeben sich in einem<br />

Vergleich der Tests. Wie lange eine Aktivierung von Inhalten des impliziten Gedächtnis<br />

anhält ist abhängig vom Aufgabentyp. Wird ein Test zur lexikalischen Entscheidung gegeben,<br />

dauert sie einige Sekunden bis Minuten (z.B. Forster & Davis, 1984), ist eine<br />

Worstammergänzung Inhalt des Tests, kann sie mehrere Stunden andauern (z. B. Graf &<br />

Mandler, 1984). Mit anderen Paradigmen wurde sogar eine monatelange Verfügbarkeit von<br />

Inhalten nachgewiesen (z.B. Jacoby, 1983a, Schacter & Graf, 1986). Um die Unterschiede<br />

adäquat zu interpretieren, müssen Prozesse, die bei den verschiedenen Tests ablaufen, besser<br />

verstanden werden.<br />

Eine weitere offene Frage betrifft die Beziehung von Primingstudien zu anderen Paradigmen,<br />

wie z.B dem impliziten Regellernen. Die Rolle des impliziten Gedächtnisses bei der<br />

Entstehung von affektiven und sozialen Phänomenen, wie Gefühlszuständen, Ängsten und<br />

Phobien, Eindrucksbildung und Selbstkonzepten bietet interessante Perspektiven. Besonders<br />

frühe Beschreibungen (z.B. von Janet und Freud) beschäftigen sich mit der Rolle von<br />

unbewußten Einflüssen auf affektive Zustände (Schacter, 1987). Ein weiteres Gebiet, auf dem<br />

noch Klärungsbedarf besteht, ist das der funktionellen Amnesien. Zwar gibt es einige Studien<br />

zum impliziten Gedächtnis in Hypnose (Kihlstrom, 1980), bei der multiplen<br />

Persönlichkeitsstörung (heute dissoziative Identitätsstörung, Nissen et al., 1988), Alkohol und<br />

<strong>Dr</strong>ogenintoxikation (Nissen et al. 1988), aber es bleiben noch viele Fragen offen (s. Kap. 4,<br />

Kap.5). Auch ist noch wenig über die Beziehung von implizitem Gedächtnis und Altern<br />

bekannt. Dabei gibt es Hinweise darauf, daß ältere Personen unverändert gute Leistungen bei<br />

Primingaufgaben zeigen, während die Leistung in vielen expliziten Tests mit zunehmendem<br />

Alter nachläßt (Graf & Schacter, 1985).<br />

Auch theoretisch können, wie schon erwähnt, nicht alle impliziten Gedächtnisphänomene mit<br />

einer Theorie erklärt werden. Schacter und Graf (1986) schlagen vor, daß automatische,<br />

relativ kurzfristige Primingeffekte auf der Aktivierung schon bestehender Repräsentationen<br />

beruhen, wogegen längerfristigere, von Elaboration abhängigen Effekte, auf spezifischen,<br />

kürzlich entstandenen episodischen Repräsentationen basieren (Bower, 1998).<br />

Möglicherweise beruhen manche impliziten Gedächtnisphänomene, wie das Lernen von<br />

perzeptuell-motorischen Fähigkeiten, auf der Wirkungsweise eines anderen<br />

Gedächtnissystems als das System, auf dem Wiedergabe und Wiedererkennen beruhen,<br />

während andere implizite Phänomene, wie assoziative Effekte auf Wortstammergänzungen,<br />

sich Komponenten des gleichen Systems bedienen wie Wiedergabe und Wiedererkennen.<br />

Leider gibt es jedoch keine eindeutigen Kriterien um zwischen Ansätzen, die ein<br />

Gedächtnissystem und solchen, die mehrere Gedächtnissysteme postulieren, zu unterscheiden.

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