Dekan: Prof. Dr. Martin Hautzinger - Universität Tübingen
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Clemens Krause: Posthypnotische Amnesie für therapeutische Geschichten 32<br />
werden müssen, um eine Antwort auszuführen (z.B. Der Inhalt muß ereignisspezifisches<br />
Wissen enthalten). Das SAS kann eine Rolle bei der Hemmung von aufgabenirrelevantem<br />
Wissen, sowie bei der Aufrechterhaltung von aufgabenrelevantem Wissen spielen.<br />
Die Aktivitätsmuster bestehen nur vorübergehend, deshalb sind autobiographische Inhalte<br />
instabile temporäre mentale Repräsentationen. Instabil auch deshalb, da autobiographische<br />
Erinnerungen durch spezifische Cues bestimmt werden (Gedächtnisbeschreibungen), die<br />
während des Abrufs erstellt werden.<br />
Die konstruktive Natur des autobiographischen Gedächtnis zeigt sich in unterschiedlichen<br />
Erinnerungen desselben Ereignisses zu verschiedenen Zeiten (30% der Details, die beim<br />
zweiten Mal berichtet werden sind neu). In verschiedenen Abrufzyklen werden andere Details<br />
distinktiv (Anderson & Conway, 1993).<br />
Zusammenfassend bleibt festzuhalten, daß autobiographische Erinnerungen durch einen<br />
zentral vermittelten, dynamischen Abrufprozeß konstruiert werden, der Zugang zu einer<br />
komplexen, geschichteten und strukturierten Wissensbasis im LZG hat. Der Abruf ist somit<br />
aufwendig und ist ein Gedächtnisinhalt erst einmal konstruiert, muß er erhalten werden. Da<br />
die Konstruktion einer Erinnerung von bestimmten Cues abhängt, unterscheiden sich die<br />
Erinnerungen in Inhalt und Organisation während verschiedener Stadien des Abrufs.<br />
Autobiographische Erinnerungen werden stark vom Selbst beeinflußt und beeinflussen<br />
ihrerseits das Selbst.<br />
2.4. Neuropsychologie und Neurobiologie des Gedächtnisses<br />
Möchte man das Gedächtnis adäquat beschreiben kommt, man an der neuropsychologischen<br />
und der neurobiologischen Forschung nicht vorbei. Die Weiterentwicklung bildgebender<br />
Verfahren führte besonders auf diesem Gebiet zu neuen Entdeckungen, die wiederum die<br />
kognitive Gedächtnispsychologie dazu zwang ihre Modelle kritisch zu überprüfen, lenkte aber<br />
gleichzeitig die Bemühung, das Gedächtnis zu verstehen, in neue Richtungen.<br />
Neuropsychologische Ansätze untersuchen im Gegensatz zu neurophysiologischen und<br />
molekularbiologischen Ansätzen verhaltensrelevante Änderungen in größeren<br />
Struktureinheiten, in kortikalen Zellverbänden, Hirnarealen, Hirnhemisphären bzw.<br />
Änderungen im gesamten Organismus. Neben neuroanatomischen und funktionalen<br />
Meßgrößen werden immer auch Verhaltensvariablen erfaßt. Es wird versucht einen<br />
unmittelbaren Bezug zwischen biologischen und psychologischen Analyseebenen<br />
herzustellen. Neurophysiologische und insbesondere molekularbiologische Ansätze beziehen<br />
sich auf Änderungen in kleinen und kleinsten Struktureinheiten des Nervensystems.<br />
2.4.1 Neuroanatomische Grundlagen des Gedächtnisses<br />
Aus dem Fall des berühmt gewordenen Patienten H.M. lassen sich nach Rösler (1997)<br />
wichtige Lehren für die Gedächtnispsychologie ziehen. Bei H.M. wurden beidseitig große<br />
Teile des temporalen Kortex entfernt, um ihn von Epilepsie zu heilen. H. M. konnte sich<br />
daraufhin zwar nichts mehr einprägen – zumindest keine neuen Fakten und Ereignisse – die<br />
vor dem Eingriff gespeicherten Repräsentationen bleiben jedoch verfügbar (s. auch Milner,<br />
1958). Seine Intelligenz wurde durch den Eingriff kaum beeinträchtigt. Überraschenderweise<br />
konnte er lernen spiegelverkehrt zu zeichnen, auch wenn er sich nicht an seine täglichen<br />
Übungseinheiten erinnerte (Milner, 1966; s. Kap. 2.2, Kap. 4). Dieser Befund stellte eine der<br />
Grundlagen für die Unterscheidung von deklarativem (expliziten) und prozeduralem<br />
Gedächtnis dar (Cohen & Squire, 1980). Das Gedächtnis ist kein einheitliches System und es