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Dekan: Prof. Dr. Martin Hautzinger - Universität Tübingen

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Clemens Krause: Posthypnotische Amnesie für therapeutische Geschichten 29<br />

P3 (NEGATION, P2)<br />

P4 (INTENTION, P3, P1)<br />

Mit den aufgeführten Regeln kann ein ganzer Text in Propositionen aufgegliedert werden,<br />

diese geben die semantische Struktur des Textes wieder, seine Textbasis (Kintch, 1974). Ein<br />

weiteres Prinzip zur Strukturbildung ist die Hierarchie. Ein Text unterscheidet sich gegenüber<br />

einer zufälligen Anhäufung von Wörtern, indem er ein kohärentes (zusammenhängendes)<br />

Ganzes ist. Der Text bildet ein Netzwerk semantischer Einheiten, die alle so miteinander<br />

verknüpft sind, daß kein Element unverbunden bleibt (Grabowski, 1991).<br />

Kohärenz kann nach Kintsch (1974) durch zwei Mittel entstehen: durch<br />

Argumentüberlappung, bei der eine Proposition ein Argument mit einer anderen Proposition<br />

gemeinsam hat (s. Bsp. 7) und durch Einbettung, bei der eine ganze Proposition in einer<br />

anderen als Argument wiederholt wird (s. Bsp. 5). Der Kohärenzgraph eines Textes expliziert<br />

die Verbindungen zwischen den am Text beteiligten Propositionen und bringt dessen<br />

hierarchische Struktur zum Ausdruck.<br />

In mehreren Studien konnte gezeigt werden, daß Propositionen für die semantisch-kognitive<br />

Verarbeitung tatsächlich relevant sind. Indem Sätze gebildet werden, die identische<br />

linguistische Oberflächenmerkmale haben, sich jedoch aufgrund ihrer propositionalen<br />

Struktur unterscheiden, kann differenziert werden, ob bestimmte Kriterien eher mit<br />

propositionalen Parametern einhergehen als mit Merkmalen der sprachlichen Oberfläche. Ist<br />

das der Fall, so scheinen Propositionen über eine gewisse psychologische Relevanz zu<br />

verfügen. Engelkamp (1973) konnte zeigen, daß Sätze, die sich aus zwei Propositionen<br />

zusammensetzen, schlechter behalten werden als Sätze, die nur eine Proposition bilden,<br />

obwohl beide über die gleiche Oberflächenstruktur (gleiche Anzahl von Wörtern) verfügen.<br />

Auch die Lesezeit von Sätzen steigt mit der Anzahl ihrer Propositionen; wiederum bei<br />

gleicher Anzahl von Wörtern (Kintsch & Keenan, 1973). In Sätzen, die aus mehreren<br />

Propositionen bestehen, sind für die Wiedergabe der Inhalte einzelner Propositionen<br />

diejenigen Wörter, die zu derselben Proposition gehören, die effektiveren Cues für den Abruf<br />

als Wörter aus anderen Propositionen desselben Satzes (Anderson & Bower, 1973). Auch im<br />

Fall von semantischem Priming konnten Ratcliff & McKoon (1978) nachweisen, daß es sich<br />

bei Propositionen offenbar um Einheiten handelt, die assoziativ miteinander verbunden sind.<br />

Ihre Pbn entschieden schneller, daß ein dargebotenes Wort in einem zuvor gelernten Satz<br />

vorkam, wenn das vorher dargebotene Wort zur selben Proposition gehörte wie das Zielwort.<br />

Kintsch (1974) stellte weiterhin fest, daß Propositionen dann besser behalten werden, wenn<br />

sie mit anderen Propositionen vernetzt sind. Beyer (1987) konnte einen Hierarchieeffekt bei<br />

längeren Texten (mehr als 50 Propositionen) aufzeigen. Die Wiedergabe für hierarchisch hoch<br />

stehende Propositionen ist dabei wesentlich besser als für hierarchisch niedriger stehende.<br />

Auch werden erstere länger behalten.<br />

Die Konzeption eines propositional-amodalen Gedächtnis als Basis für Sprachverständnis und<br />

-produktion sowie als Basis für Denk- und Entscheidungsprozesse, wurde jedoch auch<br />

kritisiert. Dörner (1997) findet, daß: „...die Annahme eines solchen Gedächtnis schlecht<br />

begründet ist“ und weiter: „...die Annahme eines amodalen Gedächtnis, als Gedächtnis für<br />

begriffliche Relationen [ist] unnötig, da sich solche begrifflichen Relationen auch schon in<br />

einem modalen Gedächtnis auffinden lassen“ (S. 172). Im Gegensatz zu Dörner, der das<br />

gesamte Konzept als unnötig betrachtet, übt Grabowski (1991) eher inhaltliche Kritik. Dabei<br />

findet er, daß der propositonale Ansatz gravierende Schwachstellen und Inkonsistenzen<br />

enthält. Auch in der Anwendung bei der Überprüfung von Behaltensleistungen von längeren<br />

Texten sieht er Schwächen. Wenn Pbn gelesene Texte reproduzieren, so haben die<br />

Reproduktionen auf der sprachlichen Oberfläche oft wenig mit dem Orginaltext gemein.

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