Dekan: Prof. Dr. Martin Hautzinger - Universität Tübingen
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Clemens Krause: Posthypnotische Amnesie für therapeutische Geschichten 85<br />
4.4 Passagere Globale Amnesie<br />
Obwohl die Ätiologie und Pathogenese der Passageren Globalen Amnesie (PGA) bisher noch<br />
kontrovers diskutiert werden, wurden schon über 1000 Fälle beschrieben. Die völlige<br />
anterograde Amnesie ist das eindrucksvollste Symptom der PGA. Da sie keine Erinnerungen<br />
haben, können sie räumlich und zeitlich desorientiert erscheinen. Normalerweise sind sie<br />
dennoch fähig kontextuelle Cues und allgemeines Wissen über die Welt nutzen um Inferenzen<br />
über ihre Situation zu ziehen. Viele Patienten bemerken, daß etwas nicht mit ihnen stimmt<br />
und sind besorgt darüber. Sie stellen nicht nur immer wieder die selben Fragen, sie benutzen<br />
dabei oft die gleiche Wortwahl und kommentieren Antworten in der gleichen Art und Weise.<br />
Repititives Verhalten ist somit ein weiteres Merkmal der PGA. Agitation oder Apathie stellen<br />
weitere Verhaltensauffälligkeiten dar, ebenso wurde über Störungen des Schlaf-Wach-<br />
Rythmusses berichtet. Manche Patienten berichten über Kopfschmerz während oder nach der<br />
amnestischen Attacke und weitere Begleiterscheinungen, wie Erbrechen, Diarrhoe und<br />
vorübergehender Blutdruckanstieg können auftreten. Bei einem <strong>Dr</strong>ittel der Patienten scheint<br />
die PGA durch vorausgehende Ereignisse ausgelöst zu sein. Am häufigsten gelten körperliche<br />
Anstrengung, aber auch Geschlechtsverkehr, eine lange Autofahrt, sowie extreme<br />
Temperaturen als auslösende Faktoren. Die Auswirkungen von emotionalem Streß ist<br />
umstritten, da dieser retrospektiv oft überschätzt wird, wenn darauf eine Amnesieattacke folgt<br />
(Goldenberg, 1995).<br />
Bei der Differentialdiagnose muß man besonders die Abgrenzung zum Schädel-Hirm-<br />
Trauma, zur Epilepsie und zum Schlaganfall beachten. Im ersten Fall ist repetitives Fragen<br />
weniger auffällig, jedoch sollte immer ein Schädel-Hirn-Trauma ausgeschlossen werden.<br />
PGA kann einer Grand Mal Attacke folgen oder eine Manifestation eines epileptischen<br />
Anfalls mit dem Fokus im Temporallappen sein. Das Erscheinungsbild der Amnesie kann<br />
dem der PGA völlig gleichen. Dauert die Amnesie lediglich ein paar Stunden an und gibt es<br />
innerhalb von wenigen Wochen wiederkehrende Attacken, handelt es sich mit an Sicherheit<br />
grenzender Wahrscheinlichkeit um eine Amnesie die auf einen epileptischen Anfall<br />
zurückgeht. Ein Schlaganfall, der gedächtnisrelevante Gehirnstrukturen betrifft, kann ein<br />
andauerndes amnestisches Syndrom hervorrufen. Auch wenn durch den Schlaganfall<br />
normalerweise andere kognitive Funktionen und visuelle Felder mit betroffen sind, kann die<br />
Amnesie dann das hervorstechende Merkmal sein, wenn der Infarkt auf inferiore Anteile des<br />
Thalamus beschränkt ist (Goldenberg, 1995).<br />
Die Diagnose PGA sollte dann gefällt werden, wenn:<br />
• Von einem Beobachter Informationen über den Beginn einer Attacke vorliegen, der das<br />
Einsetzen der Episode beobachtete.<br />
• der Patient während der Attacke neurologisch untersucht wurde um sicher zu sein, daß<br />
keine anderen neurologischen Symptome die Amnesie begleiten.<br />
• keine wichtigen anderen neurologischen Auffälligkeiten vorhanden sind, obwohl<br />
zusätzliche neuropsychologischen Anomalien eher die Regel als die Ausnahme darstellen.<br />
Werden diese gefunden empfiehlt es sich diese in der Diagnose festzuhalten.<br />
• der Gedächtnisverlust passager, also vorübergehend ist. Bei der Mehrzahl der Patienten<br />
dauert die amnestische Phase mehrere Stunden an, es gibt jedoch keine fest definierte<br />
Obergrenze.<br />
Die Unfähigkeit des Patienten, während einer amnestischen Attacke neue Gedächtnisinhalte<br />
zu bilden, wurde neuropsychologisch gut nachgewiesen. Während die unmittelbare<br />
Gedächtnisspanne erhalten oder lediglich leicht beeinträchtigt ist, ist die Fähigkeit Inhalte des<br />
LZG zu bilden völlig gestört und umfaßt Information aus allen Modalitäten (Hodges & Ward,<br />
1989). Zu dieser anterograden Amnesie kommt eine retrograde Amnesie für Ereignisse aus<br />
der Zeit vor der Attacke. Das Ausmaß hierfür ist allerdings sehr variabel und schwieriger als