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Dekan: Prof. Dr. Martin Hautzinger - Universität Tübingen

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Clemens Krause: Posthypnotische Amnesie für therapeutische Geschichten 92<br />

Umstände unter denen sie diese Information gelernt haben vergessen. Für Kihlstrom und<br />

Schacter (1995) sind sowohl Interferenz als auch Quellenamnesie Ausdruck des impliziten<br />

Gedächtnisses und sie meinen, daß die Dissoziation zwischen den alter egos das explizite,<br />

nicht aber das implizite Gedächtnis betreffen.<br />

Im Fall von Alice konnten Nissen et al. (1988) einen Transfer bei impliziten<br />

Gedächtnisaufgaben zwischen verschiedenen Alter Egos nachweisen. Jedoch fand dieser<br />

Transfer nicht bei allen impliziten Gedächtnisaufgaben statt. So wurde bei einer Aufgabe zur<br />

Wortfragmentergänzung (es gibt nur eine mögliche Lösung) ein Transfer beobachtet, nicht<br />

aber bei einer Aufgabe zur Wortstammergänzung (es gibt mehrere Lösungen).<br />

Eich et al. (1997) konnten diese Ergebnisse replizieren. Das Testen des impliziten<br />

Gedächtnisses ist eine notwendige aber nicht hinreichende Bedingung um einen Transfer von<br />

gelernten Inhalten zwischen den Persönlichkeiten aufzuzeigen. Dieser Transfer konnte<br />

eindrücklich anhand einer Bildfragmentergänzung aufgezeigt werden, nicht aber bei einem<br />

Test zur Wortstammergänzung. Es scheint so als ob der Transfer zwischen den Alter Egos<br />

davon abhängt wie stark Kodierungs- und Abrufprozesse von spezifischen Merkmalen der<br />

jeweiligen Persönlichkeit beeinflußt werden.<br />

Funktionelle Amnesien werden fast immer mit Dissoziativen Amnesien gleichgesetzt und<br />

diese wiederum mit dem hypothetischen Prozeß der Dissoziation. Die erste theoretische<br />

Ausarbeitung des Konzepts erfolgte durch Janet (1894, 1907), andere entwickelten das<br />

Konzept weiter (z.B. Hilgard, 1977, 1991). Janet nahm an, daß es eine große Anzahl<br />

spezialisierter Einheiten im Gehirn gibt, die Wahrnehmung und Handlung kombinieren<br />

(psychologische Automatismen). Das gesamte Repertoir psychologischer Automatismen,<br />

wird in einen einzelnen Bewußtseinsstrom überführt. Durch Streß kann jedoch einer dieser<br />

Automatismen oder ein ganzes Set von Automatismen vom Bewußtseinsstrom abgespalten<br />

werden und so isoliert von Bewußtsein und willentlicher Kontrolle weiterhin aktiv sein. Die<br />

psychologischen Automatismen beeinflussen weiterhin Erfahrung, Denken und Handeln einer<br />

Person, jedoch unbewußt. Auf diese Weise erklärte Janet die Entstehung hysterischer<br />

Phänomene (s. Kihlstrom, Glisky & Angiulo, 1994; Kap. 3.10).<br />

Bei Amnesien in Verbindung mit Dissoziativen Störungen sind gewisse Gedächtnisinhalte<br />

von einem bewußten Zugang ausgeschlossen. Trotzdem sind diese Amnesien reversibel und<br />

sind also ausreichend kodiert und gespeichert. Die Inhalte können, wie dargestellt, zumindest<br />

teilweise implizit ausgedrückt werden, ohne daß sich die Person dessen bewußt ist. Somit<br />

stellen sich die klassischen funktionellen Störungen, deren Mechanismus als dissoziativ<br />

beschrieben wurde, als eine Störung des Gedächtnisabrufs dar. Funktionelle<br />

Gedächtnisstörungen müssen jedoch nicht unbedingt dissoziativ sein und sie müssen nicht<br />

unbedingt Ausdruck eines Defizits beim Abruf sein (Kihlstrom & Schacter, 1995). Laut<br />

Singer (1990) unterliegt manchen funktionellen Amnesien eher der Mechanismus der<br />

Verdrängung. Beide Mechanismen stellen eine Beeinträchtigung dar bewußt auf<br />

Gedächtnisinhalte zuzugreifen, sind prinzipiell reversibel und Störungen des Abrufs. Im Fall<br />

der Verdrängung handelt es sich jedoch immer um affektgeladene Inhalte, die vom<br />

Bewußtsein verbannt wurden um Angst abzuwehren. Dissoziation kann alle<br />

Gedächtnisinhalte betreffen, positive, neutrale und negative und dient nicht der Abwehr.<br />

Verdrängung ist eines der Fundamente von Freuds psychoanalytischer Theorie und wurde zur<br />

Erklärung von Gedächtnisstörungen in Zusammenhang mit PTSD gebracht (s. Kap. 4.6).<br />

Jedenfalls haben Patienten mit DIS (44) wie auch mit PTSD (30) wesentlich höhere Werte auf<br />

der Dissociative Experience Scale (DES) als gesunde Personen (10) (Putnam, 1997).<br />

Putnam (1997) sieht Dissoziation neben dem Auftreten im Alltag auch als einen<br />

Abwehrmechanismus und findet drei Kategorien, die sich überschneiden können:<br />

• Automatisierung von Verhalten: In diese Kategorie fallen alle Episoden automatisierten<br />

Verhaltens, die nicht von bewußtem Denken gesteuert werden. Dieses Verhalten kann

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