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Dekan: Prof. Dr. Martin Hautzinger - Universität Tübingen

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Clemens Krause: Posthypnotische Amnesie für therapeutische Geschichten 125<br />

der jeweiligen theoretischen Ausrichtung und angewendeten Technik, einen erheblichen Teil<br />

zu Therapieerfolgen beitragen. Diese Faktoren sind: die Entwicklung eines plausiblen<br />

Modells zur Erklärung der Problematik, echtes Interesse für den Patienten, Förderung von<br />

Hoffnung beim Patienten und die Anwendung irgendwelcher Techniken (Grawe, 1995).<br />

Hypnose kann alle diese Faktoren in sehr effizienter Weise unterstützen und so deren<br />

Wirksamkeit erhöhen. Mit der Einführung des therapeutischen Tertiums (Unbewußtes) kann<br />

Hypnose plausibel die Entstehung von Problemen (z.B. Ressourcen, die das Unbewußte<br />

bereithält werden nicht genutzt) und dessen Lösung (z.B. Entwicklung und Nutzen der<br />

Ressourcen) erklären. Durch das Ritual der Hypnoseinduktion, entsteht eine enge<br />

therapeutische Beziehung, in der sich der Therapeut auf minimale Reaktionen des<br />

Hypnotisanden konzentriert und diese aufgreift. So erfährt der Patient echtes Interesse und<br />

Einfühlungsvermögen des Therapeuten. Die Hoffnung, daß in Hypnose besondere<br />

Fähigkeiten wirksam werden ist häufig der Grund, warum sich Patienten einer Therapie mit<br />

Hypnose unterziehen wollen und diese Hoffnung wird durch das Erfahren von klassischen<br />

hypnotischen Phänomenen (z.B. Handlevitation, PHA) wirkungsvoll und subjektiv evident<br />

bestätigt. In Anlehnung daran meint Kirsch (2000), daß Plazebos, die zu erstaunlichen<br />

Remissionen bei vielen Krankheiten führen und oft nur unwesentlich weniger wirksam als<br />

aktive Pharmaka sind, und Hypnose gemeinsame Prozesse teilen. In beiden Fällen führt<br />

Suggestion (die im Fall einer Pharmakotherapie sehr direkt erfolgt) zu einer Erhöhung der<br />

Reaktionserwartung, die eng mit einem Therapieerfolg zusammenhängt. So meint auch<br />

Revenstorf (2000b): „Hypnose kann man als effektives Ritual verstehen, um zunächst<br />

unspezifische Wirkfaktoren in der Therapie und Selbstheilungskräfte in einem Ausmaß zu<br />

mobilisieren, wie die Schulmedizin oder Schulpsychologie es nicht kann.“ (S. 3)<br />

Revenstorf (2000c) ist der Ansicht, daß Hypnose auf verschiedenen Ebenen ansetzen kann,<br />

auf einer körperlichen Ebene (Analgesie, Aktivierung des Immunsystems), auf der kognitiven<br />

Ebene (Modulation von Affekt, Kognitionen, Imaginationen) in der Vorbereitung von<br />

Handlungsentwürfen und Interaktionen und auf einer sinngebenden Ebene, welche die<br />

Spiritualität des Individuums berücksichtigt. Auch Verhaltenstherapie setzt zumindest auf den<br />

drei erstgenannten Ebenen an. Es stellt sich somit die Frage, ob es nicht sinnvoller für die<br />

Hypnose ist, in einer allgemeinen Psychotherapie einen Platz zu finden und dann angewendet<br />

zu werden, wenn ihre Stärken auch genutzt werden können. Im Gegensatz zu anderen<br />

Verfahren besteht nämlich für die Hypnose die Möglichkeit einer differentiellen Indikation<br />

zumindest bei einigen Störungsbildern. Die Patienten sollten über eine gewisse<br />

Hypnotisierbarkeit verfügen, damit eine Therapie mit Hypnose Erfolg verspricht. Die<br />

Hypnotisierbarkeit kann mit standardisierten und normierten Skalen erfaßt werden und es gibt<br />

Methoden die Hypnotisierbarkeit zu erhöhen (Edmonston, 1986; Krause, 2000, s. Kap.5.2).<br />

Auf dem Gebiet der differentiellen Indikation ist Hypnose somit schon weiter als andere, von<br />

den Krankenkassen anerkannte, Therapieverfahren. So gibt es bisher keine Skalen zur<br />

„Verhaltenstherapierbarkeit“ oder „Psychoanalysierbarkeit“.<br />

Die klinische Hypnose hat sich über die Jahrhunderte beträchtlich entwickelt und Theorien<br />

darüber, was Hypnose ist, wurden immer schon vom jeweiligen Zeitgeist bestimmt (zur<br />

Geschichte der Hypnose s. z.B. Meinhold, 1996; Peter, 2000c, 2000d). Bongartz und<br />

Bongartz (1998) kommen zu dem Schluß, daß die Entwicklung in den letzten 30 Jahren, weg<br />

von der klassischen Hypnose als symptomorientierte Suggestivtherapie in Trance, hin zu einer<br />

emotionalen Therapie in Trance, gekennzeichnet ist. Emotionale Therapie in Trance ist ein<br />

weitgefaßter Begriff, unter dem sich inzwischen eine Vielzahl von Techniken und Ansätzen<br />

subsummieren, die keine formale Hypnoseinduktion verwenden, mit dem Hinweis spontane<br />

Trancezustände einer Person zu erzeugen und zu nutzen. Diese Auffassung deckt sich zwar<br />

teilweise mit empirischen Ergebnissen, die belegen, daß alle hypnotischen Phänomene auch<br />

ohne explizite Trance auftreten können (Hull, 1933; Barber, 1969), ist meiner Auffassung<br />

nach aber ein zu weit gefaßter Trancebegriff. Damit macht es sich die klinische Hypnose nur

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