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Dekan: Prof. Dr. Martin Hautzinger - Universität Tübingen

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Clemens Krause: Posthypnotische Amnesie für therapeutische Geschichten 41<br />

Nach Hebbs (1949) Sichtweise sind Zusammenschlüsse „reverberierender 6 “ Neurone die<br />

neuronale Grundlage des Gedächtnisses. Eine Spur im KZG, die aufgrund einer neuen<br />

Erfahrung zustande kam zerfällt, wenn sie nicht wiederholt wird um ins LZG zu kommen; es<br />

sei denn sie hat eine duale Funktion und ist sowohl Bestandteil des KZG als auch des LZG.<br />

Ein wichtiger Aspekt dieser dualen Spur ist, daß sie verteilt ist. Anhaltspunkte dafür, daß eine<br />

Spur verteilt sein kann, kommen von Untersuchungen mit einem Affen, der ein Muster<br />

blinkender Lichter sah. Das visuelle Muster war über den gesamten visuellen Kortex verteilt,<br />

wie eine Analyse der 2-Deoxyglukose Aufnahme ergab (Tootel et al., 1982). Die Bildung von<br />

Gedächtnisinhalten erstreckt sich also über ausgedehnte Hirnareale. Wie jedoch überdauert<br />

eine Gedächtnisspur?<br />

Hebb definierte schon (1949) die Langzeit-Potenzierung (LTP) recht präzise mit seinem<br />

Postulat: „Wenn ein Axon der Zelle A nah genug ist, um Zelle B zu erregen und wiederholt<br />

oder andauernd an dessen Erregung teilnimmt, tritt ein Wachstum oder eine Änderung im<br />

Metabolismus in einer oder beiden Zellen auf, so daß die Effiziens von A, als eine der Zellen<br />

B zu erregen, zunimmt“ (S. 62). 7 Tatsächlich werden monosynaptische Bahnen, üblicherweise<br />

im Hippocampus, mit hoher Frequenz, stimuliert um eine lang anhaltende Erhöhung der<br />

synaptischen Responsivität zu erzielen (<strong>Martin</strong>ez & Barea-Rodriguez, 1997).<br />

Eine Form des Lernens, die bei Menschen sehr geläufig ist, stellt das assoziative Lernen dar.<br />

Dazu Hebb (1949): „...beliebige zwei Zellen oder Zellsysteme, die wiederholt zur gleichen<br />

Zeit aktiv sind, tendieren dazu, assoziiert zu werden, so daß die Aktivität der einen die<br />

Aktivität der anderen fördert 8 “ (S. 70). LTP kann im Labor erzeugt werden, indem eine<br />

Erregung auch auf der kontralateralen Seite zur Ausbildung einer LTP führt.<br />

LTP äußert sich dadurch, daß die Schwelle sinkt, um ein Aktionspotential auszulösen sowie<br />

in zunehmenden Amplituden von exzitatorischen postsynaptischen Potentialen (EPSPs). Bliss<br />

and Lomo (1973), die diesen Effekt als erste beobachteten, definierten LTP als eine<br />

Potenzierung, die mindestens 30 Minuten anhält, obwohl sie auch LTP beobachten konnten,<br />

die über mehrere Stunden anhielten. Spätere Studien zeigten, daß diese Veränderung der<br />

synaptischen Erregbarkeit über Wochen und Monate anhalten kann (Barnes, 1979). LTP kann<br />

in vielen Arealen des Neokortex beobachtet werden. Aufgrund dessen, daß LTP<br />

aktivitätsabhängig ist und über einen langen Zeitraum anhalten kann, wird vermutet, daß LTP<br />

ein Mechanismus ist, mit dem neuronale Netzwerke Information speichern (<strong>Martin</strong>ez, Barea-<br />

Rodriguez & Derrick, 1998). Kürzlich wurde auch die Langzeit-Unterdrückung (Long-Term<br />

Depression, LTD) sowohl als Mechanismus des Gedächtnisses als auch als ein Prozeß, der<br />

synaptische Gewichte in Netzwerken normalisiert, beschrieben. Kurzfristige afferente<br />

Aktivierung führt in diesem Fall zu langfristiger Unterdrückung postsynaptischer<br />

Aktivierung. Die Anwendung von Hebbs Postulat in einem verteilten Gedächtnissystem<br />

ermöglicht mit den Mechanismen der LTP und der LTD die effiziente Speicherung einer<br />

größeren Anzahl von Repräsentationen innerhalb des gleichen Netzwerks. Dennoch konnte<br />

bisher noch niemals eine Gedächtnisspur isoliert werden und weder LTP noch LTD können<br />

ohne weiteres in einem Gedächtnisnetzwerk beobachtet werden. LTP entsteht durch eine<br />

Phophorylisierung von Protein, welche die Leitfähigkeit von Ionen erhöht, während LTD<br />

durch die Dephosphorylisierung von Protein entsteht, was die Leitfähigkeit von Ionen<br />

verringert (z.B. Neveu & Zucker, 1996). Belege dafür, daß Lernen LTP ähnliche<br />

Veränderungen hervorruft sowie, daß die Induktion von LTP Lernen beeinflußt, finden sich<br />

bei <strong>Martin</strong>ez et al. (1998), aber es gibt auch gegenteilige Ansichten (z.B. Gallistel, 1995).<br />

6 Eng. reverberating<br />

7 Übersetzung aus dem Englischen durch den Autor<br />

8 Übersetzung aus dem Englischen durch den Autor

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