Dekan: Prof. Dr. Martin Hautzinger - Universität Tübingen
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Clemens Krause: Posthypnotische Amnesie für therapeutische Geschichten 70<br />
motorischen Komponenten auch komplexe episodische Gedächtnisinhalte, Emotionen,<br />
Persönlichkeitseigenschaften und Identität. Eigenschaften unterschiedlicher Identitäten<br />
können in verschiedenen Netzwerken gespeichert sein, wobei die Aktivierung des einen zur<br />
Hemmung des anderen führt. Oft kommt es zu „Kämpfen“ zwischen den einzelnen<br />
Identitäten, die um den Zugang ins Bewußtsein wettstreiten, bzw. andere Identitäten von<br />
einem bewußten Zugang abhalten. Dieser Prozeß kann bereits auf einer hierarchisch<br />
niedrigeren Ebene beobachtet werden, im Fall von abrufinduzierter Hemmung. Der Abruf von<br />
einigen Items einer gelernten Wortliste führt nach Bjork und Bjork (1994) zur selektiven<br />
Unterdrückung anderer Items, die mit dem gleichen Cue assoziiert sind (s. Kap. 3.4). Auf<br />
Dissozoiation als wesentlichen Prozeß, der Dissoziativen Störungen unterliegt wird noch<br />
einmal ausführlich in Kapitel 4.5 eingegangen.<br />
Hilgard (1977, 1991) ist der Meinung, daß bewußte und unbewußte Zustände eher horizontal<br />
als vertikal angeordnet sind und folgt somit eher den Gedanken Janets als Freuds Ideen. Er<br />
postuliert eine Anzahl verfügbarer aber ungenutzter Aspekte, die potentiell Zugang zum<br />
Bewußtsein haben. In Hypnose werden diese, wahrscheinlich ohne, daß sich die Person<br />
dessen gewahr wird, aktiviert. Als Beweis dafür führt Hilgard den versteckten Beobachter 15<br />
an. Er entdeckte dieses Phänomen, als er Hypnose zum Zweck der Analgesie einsetzte. Er<br />
stellte fest, daß etwa ein <strong>Dr</strong>ittel seiner hochhypnotisierbaren Pbn trotz subjektiv erfahrener<br />
Analgesie eine Instanz aufwies, die den Schmerz registrieren und mitteilen konnte.<br />
Durch Absorption, d.h. Fokussierung der Aufmerksamkeit auf ein bestimmtes Subsystem<br />
kann ein sogenanntes Metabewußtsein ausgeschaltet werden. Vielleicht ist der versteckte<br />
Beobachter eine Instanz, die dem Metabewußtseins einen Zugang zu dem dissoziierten<br />
System erlaubt. So wäre das Erleben des versteckten Beobachters ein Hinweis darauf, daß die<br />
Schranken der Dissoziation, die in diesem Fall die Schmerzempfindung der Hand vom<br />
bewußten Erleben abspaltet, durchlässig sind.<br />
Diese Absorption auf einen Teil oder einen Aspekt der Erfahrung tritt auch im Alltag auf. Wir<br />
sind uns normalerweise bewußt, welche Körperposition wir innehaben, ob wir hungrig sind,<br />
wer gerade mit uns im Raum ist. Gleichzeitig können wir einem Gedanken nachgehen und<br />
uns durch eine Erkältung etwas angeschlagen fühlen. Anscheinend können wir mindestens<br />
zwei oder drei, wahrscheinlich aber sogar bis zu neun verschiedene Konzepte, Emotionen,<br />
Wahrnehmungen gleichzeitig erleben (Spiegel, 1990). Stürzt, dann jedoch der PC ab, sind wir<br />
so von dem Geschehen absorbiert, daß wir die anderen Wahrnehmungen ausschalten, etwa die<br />
Kollegin, die den Raum verläßt, den Hunger, das Gefühl krank zu sein usw. Auch Hypnose<br />
enthält diese Fokussierung auf ein Erleben oder einen Gedanken. Es ist, als ob sich das<br />
Fenster des Bewußtseins für den Hypnotisanden verkleinert. Diese Ausschaltung der<br />
Wahrnehmung hat hirnphysiologische Korrelate. So konnte gefunden werden, daß<br />
Suggestionen, negative visuelle Halluziantionen zu erleben, zu einer Reduktion der<br />
Amplitude später Komponenten bei evozierten Potentialen führte (Spiegel et al., 1985). Das<br />
zeigt, daß die dissoziierte Wahrnehmung nicht gänzlich aus dem Bewußtsein ausgeblendet,<br />
aber daß die kortikale Verarbeitung der Wahrnehmung reduziert wird.<br />
Dissoziation wird auch in der Therapie mit Hypnose häufig angewendet. Das Bewältigen von<br />
Schmerz, indem suggeriert wird, der Schmerz bleibt auf dem Stuhl sitzen, während sich der<br />
Körper des Hypnotisanden an einen anderen Ort begeben kann, ist eine dissoziative Technik.<br />
Bei der Teilearbeit kommt es zur Dissoziation, indem das Symptom befragt wird, was es für<br />
die Person erreichen möchte, welche Ziele es hat und was geschehen muß, damit es sich<br />
auflöst. Hier wird ein Subsystem eingeführt, um Information zu erheben, die dann dem<br />
Bewußtsein zugänglich wird, es findet also eine Assoziation der Information statt. Ebenso bei<br />
der Ressourcenarbeit, indem Stärken, die das Individuum in anderen Situationen hat, mit<br />
Situationen verbunden werden, in denen es sich schwach und unzulänglich fühlt.<br />
15 eng. hidden observer