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Dekan: Prof. Dr. Martin Hautzinger - Universität Tübingen

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Clemens Krause: Posthypnotische Amnesie für therapeutische Geschichten 49<br />

Sowohl die anfängliche Abnahme der Erinnerungsleistung als auch die plötzliche<br />

Verbesserung der Wiedergabe (Erholung von proaktiver Interferenz) wurde der Ähnlichkeit<br />

der zu erinnernden Items zugeschrieben. Das wiederum kann als ein weiterer Beleg für die<br />

wichtige Rolle der Distinktivität von Cues bzw. für das Überladen eines Cues gesehen werden<br />

(s.o.). So führt ein Wechsel der semantischen Bedeutung des Lernmaterials (z.B. von einer<br />

Kategorie in die andere) zur Erholung von proaktiver Interferenz. Dadurch sind nun weniger<br />

Items mit dem gleichen Cue assoziiert als ohne einen solchen Wechsel; der Cue wird also<br />

distinktiver und der Abruf somit effektiver. Dabei müssen sich die Pbn eines solchen<br />

Wechsels während des Kodierens nicht unbedingt bewußt sein, sehr wohl aber zum Zeitpunkt<br />

des Abrufs (z. B. Gardiner et al., 1972; O’Neile, Sutcliffe & Tulving, 1976).<br />

Auch mit komplexem Stimulusmaterial konnte proaktive Interferenz aufgezeigt werden (z.B.<br />

Fernsehnachrichten) und das sowohl bei unmittelbarer als auch bei verzögerter Wiedergabe<br />

(Gunter, Clifford & Berry, 1980). Proaktive Interferenz kann auch dadurch reduziert werden,<br />

indem Pbn instruiert werden, zuvor gelerntes Material „zu vergessen“ (s. Goernert, 1992;<br />

Kap. 3.6).<br />

Das Ausmaß von proaktiver und retroaktiver Interferenz variiert mit zunehmendem Intervall<br />

zwischen dem Lernen des neuen Gedächtnisinhalts und dem Gedächtnistest. Während<br />

retroaktive Interferenz bei kurzen Intervallen prononcierter ist, kommt proaktive Interferenz<br />

bei längeren Behaltensintervallen stärker zur Geltung (Anderson & Neely, 1996).<br />

Warum behindert die Tatsache, daß mehrere Erinnerungen mit einem Cue assoziiert sind<br />

unsere Fähigkeit Items zu erinnern, die vorher dem Gedächtnis zugänglich waren? Nach<br />

Anderson und Neely (1996) kommt es zu Vergessen aufgrund von Interferenz, wenn:<br />

• die Abrufbahnen (Assoziationen), die Cues mit den Zielerinnerungen verbinden nicht<br />

effektiv sind.<br />

• die Abruf-Cues, die benutzt werden, um Zugang zu den Zielerinnerungen zu erhalten<br />

nicht effektiv sind (s. Kap. 3.1). Kann auf einen Inhalt nicht zugegriffen werden, so liegt<br />

das daran, daß der falsche Abruf-Cue verwendet wird.<br />

• der Aktivierungsgrad der Zielerinnerungen beeinträchtigt ist. Es kommt zur Response-Set<br />

Unterdrückung. Ein ganzes Set von Antworten (Wortliste A) wird so temporär zugunsten<br />

eines anderen Response-Sets (Wortliste B) unterdrückt.<br />

Im folgenden soll nun auf Prozesse (abrufinduziertes und gelenktes Vergessen) eingegangen<br />

werden, die häufig auch im Zusammenhang mit Interfernzphänomenen genannt werden.<br />

3.4 Abrufinduziertes Vergessen: Wie Erinnern zu Vergessen führt<br />

Auch unter der Bedingung der freien Wiedergabe ist der Abruf keineswegs zufällig, vielmehr<br />

werden Items oft in bedeutungsvollen Sequenzen abgerufen und weisen assoziative und<br />

kategoriale Cluster, temporale Gruppierungen oder subjektivere Organisationsformen auf.<br />

Das ist auf die Bemühung zurückzuführen aktiv Information zu verarbeiten und abzurufen<br />

(Koutstaal & Schacter, 1997). Deshalb ist es denkbar, daß in manchen Situationen extern<br />

vorgegebene Abruf-Cues diejenigen Formen von Organisation und assoziativem Denken<br />

beeinträchtigen, die sonst zu einem erfolgreichen Abruf geführt hätten. Somit erinnert eine<br />

Person unter Umständen weniger, wenn sie einen Cue vorgegeben bekommt als wenn sie<br />

keinen erhält.<br />

Ein Paradigma das entwickelt wurde um die Erinnerungen von Augenzeugen zu erforschen<br />

erbrachte den Beleg dafür, wie irreführende Fragen die Gedächtnisleistung von Augenzeugen<br />

beeinträchtigen. Werden die Pbn jedoch dazu ermutigt die Ereignisse in der richtigen<br />

temporalen Abfolge zu erinnern, hat das eine förderliche Auswirkung auf deren Erinnerung<br />

(z.B. Bekerian & Bowers, 1983).

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