23.11.2012 Aufrufe

Dekan: Prof. Dr. Martin Hautzinger - Universität Tübingen

Dekan: Prof. Dr. Martin Hautzinger - Universität Tübingen

Dekan: Prof. Dr. Martin Hautzinger - Universität Tübingen

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

Clemens Krause: Posthypnotische Amnesie für therapeutische Geschichten 73<br />

4 Gedächtnisstörungen<br />

Amnestische Patienten sind Personen, die schwere Gedächtnisdefizite bei normal erhaltener<br />

Intelligenz aufweisen. Jedoch ist es selbst in Fachkreisen umstritten, was mit dem Begriff<br />

Amnesie gemeint ist. Es besteht weder ein allgemeiner Konsens darüber, was quantitative<br />

noch was qualitative Aspekte des amnestischen Syndroms angeht. Diagnostische<br />

Eindeutigkeit ist in sofern wichtig, da globale Amnesie typischerweise mit einem<br />

andauernden und schweren Gedächtnisdefizit in Verbindung gebracht wird, während das bei<br />

anderen Gedächtnisproblemen, wie solchen, die aufgrund von Einschränkungen der<br />

Aufmerksamkeit eintreten, nicht der Fall ist. Zudem können nur auf der Grundlage einer<br />

genauen Klassifikation von amnestischen Störungen angemessene Behandlungstrategien<br />

angeregt werden. Eine allgemein anerkannte Definition von Amnesie ist nicht zuletzt für die<br />

Forschung von Bedeutung, die sich mit einem breiten Spektrum von Fragestellungen befaßt.<br />

Dieses enthält sowohl kognitive, als auch neurobiologische Aspekte der Amnesie (s. Kap.<br />

2.4). Das Ausmaß, in dem die Ergebnisse aus verschiedenen Forschungsgruppen miteinander<br />

verglichen werden können, hängt zum großen Teil davon ab, wie homogen die<br />

Klassifikationskriterien gehalten sind. Vage und krankheitsdefinierte Kriterien erschweren die<br />

Interpretation solcher Vergleiche.<br />

Klinisch werden zumeist Gedächtnisstörungen angetroffen, die auf eine Verletzung von<br />

Hirngewebe zurückgehen. In anderen Fällen tritt eine klinisch relevante Amnesie in<br />

Abwesenheit offensichtlicher Defekte der Gehirnstruktur oder Funktion auf. Beispiele hierfür<br />

sind amnestische Episoden oder Fugue aufgrund emotionaler Traumata oder Amnesie, die mit<br />

der dissoziativen Persönlichkeitsstörung einhergeht,. Funktionelle Amnesie kann als ein<br />

Gedächtnisverlust definiert werden, der auf ein auslösendes Ereignis oder einen Prozeß<br />

zurückzuführen ist, das/der keinen Insult, keine Verletzung oder Krankheit, die Gehirngewebe<br />

verletzt, zu Folge hat, jedoch zu einem größeren Ausmaß von Vergessen führt als ohne das<br />

auslösende Ereignis/den auslösenden Prozeß (Schacter & Kihlstrom, 1989). Angesichts der<br />

Abwesenheit einer eindeutigen Definition von Amnesie ist es schwierig<br />

Gedächtnisbeeinträchtigungen, die mit anderen klinischen Störungen einhergehen (z.B.<br />

Angst, Depression, Schizophrenie) als amnestisch zu klassifizieren, weshalb auf<br />

Gedächtnisdefizite, die diese Störungen betreffen an dieser Stelle nicht ausführlicher<br />

eingegangen wird. Das soll nicht heißen, daß sie keine Beachtung verdient hätten und klinisch<br />

nicht relevant wären.<br />

Funktionelle Amnesien können desweiteren in pathologische und nicht-pathologische Typen<br />

unterteilt werden. Bei pathologisch funktionellen Amnesien stellt die Amnesie entweder ein<br />

diagnostisches Symptom der Krankheit dar oder sie tritt in Begleitung einer psychischen<br />

Störung auf (Psychogene Amnesie, psychogene Fugue, Depersonalisation und Derealisation<br />

sowie dissoziative Identitätsstörung). Nicht-pathologische funktionelle Amnesien können<br />

durch psychologische Prozeduren bei gesunden Personen induziert werden (z.B.<br />

posthypnotische Amnesie).<br />

Pathologische Amnesie tritt im Zusammenhang mit zahlreichen neurologischen oder<br />

psychiatrischen Störungen auf. Sie kann ein vorübergehendes Phänomen sein, z.B wenn sie<br />

als Folge von epileptischen Anfällen, temporären vaskulären Anormalitäten,<br />

pharmakologischer Wirkung oder Elektrokrampftherapie auftritt. In anderen Fällen ist sie eher<br />

überdauernd, wenn sie aufgrund von Herpes-Simplex-Enzephalitis, cerebrovaskulären<br />

Unfällen, Aneurysmen, Sauerstoffmangel nach einem Herzstillstand oder als Folge von<br />

Atherosclerose, dem Wernicke Korsakoff Syndrom (WKS), degenerativen Krankheiten (z.B.<br />

Demenzen), raumgreifenden Prozessen (Tumor), paraneoplastischer limbischer Enzephalitis 16<br />

oder nach operativer Entfernung limbischer Hirnareale, auftritt.<br />

16 Paraneoplastische limbische Enzephalitis, tritt als Folge einer Krebserkrankung auf und ist nicht direkt durch<br />

einen Tumor verursacht. Vielmehr ist diese Form einer Enzephalitis vermutlich die Folge abnormaler

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!