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Dekan: Prof. Dr. Martin Hautzinger - Universität Tübingen

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Clemens Krause: Posthypnotische Amnesie für therapeutische Geschichten 75<br />

Enzephalitis besteht meist ein schweres amnestisches Syndrom, in welchem die Patienten<br />

kein temporal abgestuftes Muster zeigen.<br />

• Dienzephale Amnesie: Erkenntnisse die anhand der Untersuchung von WKS Patienten<br />

gewonnen wurden, lassen schließen, daß diese neben einer anterograden Amnesie eine<br />

extensive und temporal abgestufte RA entwickeln. Der diencephale Schaden per se<br />

scheint der wichtigste Faktor dabei zu sein. Patienten mit dienzephaler Pathologie zeigen<br />

Tendenzen zur Konfabulation und eine herabgesetzte Einsicht (z.B. Parkin, 1984).<br />

Bilateraler thalamischer Infarkt sowie Tumore in dieser Region können ebenfalls eine<br />

extensive RA erzeugen.<br />

• Frontale Amnesie: Schäden basaler Vorderhirnstrukturen führen in akuten Stadien zu<br />

Konfabulationen. Es tritt eine temporal abgestufte RA, ähnlich der von WKS Patienten<br />

auf. Viele dieser Patienten würden strenggenommen nicht als amnestisch klassifiziert<br />

werden, da sie Aufmerksamkeitsprobleme zeigen, die für ihre Gedächtnisprobleme<br />

verantwortlich sein können (s. Kap. 2.4.1, 2.4.2). Nichtsdestotrotz zeigen sie ein recht<br />

einheitliches Bild von Gedächtnisstörungen: Wiedererkennen ist im Gegensatz zu<br />

Wiedergabe recht gut erhalten, es besteht eine Beeinträchtigung des kontextuellen<br />

Gedächtnisses und die Patienten zeigen eine beeinträchtigte semantische Kategorisierung,<br />

sowie Quellenamnesie (Janowsky, Shimamura & Squire, 1989).<br />

• Isolierte retrogerade Amnesie: Schädigungen vornehmlich anterior temporaler Strukturen<br />

bestimmen das Bild der selten auftretenden isolierten RA. Damit sind Strukturen<br />

betroffen, die mit dem Abruf weit zurückliegender Information in Verbindung gebracht<br />

werden.<br />

Die Taxonomie kann deshalb kritisiert werden, da es oft Überschneidungen in der Pathologie<br />

der Gehirnareale gibt, z.B. wird bei WKS Patienten häufig auch ein Schaden in medialen<br />

temporalen Arealen gefunden (Jernigan et al., 1991).<br />

Oft wird zwischen retrograder und anterograder Amnesie unterschieden. Retrograde Amnesie<br />

stellt das Phänomen des Gedächtnisverlusts für Ereignisse, die vor das Eintreten eines<br />

Hirntraumas datiert werden können. Dabei wurden vier typische Muster identifiziert (Hodges,<br />

1995):<br />

• Retrograde Amnesie kann lediglich kurz andauern und wenige Monate bis Jahre vor dem<br />

Trauma betreffen. Dieses Muster wurde besonders nach Elektrokrampftherapie<br />

eindrucksvoll nachgewiesen (s. Kap. 4.3).<br />

• Es kann aber auch extensive retrograde Amnesie auftreten, die Jahrzehnte umfaßt und<br />

keinen temporalen Gradienten aufweist (d.h. weiter zurückliegende Ereignisse werden<br />

nicht besser erinnert als Ereignisse der jüngeren Vergangenheit).<br />

• Manche Patienten haben eine extensive retrograde Amnesie die einen temporalen<br />

Gradienten aufweist. Das wurde v.a. bei WSK Patienten nachgewiesen. Ein ähnliches<br />

Phänomen wurde bei Patienten mit Passagerer Globaler Amnesie nachgewiesen (s. Kap.<br />

4.4).<br />

• Ganz selten gibt es Patienten die eine extensive retrograde Amnesie bei nur minimaler<br />

anterograder Amnesie aufweisen. Dieses Muster wurde ursprünglich v.a. im<br />

Zusammenhang mit funktionellen oder psychogenen Amnesien beschrieben (s. Kap. 4.5,<br />

4.6, 4.9). In letzter Zeit wurden aber auch nach Hirnverletzungen relativ isolierte<br />

retrograde Amnesien beobachtet. In all diesen Fällen besteht ein Hinweis auf Schädigung<br />

von anterior temporalen Strukturen (s. Kap. 2.4.1).<br />

Anterograde Amnesie bezeichnet das Phänomen, nach dem Eintreten eines Hirntraumas,<br />

keine neu erworbenen Informationen mehr Lernen, Behalten oder Abrufen zu können. Bei<br />

den meisten Krankheitsbildern betrifft die anterograde Amnesie v.a. Inhalte des deklarativen<br />

Gedächtnisses insbesondere des episodischen Gedächtnisses. Prozedurales Lernen und

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