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Dekan: Prof. Dr. Martin Hautzinger - Universität Tübingen

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Clemens Krause: Posthypnotische Amnesie für therapeutische Geschichten 113<br />

reagieren, übernehmen bereitwillig die Rolle eines tief hypnotisierten Individuums und sind<br />

aktiv tätig, um sich nicht zu erinnern. Als Beleg führt er an, daß ca. 50 % der experimentell<br />

als amnestisch klassifizierten Personen, durch sozialen Einfluß dazu gebracht werden können,<br />

die Amnesie zu brechen. Während Kihlstrom, Easton und Shor (1983) der Meinung sind, daß<br />

selbst direkte Aufforderungen an Probanden, sich „aufrichtig“ zu verhalten, die Amnesie nicht<br />

wirkungsvoller brechen können als spontane Reversibilität, betonen Spanos und Coe (1992),<br />

daß solche Aufforderungen alleine nicht wirkungsvoll genug sind, damit die Probanden ihre<br />

Rolle als tief hypnotisierte Probanden aufgeben.<br />

Coe und Sluis (1989) gaben ihren allesamt hochsuggestiblen Probanden Instruktionen<br />

aufrichtig zu sein, schlossen sie anschließend an einen Lügendetektor an und konfrontierten<br />

sie zusätzlich noch mit einer Aufzeichnung der Hypnosesitzung. Jedoch selbst unter diesen<br />

Bedingungen, mit starkem <strong>Dr</strong>uck die Amnesie zu brechen, gelang das nicht bei allen Pbn.<br />

McConkey und Sheehan (1981) konfrontierten ihre Pbn mit Videoaufzeichnungen der<br />

Hypnosesitzung, aber auch unter diesen Bedingungen hielten einige der hochhypnotisierbaren<br />

Pbn die Amnesie aufrecht.<br />

Kihlstrom et al. (1983) sind der Meinung, daß sich PHA mit der Zeit auflöst und daß dieses<br />

Phänomen eher mit dem Verstreichen von Zeit per se als mit einem Reminiszenseffekt durch<br />

vorhergehende Abrufversuche verbunden ist. Ihre Pbn erinnerten bei einem zweiten Test<br />

mehr, als bei einem ersten, ohne daß sich die Amnesie jedoch ganz auflöste. Dieser Effekt trat<br />

auch bei denjenigen Pbn ein, die anstatt dem ersten Test eine Distraktionsaufgabe ausführten,<br />

die sie an zusätzlicher Beschäftigung mit den gelernten Inhalten hindern sollte. Pbn, die über<br />

beide Tests hinweg die Amnesie aufrecht erhielten, waren höher hypnotisierbar und zeigten<br />

ein größeres Ausmaß an Amnesie in Test 1 als diejenigen Pbn, bei denen sich die Amnesie<br />

zurückbildete. Das bewußte Anwenden von strategischen Prozessen, um der Suggestion<br />

nachzuhelfen, hatte keinen Einfluß auf das Ausmaß an Amnesie.<br />

Auch bei anderen Amnesieformen (s. Kap. 4.7.5) kommt es häufig zur spontanen Auflösung<br />

der Amnesie, die lediglich mit dem Vergehen von Zeit zu erklären ist. Vielleicht stellt diese<br />

Regeneration des Gedächtnisses/Abrufs von Inhalten einen allgemeinen Mechanismus des<br />

Gedächtnisses dar, der sich einstellt, wenn das Hirngewebe nicht irreversibel geschädigt<br />

wurde. Trotz dieser Ergebnisse, bleibt Coe (1996) bei seiner Meinung, daß PHA auch bei<br />

Hochhypnotisierbaren mit geeigneten Maßnahmen durchbrochen werden kann und daß sie<br />

eine strategische Rolle ausfüllen, die der eines guten Hypnotisanden entspricht.<br />

Eine Hypothese von Spanos, Radtke und Debreuil (1982) besagt, daß Pbn willentlich ihre<br />

Aufmerksamkeit von effektiven Abrufstrategien (z.B.) abwenden und deshalb diese Cues zur<br />

Organisation des Abrufs nicht nutzen. Das sei auch der Grund dafür, daß die Wiedergabe von<br />

partiellen Amnestikern, während die Suggestion zur PHA wirksam ist, Anzeichen kategorialer<br />

Desorganisation aufweist. Nach Aufhebung der Amnesiesuggestion refokussieren die Pbn<br />

einfach ihre Aufmerksamkeit wieder auf effiziente Abrufcues. Davidson und Bowers (1991)<br />

konnten jedoch nachweisen, daß amnestische Pbn durchaus Cues zur kategorialen Ordnung<br />

nutzten, wenn Ihnen lediglich selektiv, für eine von vier Kategorien, Amnesie suggeriert<br />

wurde.<br />

Bowers und Davidson (1991) bringen die unterschiedliche Auffassung des<br />

sozialpsychologischen und des neodissoziativen Ansatzes auf den Punkt. Spanos betont<br />

Strategien, hinter denen die Absicht steht, auf eine entsprechende Suggestion mit Vergessen<br />

zu reagieren. Mit anderen Worten: das sozialpsychologische Modell schlägt vor daß PHA<br />

einen erfolgreichen Versuch darstellt etwas zu vergessen, was an das frühe Freudsche<br />

Konzept der Verdrängung erinnert (s. Kap. 3.10), während das Neodissoziationsmodell<br />

postuliert, daß PHA einen vergeblichen Versuch darstellt, etwas zu erinnern. Die Autoren<br />

vergleichen PHA eher mit Situationen im Alltag, in denen wir Dinge temporär vergessen<br />

haben, wie den Namen eines Freundes, den wir anderen vorstellen wollen. Obwohl in diesem<br />

Falle effektive Cues vorhanden sind (seine persönliche Anwesenheit), die Motivation hoch ist

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