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Dekan: Prof. Dr. Martin Hautzinger - Universität Tübingen

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Clemens Krause: Posthypnotische Amnesie für therapeutische Geschichten 120<br />

weit nach hinten verlegt (z.B. Evans & Thorn, 1966) und die Wiedergabe der Information<br />

weist eine temporale (Kihlstrom & Evans, 1979) sowie kategoriale Desorganisation (Spanos<br />

et al., 1982) auf . Außerdem scheinen Personen unter Hypnose verstärkte Tendenzen zur<br />

Konfabulation aufzuweisen (z.B. Erdelyi, 1988) und diese sind auch ein Merkmal von<br />

Patienten mit Frontalhirnläsionen (Holmes, 1995). Die strategische Suche beim Abruf scheint<br />

gestört zu sein, vielleicht erinnern Personen mit PHA oft deshalb die Information nur<br />

fragmentarisch, ohne daß die erinnerte Information als Cue zum Abruf weiterer Information<br />

dient. Die strategische Suche zentraler Systemstrukturen benötigt ein hohes Maß an<br />

kognitiven Ressourcen (Aufmerksamkeit), während die Aktivität kognitiver Module<br />

einschließlich des hippocampalen Systems Information automatisch verarbeiten. Deshalb ist<br />

die Funktion der Frontallappen nicht bereichsspezifisch und auf kürzlich erworbene Inhalte<br />

beschränkt, sondern kann auch weiter zurückliegende und semantische Inhalte betreffen (z.B.<br />

Shimamura et al., 1990). Dies bestärkt die oben geäußerte Vermutung, daß PHA durchaus<br />

auch für Inhalte des semantischen Gedächtnisses suggeriert werden kann. Neue Ergebnisse<br />

von Woody und Farvolden (1998) erbrachten das überraschende Ergebnis, daß<br />

hochhypnotisierbare Pbn sowohl im wachen als auch im hypnotisierten Zustans bei<br />

Gedächtnisaufgaben, die v.a. für frontale Funktionen sensitiv sind, schwach abschnitten und<br />

das, obwohl keine explizite Amnesiesuggstion gegeben wurde.<br />

Vielleicht wirkt Hypnose generell über frontale Strukturen, da Hinweise darauf bestehen, daß<br />

Läsionen im Frontalhirn auch zu Defiziten in anderen Bereichen, z.B. beim Problemlösen und<br />

der Aufmerksamkeit führen kann. Trancelogik (Orne, 1959) ist ein Hinweis darauf, daß<br />

Inkongruenzen mit der Realität in Hypnose eher akzeptiert werden, sich logisch rationale<br />

Prozesse verändern, die auch zu einer veränderten Problemlösung führen können, was in der<br />

Therapie mit Hypnose durchaus angestrebt wird. Fokussierung und Lenkung der<br />

Aufmerksamkeit ist eines der wesentlichen Merkmale einer jeden Hypnoseinduktion. Somit<br />

scheinen die Frontallappen wesentlich am Zustandekommen hypnotischer Phänomene<br />

beteiligt zu sein. Das wird durch bildgebende Verfahren bestätigt. So meint Fuster (1997), daß<br />

der frontale Kortex Systeme auf niedriger Ebene moduliert, indem er sie aktiviert oder<br />

hemmt. Walter (1992) fand während der Hypnose bei hochhypnotisierbaren weiblichen Pbn<br />

eine Erhöhung des Blutflusses (rCBF) in linkshämisphärischen superior frontalen sowie linksund<br />

rechtshemisphärischen inferioren frontalen Arealen, die mit einem verminderten Blutfluß<br />

in anderen nicht frontalen Arealen einhergingen (s. auch Halama, 1989, 1990).<br />

Hochhypnotisierbare haben zudem ein flexibleres und effizienteres fronto-limbisches<br />

Aufmerksamkeits-Unaufmerksamkeits-System (Crawford, 1996), was vermutlich auch zu<br />

einer effektiveren Analgesie mit Hypnose beiträgt. Crawford kommt zu dem Schluß, daß<br />

hypnotisierte Personen nur auf einer phänomeneologischen Ebene mühelos dissoziative<br />

Phänomene zeigen, während physiologisch durchaus zielgerichtete und willentliche<br />

Aufmerksamkeit nachweisbar ist, die außerhalb ihres Bewußtseins liegt. Es bleibt zu<br />

überprüfen ob solche frontalen rCBF Erhöhungen auch bei PHA zu beobachten sind.<br />

PHA und Verdrängung<br />

Gewisse Phänomene der Hypnose wurden oft mit Verdrängung erklärt (s. Kap. 3.10). In<br />

psychoanalytischen Begriffen wird hypnotische Analgesie als analog zu primärer<br />

Verdrängung beschrieben, bei der Wahrnehmungen, Erinnerungen und Gedanken, die<br />

Schmerz erzeugen, nicht ins Bewußtsein gelangen. Auch bei der PHA wird Verdrängung als<br />

Mechanismus angeführt, indem argumentiert wird, daß vorher zugängliche<br />

Wahrnehmungsinhalte keinen Zugang zum Bewußtsein erhalten. Allerdings handelt es sich<br />

im Gegensatz zu Schmerz oft um angenehme Ereignisse und damit fehlt die Motivation zur<br />

Verdrängung. Deshalb wird in der psychoanalytischen Argumentation die Beziehung<br />

angeführt (der Hypnotisand nimmt eine submissive Rolle ein), für die sich der Hypnotisand<br />

schämt, worauf er Inhalte der Hypnose vergißt (Schilder und Kauders, 1927; Rappaport,

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