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Dekan: Prof. Dr. Martin Hautzinger - Universität Tübingen

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Clemens Krause: Posthypnotische Amnesie für therapeutische Geschichten 71<br />

Hilgard (1977, 1991) sah posthypnotische Amnesie (PHA) schon immer als eine Folge von<br />

Dissoziation. Er geht, ähnlich wie beim Prozeß der Verdrängung davon aus, daß Dissoziation<br />

zu Gedächtnisinhalten führt, die nicht bewußt wiedergegeben werden können, jedoch<br />

trotzdem im Gedächtnis gespeichert sind. Beide Konzepte postulieren auch, daß die Inhalte<br />

weiterhin dynamisch aktiv sind und Erfahrung, Denken und Handeln einer Person<br />

beeinflussen können. Die Gedächtnisforschung verwendet den Begriff der Dissoziation<br />

deskriptiv. So tritt eine Dissoziation auf, wenn die Manipulation einer unabhängigen Variable<br />

eine abhängige Variable beeinflußt, aber nicht die andere, bzw. Auswirkungen auf eine<br />

Population von Patienten hat und auf die andere nicht (z.B. Kelley & Lindsay, 1996; Kap. 2).<br />

Mit diesem deskriptiven Verständnis des Begriffs kann PHA, wie auch andere Formen von<br />

Amnesie, als Dissoziation beschrieben werden (z.B. Kihlstrom & Evans, 1979; Kihlstrom &<br />

Hoyt, 1990). So hat PHA einen starke Auswirkung auf die freie Wiedergabe, weitaus weniger<br />

jedoch auf das Wiedererkennen (z.B. Kihlstrom & Shor, 1978). Eine Beeinflussung indirekter<br />

Gedächtnistests wurde bisher nicht nachgewiesen (z.B. Hull, 1933; Kihstrom, 1980). Trotz<br />

PHA tritt retroaktive und proaktive Interferenz auf (z.B. Dillon & Spanos, 1983) und PHA hat<br />

keinen Einfluß auf den Gebrauch von Wissen über Fakten, das eine Person während der<br />

Hypnose gelernt hat (z.B. Evans & Thorn, 1966; Evans, 1979). Alle diese Variablen erheben<br />

die Gedächtnisleistung. PHA beeinflußt einige dieser Variablen, andere nicht und somit ist<br />

eine Dissoziation im deskriptiven Sinn gegeben (s. Kap. 4.7.6).<br />

Schon Freud und Janet waren sich uneinig, ob Verdrängung oder Dissoziation mentalen<br />

Prozessen unterliegt, die zu psychopathologischen Symptomen führen. Andere (z.B. Hilgard,<br />

1977, 1991) sahen nützliche Ansätze in beiden Konzepten und machten sich daran<br />

herauszuarbeiten, welche Zusammenhänge zwischen den Ansätzen bestehen. In der Sprache<br />

der Tiefenpsychologen beschrieb Hilgard Verdrängung als einen Prozeß, der mittels einer<br />

horizontalen Schranke direkten Zugang zu unbewußten Inhalten verhindert. Diese Schranke<br />

ist undurchlässig für Introspektion oder willentliche Kontrolle. Inhalte dieses Systems können<br />

lediglich indirekt über das Verhalten erfahren werden.<br />

Die dissoziative Schranke dagegen ist vertikal und trennt Inhalte des bewußten und<br />

vorbewußten Systems von anderen. Die Schranke verhindert einen Zugang zu<br />

Wahrnehmungen, Erinnerungen und Gedanken, die potentiell der Introspektion zugänglich<br />

sind. Ein physikalisches Modell hierfür stellt eine Durchtrennung des Corpus Callosum dar,<br />

die eine Kommunikation der Hemisphären verhindert, während die einzelnen Funktionen der<br />

Hemisphären unbeeinträchtigt bleiben.<br />

Auch Kihlstrom und Hoyt (1990) nehmen an, daß sich Verdrängung und Dissoziation als<br />

Prozesse nicht gegenseitig ausschließen müssen und daß es möglich ist, ein kognitives System<br />

anzunehmen, in dem beide Prozesse existieren können. Sowohl ein postödipales Kind, das<br />

sich seiner Liebe zur Mutter und den Aggressionen dem Vater gegenüber nicht bewußt ist, als<br />

auch das Vergewaltigungsopfer, das keine Erinnerungen an das Trauma hat, haben den<br />

Zugang zu gewissen Ausschnitten ihres deklarativen Wissens verloren. Beide Konzepte lassen<br />

prozedurales Wissen zu, das a priori unter keinen Umständen einen introspektiven Zugang<br />

erlaubt. Innerhalb des deklarativen Wissens müssen folglich weitere Unterscheidungen<br />

zwischen bewußten, vorbewußten, dissoziierten und verdrängten Inhalten gemacht werden<br />

(Kihlstrom, 1987).<br />

Das Arbeitsgedächtnis ist der bewußte Anteil des Gedächtnisses; es enthält aktive<br />

Repräsentationen des Organismus in seiner unmittelbaren Umwelt, die momentanen Ziele des<br />

Organismus und zielrelevante Gedächtnisstrukturen, die durch perzeptuelle Verarbeitung oder<br />

Gedächtnisabruf aktiviert wurden. Bewußte Inhalte sind sowohl aktiviert, als auch mit<br />

aktivierten Repräsentationen des Selbst, seinen Zielen und seiner räumlichen Umgebung<br />

verbunden. Vorbewußte Inhalte sind nicht über eine gewisse Schwelle hinweg aktiviert und

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