Dekan: Prof. Dr. Martin Hautzinger - Universität Tübingen
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Clemens Krause: Posthypnotische Amnesie für therapeutische Geschichten 30<br />
Durch Paraphrasieren, Zusammenfassen von Inhalten und Konfabulationen ergeben sich<br />
Schwierigkeiten, die Propositionen der Reproduktionen denen des Orginaltextes zuzuordnen.<br />
Oft kann nur intuitiv entschieden werden, welche Propositionen des Orginaltextes in den<br />
Reproduktionen sinngemäß zum Ausdruck gebracht wurden. Trotzdem hat sich das Modell in<br />
der Prognose von Behaltensleistungen als robust erwiesen.<br />
2.3.3 Das autobiographische Gedächtnis<br />
Wo genau ist das autobiographische Gedächtnis einzuordnen? Nach Tulving (1972) definiert<br />
sich das episodische Gedächtnis dadurch, daß es Wissen über den zeitlichen-räumlichen<br />
Kontext enthält, in welchem eine Erfahrung gemacht wurde. Das semantische Gedächtnis<br />
dagegen enthält Wissen über Fakten und konzeptuelles Wissen, das vom Kontext abstrahiert<br />
ist, in dem es erworben wurde. Daher scheinen episodisches und autobiographisches<br />
Gedächtnis äquivalent zu sein. Conway (1996) widerspricht dem und meint, daß das<br />
autobiographische Gedächtnis immer auch semantische Anteile in Form von Wissen über<br />
persönliche Fakten enthält (z.B. „Das war meine erste Flugreise.“). Aufgrund der Vielfalt von<br />
Wissen, das am autobiographischen Gedächtnis beteiligt ist, weigert sich Conway es einfach<br />
in eine bestimmte Schublade einzuordnen.<br />
Ein anderes Merkmal des autobiographischen Gedächtnis ist der starke Selbstbezug. Das<br />
Selbst ist sehr kritisch hinsichtlich der Speicherung und des Abrufs von Gedächtnisinhalten<br />
und autobiographische Erinnerungen haben einen starken Einfluß auf das Selbst.<br />
Autobiographische Erinnerungen können deshalb sogar für einzigartige, hoch bedeutsame<br />
Ereignisse ungenau sein. Dagegen sind sie jedoch oft auch sehr genau, sowohl für tatsächliche<br />
Geschehnisse als auch für Ziele, Pläne und Sorgen des Selbst. Autobiographische<br />
Erinnerungen sind somit, noch mehr als andere Gedächtnisinhalte, eher persönliche<br />
Interpretationen von Ereignissen als objektive Aufzeichnungen.<br />
Wie uns das Auftreten von Flashbulb Erinnerungen zeigt: Pbn erinnern oft nach einem Jahr<br />
noch genaue Details eines überraschenden neuen Ereignisses (s. Übersicht bei Conway,<br />
1994). Jedoch werden nicht alle Merkmale eines Ereignisses mit der gleichen Genauigkeit<br />
erinnert, da das Selbst die Aufmerksamkeit während des Ereignisses selektiv lenkt. Somit<br />
ergibt sich eine weitere Charakteristik des autobiographischen Gedächtnisses: Es enthält hoch<br />
spezifisches Wissen von gewissen Merkmalen eines Ereignisses, während andere Aspekte<br />
desselben Ereignisses nicht mehr reproduziert werden können.<br />
In einer Studie wurden Erinnerungen mit der Vorstellung eines Ereignisses verglichen. Dabei<br />
stellte sich heraus, daß Erinnerungen von tatsächlich erlebten Ereignissen mehr spezifisches<br />
Wissen perzeptueller Details enthalten als Erinnerungen von vorgestellten Ereignissen.<br />
Erinnerungen tatsächlich erlebter Ereignisse enthalten mehr visuelle, auditive, olfaktorische,<br />
gustatorische, räumliche Details als Vorstellungen. Dagegen werden Vorstellungen als<br />
komplexer, intensiver und mehr Implikationen enthaltend beurteilt. Außerdem wird häufiger<br />
an Vorstellungen gedacht (Johnson et al. 1988). Ähnliche Ergebnisse erhielt Brewer (1988):<br />
Für Gedächtnisinhalte, von denen die Personen sehr sicher waren, daß sie diese genau<br />
erinnerten, wurde die visuelle Vorstellung, bzw. das visuelle „Wiedererleben“ des Inhalts sehr<br />
intensiv eingeschätzt. Ebenfalls hoch, doch nicht so hoch wie die visuelle Modalität, wurden<br />
auditive und taktile Aspekte des Ereignisses eingeschätzt. Auch spezifische Emotionen waren<br />
in autobiographischen Erinnerungen enthalten.<br />
Autobiographische Erinnerungen werden als ausgeformte, ganze Einheiten erinnert und<br />
stellen somit holistische Erinnerungen dar. Wenn nach Ereignissen einer bestimmten Periode<br />
gefragt wird, scheint es, als ob Personen auf eine Vielzahl von Wissensarten zurückgreifen,