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Dekan: Prof. Dr. Martin Hautzinger - Universität Tübingen

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Clemens Krause: Posthypnotische Amnesie für therapeutische Geschichten 80<br />

episodischen Gedächtnisses sind das herausragende Merkmal bei Alzheimer. Dies gilt sowohl<br />

für Tests mit verbalem als auch mit non-verbalem Material. Schon im frühen Stadium zeigen<br />

Alzheimer Patienten eingeschränkte Leistungen auf vielen standardisierten Meßinstrumenten<br />

und es gibt Tests wie den Mini-Mental State Examination (Knopman & Ryberg, 1989), die<br />

sehr valide gesunde Personen von Alzheimer Patienten differenzieren. Verzögerte freie<br />

Wiedergabe einer Wortliste ist der effektivste Test um demente von gesunden älteren<br />

Personen zu unterscheiden. Wiedererkennen scheint dagegen die geeignetere Methode<br />

darzustellen um das Fortschreiten der Erkrankung zu erfassen (Welsh et al., 1992).<br />

Alzheimer Patienten zeigen schon im frühen Stadium eine flache Lernkurve und ein hohes<br />

Ausmaß von Vergessen innerhalb von wenigen Minuten. Scheinbar kann das Defizit, das<br />

Alzheimer Patienten schon bei einem unmittelbaren Test zeigen durch eine verlängerte<br />

Darbietung des zu lernenden Materials ausgeglichen werden (Kopelman, 1985).<br />

Außerdem zeigen sie eine hohe Anzahl von Intrusionen (Gedächtnisinhalte die sich<br />

aufdrängen, aber keine wahren Inhalte darstellen). So nennen sie bei der freien Wiedergabe<br />

Wörter, die in der Wortliste nicht vorkamen. Diese Wörter weisen dann oft einen<br />

semantischen Bezug zum Zielwort auf (z.B. Tiger anstatt Leopard). Das Auftreten von<br />

Intrusionen hat eine besondere Relevanz für die Diagnose von Alzheimer, da ihr Auftreten<br />

mit der Menge seniler Plaques im Gehirn korreliert (Fuld et al., 1982).<br />

Das unmittelbare Gedächtnis ist bei Alzheimer Patienten zwar beeinträchtigt, jedoch in<br />

wesentlich geringerem Ausmaß als andere Indizes des Gedächtnisses; dies läßt sich an einem<br />

relativ intakten Recency-Effekt festmachen (s. Kap. 3.7). Baddeley et al. (1991) nehmen an,<br />

daß die zentrale Exekutive bei Alzheimer Patienten defizient ist, was sich in schlechten<br />

Leistungen auswirkt, wenn die Aufmerksamkeit bei Aufgaben verteilt wird und auch beim<br />

Abruf von semantischen Gedächtnisinhalten. Beeinträchtigungen der zentrale Exekutive sind<br />

auch für das Fortschreiten der Erkrankung verantwortlich (s. Kap. 2.1). Die Fähigkeit zwei<br />

Aufgaben parallel auszuführen sinkt bei Alzheimer Patienten, im Vergleich mit gesunden<br />

älteren Probanden, überproportional ab.<br />

Es wird allgemein akzeptiert, daß viele der Gedächtnis- und Kommunikationsdefizite bei<br />

Alzheimer Patienten auf Beeinträchtigungen des semantischen Gedächtnis zurückgehen. Sie<br />

machen dabei oft den Fehler zwei Begriffe aus der gleichen Kategorie zu verwechseln (s.o.)<br />

oder den übergeordneten Kategoriennamen zu nennen (z.B. Tier anstatt Kamel). Diese<br />

Ergebnisse werden als Zerstörung von Strukturen des semantischen Netzwerks interpretiert,<br />

wobei die Fähigkeit zur Unterscheidung zwischen Kategorien zunächst bestehen bleibt.<br />

Konsistent mit dieser Annahme sind Ergebnisse einer Studie in denen Alzheimer Patienten<br />

dazu angehalten wurden, Dinge zu benennen, die in einem Supermarkt gekauft werden<br />

können. Es bestand die Tendenz verstärkt Kategoriennamen zu produzieren (z.B. Fleisch,<br />

Früchte, Gemüse), im Gegensatz zu spezifischen Produkten (z.B. Steaks, Äpfel, Kartoffeln).<br />

Auch dieses Ergebnis scheint eine „bottom-up“ Zerstörung des semantischen Netzwerks<br />

widerzuspiegeln. Die Patienten können zwar Fragen zu kategorialen Beziehungen richtig<br />

beantworten (z.B. Ist das Rotkelchen ein Vogel?), haben aber Schwierigkeiten spezifische<br />

Attribute und Merkmale zuzuordnen (z.B. Hat das Rotkelchen eine Haut?). Anhand dieses<br />

Merkmal scheinen Alzheimer Patienten von Patienten mit anderen Demenzen (z.B.<br />

Huntingtonsche Krankheit) unterschieden zu werden. Anscheinend können Alzheimer<br />

Patienten nicht die volle Bedeutung verbaler Konzepte erfassen, was ihre Schwierigkeiten<br />

beim Lernen und ihre Gedächtnisdefizite erklären kann. Im Gegensatz zu gesunden Pbn<br />

beruhen ihre Netzwerke eher auf konkreten perzeptuellen Merkmalen (z.B. Größe) als auf<br />

abstrakten konzeptuellen Merkmalen (z.B. Zahmheit) (s. Übersicht bei Brandt & Rich, 1995).<br />

Nebes (1989) dagegen ist der Ansicht, daß Alzheimer Patienten über ein nahezu normales<br />

semantisches Gedächtnis verfügen, wenn die Tests nur geringe Anforderungen an den Abruf<br />

stellen.

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