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Dekan: Prof. Dr. Martin Hautzinger - Universität Tübingen

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Clemens Krause: Posthypnotische Amnesie für therapeutische Geschichten 34<br />

Temporallappensystem erworben werden. Der Temporallappen ist nur Flaschenhals für die<br />

Einspeicherung, nicht für den Abruf (Rösler, 1997).<br />

Ein weiterer wichtiger Flaschenhals für Gedächtnisleistungen wurde im Bereich des<br />

Thalamus lokalisiert. Läsionen einzelner thalamischer Kern- und Verbindungsstrukturen<br />

führen sowohl zu anterograden als auch zu retrograden Amnesien. <strong>Dr</strong>ei Patientengruppen sind<br />

von dieser sogenannten subkortikalen (dienzephalen) Amnesie betroffen: Patienten mit dem<br />

sogenannten Wernicke-Korsakoff Syndrom, Patienten mit eng umgrenzten vaskulären<br />

Infarkten im Thalamus und Patienten mit isolierten Verletzungen im Bereich des Thalamus.<br />

Bei bilateralem Thalamusinfarkt kommt es zu einer sogenannten globalen, dienzephalen<br />

Amnesie. Auch hierfür ist die Ursache ein Diskonnektionssyndrom, denn vieles spricht dafür,<br />

daß nicht die Speichereinheiten zerstört werden, sondern nur der Informationsfluß von und zu<br />

diesen Strukturen. Warringon (1985) vermutet die eigentlichen Speicherstrukturen eher in<br />

posterioren kortikalen Bereichen, die Areale mit koordinierenden Funktionen dagegen im<br />

Bereich des frontalen Kortex. Läsionen des Thalamus durchtrennen die Verbindungen<br />

zwischen besagten Arealen.<br />

Auch bei Patienten mit basalem Aneurysma konnten Symptome anterograder und retrograder<br />

Amnesie festgestellt werden. Das basale Vorderhirn ist der Bereich des Zwischenhirns, der<br />

symmetrisch längs der Mittellinie vor dem Thalamus liegt. Der Bereich umfaßt mehrere<br />

voneinander abgrenzbare Kerngruppen und Faserbündel, z.B. das Septum. In Kernen des<br />

basalen Vorderhirns haben cholinerge Fasern ihren Ursprung, die weit verzweigt in<br />

neokortikale Strukturen projizieren. Bei Patienten mit Alzheimer liegt ein selektives Defizit<br />

von cholinergen Neuronen in bestimmten Teilen des basalen Vorderhirns vor (s. Rösler,<br />

1997). Diese Beobachtungen haben die Acetylcholinhypothese des Gedächtnisses bzw. der<br />

Demenz vom Alzheimer Typ angeregt. Jedoch konnte die Hypothese, wonach Acetylcholin<br />

die entscheidende Substanz bei der Gedächtnisbildung sein soll und insbesondere die<br />

fortschreitende Alzheimererkrankung durch einen Eingriff in den Acetylcholinstoffwechsel<br />

aufgehalten werden kann, bisher nicht überzeugend belegt werden. Alzheimer ist allerdings<br />

keine spezifische Störung des Gedächtnisses, mit zunehmendem Fortschreiten betrifft sie alle<br />

kognitiven Funktionen und die Symptomatik endet in völliger Demenz. Jedoch betreffen die<br />

frühesten und charakteristischten Symptome Störungen des Gedächtnisses (Daum et al., 1996,<br />

s. Kap. 4.2). Auch bei basalen Vorderhirnamnesieen könnte es sich um ein<br />

Diskonnektionssyndrom handeln; neben Dysfunktionen von Kerngruppen können auch<br />

Durchtrennungen der zahlreichen Faserverbindungen eigentliche Ursache der Amnesie sein.<br />

Es gibt jedoch die Hypothese, daß es sich bei Läsionen des basalen Vorderhirns, insbesondere<br />

bei Ausfall cholinerger Neurone um generelle Defizite handelt, welche die Steuerung von<br />

Aufmerksamkeit oder die Strukturierung des zu kodierenden Materials betreffen (Voytko et<br />

al., 1994).<br />

Der gegenwärtige Wissensstand legt es nahe, daß die drei angesprochenen Hirnstrukturen<br />

nicht Sitz der Engramme sind, da bei Ausfall der Strukturen sowohl Sprache, Wahrnehmung<br />

und Problemlösen relativ intakt sind. Das bedeutet, daß der Patient weiterhin auf gewisse<br />

Wissensstrukturen zurückgreifen kann.<br />

Noch ist es nicht gelungen das Engramm zu lokalisieren, es könnte jedoch in kortikalen<br />

Strukturen gefunden werden. Analysen mit bildgebenden Verfahren zeigen, daß offensichtlich<br />

kodierungs- und modalitätsspezifische Speichersysteme im Neokortex existieren. Bei der<br />

Reaktivierung von Erinnerungen werden genau jene kortikalen Areale, vor allem primäre und<br />

sekundäre Projektionsfelder, beansprucht, die auch für die online Verarbeitung der gleichen<br />

Inhalte zuständig sind.

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