26 Leben als Problemsphärewenn gesehen in einer bestimmten echten, aber mit anderen»ursprünglich« verwachsenen Problemtendenz.Es gibt in der Phänomenologie als Ursprungswissenschaftkeine Spezialprobleme - d. h. nicht, daß in ihr sogenannte allgemeineund allgemeinste Probleme im Sinne eines unklarenallgemeinen Raisonnements und üblichen Philosophierens gepflegtwerden, sondern es gibt in ihr keine Spezialprobleme,weil und solange es in ihr konkrete Probleme gibt. Beides istnicht dasselbe. Die Phänomenologie gibt erst zu sehen, daßanstelle des Nebulösen, in dem sich die übliche Philosophie bewegt,das Konkrete, das letzte Konkrete phänomenologisch faßbargemacht werden muß und kann, daß allerdings diese Konkretisierungsolcher »abstrakter« Probleme erst in und durchdie phänomenologische Methode sich vollzieht. Die Fugen undFügungstendenzen, Schichten, Horizonte - diese Reden deutenauf einen ganz bestimmten Aspekt.Der >Ursprung< ist nicht ein letzter einfacher Satz, ein Axiom,aus dem alles abzuleiten wäre, sondern ein ganz Anderes;nichts Mystisches, Mythisches, sondern etwas, dem wir in immerstrenger werdender Betrachtung, die sich auf diesem Wegeimmer zugleich selbst erhält, nahezukommen suchen und zwarauf verschiedenen Zugängen - und zwar näherkommen in einerwissenschaftlichen, urwissenschaftlichen Methode und nurin ihr. Nicht etwas, das man sonst noch in anderer Weise erleben,erlebnismäßig in das Leben einfügen und ihm da eineFunktion verleihen könnte. Der Ursprung und das Ursprungsgebiethaben eine ganz ursprüngliche Weise des erlebenden Erfassenszum Korrelat. Jetzt stehen wir ihm noch »fern«. Wasdiese »Feme« zum Gegenstand der Phänomenologie heißt undwas »Nahebringen«, »Näherkommen« heißt, sollen wir verstehenlernen. Wir stehen dem Gegenstand der Phänomenologie sogarso fern, daß wir noch gar nicht wissen, wo er liegt - eine räumlicheRedeweise, ihr Sinn aber ist jetzt schon roh verständlich.Die berühmten und »berüchtigten« >>unmittelbaren Gegebenheiten«der Phänomenologie und phänomenologischen Wissen-§ 6. Zur Gegebenheit des Ursprungsgebietes 27schaft sind »zunächst« »bekanntermaßen« nie und nirgendsgegeben, wir mögen das Leben in seiner aktuellen Strömungsrichtungnach allen Dimensionen durchsuchen. Vielleicht ist dasUrsprungsgebiet uns jetzt noch nicht gegeben - aber wenn diePhänomenologie weiter ist? Auch dann nicht - und nie. Ja,wäre sie absolut vollendet, sie wäre dem aktuellen strömendenLeben an sich doch völlig verborgen.1. Ursprungsgebiet nicht im Leben an sich (dessen Grundaspekt»Selbstgenügsamkeit«, der es zugleich fraglich macht, obüberhaupt ein Ursprungsgebiet des Lebens zugänglich wird).2. Ursprungsgebiet nur radikaler wissenschaftlicher Methodezugänglich, überhaupt gegenständlich nicht in anderer Weiseerlebnismäßigen Erfassens.!§ 6. Zum Problem der Gegebenheit des UrsprungsgebietesDas Gegenstandsgebiet der wissenschaftlichen Philosophiemuß also immer wieder neu gesucht, die Zugänge immer neugeöffnet werden. Das liegt nicht in einem zufällig, historischvielleicht unvollkommenen Zustand der Philosophie, sondern inihr selbst - und das aus mehrfachen Gründen, die zugleich dieKompliziertheit der philosophischen Methodik bestimmen.Die Problemsphäre der Phänomenologie ist also nicht unmittelbarschlicht vorgegeben; sie muß vermittelt werden. Washeißt nun: etwas ist schlicht vorgegeben? In welchem Sinne ist soetwas überhaupt möglich? Und was besagt: etwas muß vermittelt,allererst zur Gegebenheit »gebracht« werden? Und washeißt dann: die phänomenologische Problematik ist dem >Lebenan sich< nicht vorgegeben, sondern erst zu geben in einemaus dem Leben selbst irgendwie motivierten Prozeß? Und zwarhaben wir bei diesem Prozeß zu unterscheiden: a) die erstmalige(im Sinne des überhaupt) radikale und reine Vorgabe dest V gl. dazu Anhang BII., Ergänzung 1, S. 203.
28 Leben als ProblemsphäreProblemgebietes, d. h. zugleich der phänomenologische Aufschlußüber den Sinn dieser radikalen Vorgabe selbst und ihrerMöglichkeiten und innerhalb des überhaupt Gegebenen dieprinzipiell notwendigen Stufen des Fortgangs der Gebung;b) die Ausformungen der verschiedenen Möglichkeiten der Vorgabeund des darin beschlossenen vielartigen Ein- und Ansetzens.Bei solchen prinzipiellen Problemen, wo es darauf ankommt,Forschungsgebiete freizulegen, ist jeder Schematismus von Einteilungenund gar voreilige Zuteilung von Problembereichen inbereitgehaltenen Disziplinen zu vermeiden. Diese scheinbaresystematische, aber verfrühte Ordnung, die Problemlösungenvortäuscht, wird ersetzt durch den beunruhigenden, stets stimulierendenCharakter echter Problemperspektiven.In den einleitenden, historisch umschauhaltenden Vorbetrachtungenwurde scheinbar vielerlei berührt, das sich aberdoch auf weniges zusammendrängt. Es war die Rede von logischenGrundlagen der Wissenschaften, von einem Wertsystemund letzten Werten als Normen der Deutung des Lebens undder Kultur, von der Geschichte des Geistes und seinen Gestalten,von der Entwicklung des Lebens und seiner unendlichenStrömung - irgendwie verschieden gerichtete letzte Fragen, diedas Leben als solches zu fassen suchen, sogenannte Weltanschauungsfragen,die wir jedoch von vornherein scharf ablehntenin einem bestimmten Sinne, so zwar, daß der allgemeineBereich doch bleiben sollte, aber als solcher einerstrengen Wissenschaft.Dann war bei der Betrachtung der »phänomenologischenStrömungen« von Verengung die Rede, Verkehrtheit der Einschränkungauf Psychologie, seelische Erlebnisse. Diese sollendoch eine Rolle spielen nur in einem weiteren und vielleichtprinzipiell anderen Ausmaß. Es wurden abgewiesen wiederumweltanschauliche Verstiegenheiten, die strenge Einhaltungder forschend-wissenschaftlichen Einstellung zum Prinzip erhoben.§ 7. Umgrenzung des Begriffs des Lebens 29Leben - Geistesgeschichte - Erlebnisse - Wissenschaft,davon sogar Urwissenschaft - -? Und doch wieder: das Ursprungsgebietsoll nicht gegeben sein; es sei erst zu gewinnen.Das alles ergab sich uns in einer unstrengen, naiven, vorwissenschaftlichen,>bittweisen< Betrachtung. Zugleich wurdevorgedeutet auf die Merkwürdigkeit, daß das eigentliche Gegenstandsgebietder wissenschaftlichen Philosophie als Phänomenologieim Leben an sich gar nicht anzutreffen sei. Washeißt das: das Gegenstandsgebiet der Philosophie ist nicht vorgegeben?Warum nicht? Woran liegt es? Welche Aufgaben entspringenhieraus? Zunächst muß vor jeder weiteren Überlegungüber die Frage, wie das Urspungsgebiet überhaupt vorgegebensein soll, und weiter, was »vorgeben« und »geben«überhaupt heißen (im Sinne des radikalen phänomenologischenIdealismus), erst einmal die Sphäre studiert werden, inder anscheinend die Notwendigkeit einer ausdrücklichen methodischenGebung des Gegenstandsgebietes der Philosophiebegründet liegt.§ 7. Vorläufige Umgrenzung des Begriffes des Lebens an sichWas ist denn nun dieses >Leben an sich