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GESAMTAUSGABE GRUNDPROBLEME DER PHÄNOMENOLOGIE ...

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44 Bekundungsschichten des Lebensund mit anderen darüber sprechen, das drückt Ihnen das Semesteraus. Es selbst ist ja nicht mehr wirklich.Die Vorlesung bei Max Weber: es waren eine ganze Reihe;einmal kam er in diesem Anzug, dann in jenem; einmal spracher sehr lebhaft, dann weniger; einmal unverständlich, dannleichter einmal saßen Sie an diesem Platz, dann an jenem; einmalka~en Sie zu spät, das andere Mal mußten Sie früher weg;einmal war das Kolleg zum Brechen voll, dann wieder mäßigbesucht. »Die Vorlesung von Max Weber Sommersemester 1919in München« - die verschiedenartigsten Begebenheiten, indenen sich ausdrückt: »die Vorlesung«.Oder Sie wollen Kants »Kritik der reinen Vernunft« sich anschaffen,kommen zu einem, nehmen wir mal an, ganz vorzüglichenBuchhändler. Er legt Ihnen vor: den Band aus der Ausgabeder Berliner Akademie, den aus der von Cassirer, dann dieHartensteinsche Ausgabe, die von der grünen PhilosophischenBibliothek, die Erdmannsche, die Reclam-Ausgabe oder gareine Erstausgabe von 1781: jede verschieden nach Format, Umfang,Papier, Satzbild, Lettern; immer dasselbe, die »Kritik derreinen Vernunft«. Dasselbe ist eben dabei das, was drinnensteht. Das ist verständlich.Angenommen, Sie haben das Exemplar gekauft im 2. Semester.Sie setzen sich nun eifrig dahinter. Nach ein paar Wochenerlahmt das Interesse. Sie werden einmal gefragt, was da drinsteht, und sagen so, wie Sie's auffassen. Nach zehnsemestrigemStudium der Philosophie werden Sie wieder gefragt, was drinsteht. Was Sie sagen, wird ein anderes Bild geben; der Inhaltwird sich in neuen, vielleicht besseren Gestalten bekunden.Sie kommen mit einem bedeutenden Philosophen ins Gespräch,der sich über die »Kritik« äußert und merken: der faßt mancheswieder anders auf; was darin steht, stellt sich anders dar.Was in den verschiedensten Ausgaben drin steht oder wasin einer mit der Schreibmaschine hergestellten Abschrift drinsteht, ist einmal ein einheitliches, verständlich Gemeintes, dannwieder ist das Gemeinte wieder so aufgefaßt, dann so; es drückt§ 10. Selbstwelt, Mitwelt, Umwelt 45sich in verschiedener Weise aus, stellt sich dar. In einer Mannigfaltigkeitvon Begebenheiten bekundet sich die VorlesungMax Webers, »Kants Kritik der reinen Vernunft«, das MünchnerSemester. Alles, dem wir im lebendigen Leben begegneten, bekundetsich in einem Zusammenhang von Begebenheiten. DieTendenzen und Tendenzerfüllungen drücken sich immer irgendwieaus. Dabei interessiert uns nicht oder meist nicht, wiesich alles und jedes gerade darstellt [oder wenn, dann nur in derselbstgenügsamen Weise des Lebens an sich].Umspringen des Bekundungszentrum~, Schichtwechsel- eigenartigePhänomene. Auch wenn ich auf das eingestellt bin, worinsich mir in der betreffenden Situation etwas bekundet, zeigtsich, wie dieses Darstellende selbst nur wieder in Bekundungensich gibt. Auf den Einband selbst eingestellt, sehe ich ihn in verschiedenenBeleuchtungen, von verschiedenen Seiten, in verschiedenenStimmungen, und das gilt wieder von den einzelnenFärbungen, Verzierungen und Aufdrucken.Auch die Mitwelt gibt sich in der Weise, daß die betreffendenMenschen mit mir zusammenleben, insofern sie sich in einzelnenHandlungen, in ihrem Verhalten, Art des Redens, des Schweigens,Kleidung, Launen, Geschmack sich mir darstellen. Sie bekundenihr Selbst in solchen Erscheinungen - Bekundungsgestalten,die bei näherer Betrachtung selbst wieder sich in irgendeinerWeise ausdrücken. Das gilt nicht nur von den einzelnenMenschen, sondern von Gruppen solcher als Gruppen: eine Familiegibt sich durch bestimmte Bräuche, durch das gegenseitigeVerhalten der Glieder zueinander, vielleicht sogar gerade durchdie Gegensätzlichkeit der Grundanschauungen von Eltern undKindern, durch deren verschiedene Interessen innerhalb der Familiengemeinschaftselbst; dasselbe von Clubs, Vereinen, wissenschaftlichenGesellschaften bis zu den großen sozialen Verbänden(vgl. religiöse Gemeinschaften und Sekten).Die Umwelt, Mitwelt begegnet in solchen Bekundungen. Aberauch die Selbstwelt steht und lebt so in meinem Selbstleben.Das Gestern, Vorgestern, der letzte Sonntag, die letzten Ferien,

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