Nachhaltigkeits-Marketing in Theorie und Praxis - TUM
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22 Frank-Mart<strong>in</strong> Belz<br />
kömmlichen Produktes, wird er ersteres bevorzugen. Vor dem H<strong>in</strong>tergr<strong>und</strong> e<strong>in</strong>er solchen<br />
Nutzen-Kosten-Abwägung kann man gr<strong>und</strong>sätzlich drei verschiedene Gruppen<br />
von Verbrauchern unterscheiden: sozial-ökologisch Aktive, Aktivierbare <strong>und</strong> Passive<br />
(Belz 2001, S. 79). Die erste Gruppe ist <strong>in</strong> hohem Maß für sozial-ökologische Anliegen<br />
sensibilisiert <strong>und</strong> gut darüber <strong>in</strong>formiert. Für sie stiften sozial-ökologische Produkteigenschaften<br />
e<strong>in</strong>en hohen Selbst- <strong>und</strong> Fremdachtungsnutzen. Daher s<strong>in</strong>d sie eher<br />
bereit, Abstriche beim Gebrauchsnutzen zu machen <strong>und</strong> gegebenenfalls höhere Kosten<br />
<strong>in</strong> Kauf zu nehmen. Die zweite Gruppe schätzt ebenfalls sozial-ökologische Produkteigenschaften<br />
<strong>und</strong> sieht dar<strong>in</strong> e<strong>in</strong>en gewissen Selbst- <strong>und</strong> Fremdachtungsnutzen, ist<br />
aber nicht ohne weiteres bereit, Nutzene<strong>in</strong>bußen oder Kostenerhöhungen dafür zu<br />
nehmen. Nachhaltige Produkte unter Vernachlässigung herkömmlicher Qualitätsmerkmale<br />
kommen für diese Zielgruppe nur sehr bed<strong>in</strong>gt <strong>in</strong> Frage. Die dritte Gruppe<br />
sieht ke<strong>in</strong>en Mehrwert <strong>in</strong> sozial-ökologischen Produkteigenschaften <strong>und</strong> ist <strong>in</strong> der Regel<br />
weder zu Nutzene<strong>in</strong>bußen noch zu Kostenerhöhungen bereit.<br />
Das immanente Spannungsfeld des <strong>Nachhaltigkeits</strong>-<strong>Market<strong>in</strong>g</strong> von sozial-ökologischen<br />
Problemlagen <strong>und</strong> K<strong>und</strong>enbedürfnissen ist nicht statisch, sondern dynamisch. So kann<br />
sich die E<strong>in</strong>schätzung der sozialen <strong>und</strong> ökologischen Probleme im Laufe der Zeit<br />
gr<strong>und</strong>legend ändern. Sie hängt von mehreren Faktoren wie dem naturwissenschaftlichen<br />
Erkenntnisstand (Spiller 1996, S. 389-412), der öffentlichen <strong>und</strong> politischen<br />
Wahrnehmung sowie technologischen Innovationen ab (Ottman 1998, S. 89-93). Aber<br />
auch die K<strong>und</strong>enbedürfnisse ändern sich im Laufe der Zeit. So hat bspw. der Trend<br />
zum Hedonismus weit reichende Konsequenzen für die Vermarktung von sozialökologischen<br />
Produkten. Anstatt allgeme<strong>in</strong> auf sozial-ökologische Probleme abzuheben,<br />
ist es wichtig, <strong>in</strong>dividuelle Nutzen- <strong>und</strong> Kostenvorteile herauszustellen, die mit<br />
derartigen Produkten e<strong>in</strong>hergehen (Beiträge Schrader <strong>und</strong> Belz/Ditze). Das zentrale<br />
Ziel der ersten beiden Schritte ist die Identifikation der Schnittmenge zwischen sozialökologischen<br />
Problemlagen <strong>und</strong> K<strong>und</strong>enbedürfnissen. Diese Schnittmenge ist nicht<br />
statisch <strong>und</strong> objektiv gegeben, sondern sie ist vielmehr dynamisch <strong>und</strong> wird von Entscheidungsträgern<br />
<strong>in</strong> Unternehmen konstruiert <strong>und</strong> teilweise sehr unterschiedlich<br />
wahrgenommen. So kann es vorkommen, dass der Umwelt- <strong>und</strong> <strong>Nachhaltigkeits</strong>beauftragte<br />
<strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Unternehmen große Chance zur Profilierung im Markt sieht, während<br />
Produkt- oder <strong>Market<strong>in</strong>g</strong>manager dah<strong>in</strong>gehend sehr skeptisch s<strong>in</strong>d. E<strong>in</strong>e Analyse der<br />
beiden Pole <strong>und</strong> E<strong>in</strong>schätzung der Lage kann ergeben, dass die Schnittmenge recht<br />
groß ist <strong>und</strong> erhebliche Gestaltungsspielräume für das <strong>Nachhaltigkeits</strong>-<strong>Market<strong>in</strong>g</strong> von<br />
Unternehmen bestehen. Dies ist bspw. im schweizerischen Lebensmittelhandel der<br />
Fall, <strong>in</strong> dem sozial-ökologische Aspekte e<strong>in</strong>e große Rolle im Wettbewerb spielen <strong>und</strong>