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Schlussbericht (Drs. 16/17740) - Bayerischer Landtag

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Drucksache <strong>16</strong>/<strong>17740</strong> <strong>Bayerischer</strong> <strong>Landtag</strong> • <strong>16</strong>. Wahlperiode Seite 105<br />

gäbe, sondern dass die Fälle in den Ländern bleiben und<br />

eine Führungsgruppe eingerichtet werde, deren Vorsitz Herr<br />

Geier übernehmen sollte. 559<br />

Der Zeuge Geier sagte aus, dass die Einrichtung einer bundesweiten<br />

Steuerungsgruppe am Rande einer IMK in Bayern<br />

auf der Zugspitze Anfang Mai 2006 auf der Ebene der Abteilungsleiter<br />

Polizei, der Innenministerien der beteiligten<br />

Bundesländer und des Bundesministeriums des Inneren<br />

beschlossen worden sei. Bei dieser auf AK-II-Ebene stattfindenden<br />

Besprechung sei entschieden worden, dass nicht<br />

das BKA mit der zentralen Ermittlungsführung beauftragt<br />

werde, sondern dass zwischen den beteiligten Bundesländern<br />

und dem BKA eine Steuerungs- und Koordinierungsgruppe,<br />

bestehend aus den jeweiligen Leitern der einzelnen<br />

SoKos der Bundesländer und dem BKA, unter dem Leiter<br />

der BAO Bosporus einzurichten sei. Alle beteiligten Bundesländer<br />

blieben für ihre jeweiligen Fälle verantwortlich. In<br />

der Steuerungsgruppe sei eine einheitliche fachliche Abstimmung<br />

herzustellen. 560<br />

B.4.10. Aufgrund welcher Umstände ist das Polizeipräsidium<br />

München in der ersten Operativen Fallanalyse<br />

(OFA) vom August 2005 zu der Annahme gelangt, dass<br />

eine kriminelle Organisation Urheberin der Mordanschläge<br />

sein könnte?<br />

Der Zeuge Horn, der als verantwortlicher Fallanalytiker<br />

bereits an der Erstellung der ersten Fallanalyse mitgewirkt<br />

hat, gab an, dass in der Analyse die Frage der sog. Ansprachen<br />

ein sehr wichtiger Punkt gewesen sei. Es habe im<br />

Vorfeld der Tötungsdelikte nach Zeugenaussagen bei allen<br />

Fällen seltsame Kontaktaufnahmen im Zusammenhang mit<br />

den späteren Tatopfern gegeben, die als Streitgespräche,<br />

Auseinandersetzungen gewertet worden seien. 561 Ermittlungsempfehlung<br />

im Zusammenhang mit dieser ersten Fallanalyse<br />

sei daher gewesen, den Versuch zu unternehmen,<br />

genau diese Ansprachen zu verifizieren, ob diese „Ansprachen“<br />

identifiziert werden könnten, denn das hätte ein Hinweis<br />

darauf sein können, dass es evtl. tatsächlich im Vorfeld<br />

Auseinandersetzungen oder Ähnliches gab, was den Verdacht<br />

erhärten könnte, dass es sich in irgendeiner Art und<br />

Weise um Delikte im Zusammenhang mit der Organisierten<br />

Kriminalität handeln könnte. Es sollte aufgeklärt werden,<br />

ob diese Delikte etwas mit Organisierter Kriminalität zu<br />

tun haben oder nicht. 562 Bezüglich des Opferhintergrundes<br />

habe es zwar keine Anzeichen für Organisierte Kriminalität<br />

gegeben. Aber es sei auch nicht so gewesen, dass es keine<br />

Konfliktfelder gegeben hätte, die es zu beleuchten gegolten<br />

habe. 563<br />

Der Zeuge Wilfling gab an, er habe diese Art der eiskalten,<br />

gezielten Tötung eigentlich nur im Bereich OK erlebt.<br />

Der Rechtsradikalismus habe nur diese primitive Art, diese<br />

offene Art, diese offene Gewalt: also jemanden tottreten, totschlagen<br />

zum Beispiel – ganz selten mit Schusswaffen. 564<br />

Der Zeuge LINDER gab an, man sei von einem professionellen<br />

Killer ausgegangen, weil die Taten am helllichten<br />

Tag und an Orten, wo jederzeit Zeugen hätten hinzukommen<br />

können, begangen worden seien. 565 Außerdem seien an den<br />

Tatorten keine Hülsen gefunden worden. Hülsen seien individualmerkmalsbehaftet<br />

und könnten zur Waffe und damit<br />

zum Täter führen. Es sei sehr unwahrscheinlich, dass sich<br />

der Täter nach der Tat die Zeit genommen habe, die Hülsen<br />

einzusammeln. Wenn die Hülsen nicht ausgeworfen werden,<br />

dann müsse der Täter entsprechende Vorkehrungen getroffen<br />

haben, damit sie eben gar nicht erst herausfielen, wie z.B.<br />

das Umwickeln der Waffe mit einer Plastiktüte. Das diene<br />

einerseits zur Tarnung gegenüber dem Opfer wie auch gegenüber<br />

möglichen Zeugen und verhindere andererseits,<br />

dass die Hülsen am Tatort zurückblieben. 566<br />

B.4.10.1. Hat die BAO „Bosporus“ die Annahmen der<br />

OFA geteilt und welche Konsequenzen sind hieraus für<br />

die weiteren Ermittlungen gezogen worden?<br />

Zu der Frage, ob die BAO die Annahme der OFA geteilt hat,<br />

liegen dem Untersuchungsausschuss keine Erkenntnisse vor.<br />

Für die weiteren Ermittlungen wurde als Konsequenz der<br />

OFA gezogen, dass weiterhin in die Richtung Organisierte<br />

Kriminalität intensiv ermittelt wurde.<br />

Der Zeuge Mähler gab an, die erste Fallanalyse habe zum<br />

01.07.2005 vorgelegen mit dem Ergebnis, dass der mögliche<br />

Tathintergrund im Bereich der Organisierten Kriminalität zu<br />

suchen sei. Daraufhin seien bis Ende des Jahres 2005 die<br />

Ermittlungen ausschließlich in diesem Bereich geführt und<br />

die ganzen Spurenkomplexe peu à peu abgearbeitet worden,<br />

ohne dass es zu den gewünschten Ergebnissen, Aufschlüssen<br />

und insbesondere nicht zur Klärung der Tötungsdelikte geführt<br />

hätte. Um die Jahreswende 2005/2006 sei die BAO<br />

Bosporus daher zu dem Ergebnis gekommen, dass etwas<br />

anderes denkbar sein müsste als der bisher verfolgte Ermittlungsansatz.<br />

Daraufhin sei der Auftrag an Herrn Horn, den<br />

Leiter der OFA Bayern erteilt worden, eine Alternativhypothese<br />

zu erarbeiten. 567<br />

Der Zeuge Horn gab an, dass es bei den Ermittlungen im<br />

Nachgang der ersten Fallanalyse nicht gelungen sei, die „Ansprecher“<br />

in irgendeiner Weise zu verifizieren. 568 Diese Ermittlungen,<br />

ob Kontaktaufnahmen im Vorfeld denn tatsächlich<br />

stattgefunden haben, seien mit großen Anstrengungen<br />

unternommen worden. 569<br />

Der Zeuge Dr. Kimmel gab bei seiner Vernehmung im<br />

Bundestag an, dass, obwohl in der ersten Analyse im Wesentlichen<br />

die Organisationstheorie bestätigt worden sei, die<br />

559 Mähler, 06.03.2013, S. 45.<br />

560 Geier, 20.02.2013, S. 11.<br />

561 Horn, 06.03.2013, S. 64.<br />

562 Horn, 06.03.2013, S. 65.<br />

563 Horn, 06.03.2013, S. 72.<br />

564 Wilfling, 19.02.2013, S. 60.<br />

565 Linder, 14.05.2013, S. 73.<br />

566 Linder, 14.05.2013, S. 83.<br />

567 Mähler, 06.03.2013, S. 15.<br />

568 Horn, 06.03.2013, S. 66.<br />

569 Horn, 06.03.2013, S. 72.

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