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Schlussbericht (Drs. 16/17740) - Bayerischer Landtag

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Drucksache <strong>16</strong>/<strong>17740</strong> <strong>Bayerischer</strong> <strong>Landtag</strong> • <strong>16</strong>. Wahlperiode Seite 33<br />

einer, der die militanten Strukturen in den Neunzigerjahren<br />

aufgebaut habe. Es sei einer, der überall seine Finger drin<br />

gehabt und Einfluss gehabt habe, der auch ernst genommen<br />

worden sei.<br />

Matthias Fischer sei für sie einer der wichtigsten aktuellen<br />

Neonazis.<br />

Das „Freie Netz Süd“ sei zurzeit wohl der wichtigste radikalmilitante<br />

Verbund von Kameradschaften, die sehr eng mit<br />

den Kameradschaften in Thüringen, vor allem in Jena und<br />

Kahla, aber auch mit den Neonazis in Sachsen zusammenarbeiten<br />

würden.<br />

Schon 1998 seien diese bayerischen Namen im eigenen,<br />

privaten Verzeichnis von Uwe Mundlos aufgetaucht. Das<br />

heiße, seit den 90er Jahren seien das seine Ansprechpartner,<br />

seine Telefonkontakte, sein Freundes- und Kameradenkreis<br />

gewesen.<br />

Wenn man sich mit den dreien als Kerntruppe beschäftige,<br />

müsse ein Aspekt beleuchtet werden, der zu ihrer Radikalisierung<br />

beigetragen habe – auch hier gebe es wieder Spuren<br />

nach Bayern –: die sogenannte „Gefangenenbetreuung“.<br />

Die Tochter von Heinrich Himmler, Gudrun Burwitz, die in<br />

München lebe, sei eine der Mitglieder der „Stillen Hilfe“ gewesen.<br />

Deren Aufgabe sei es gewesen, die hochbelasteten<br />

NS-Verbrecher nach Kriegsende bei der Stange zu halten<br />

sowie finanziell und ideologisch den Boden zu ebnen für<br />

eine neue nationalsozialistische Jugendszene.<br />

Uwe Mundlos und vor allem Beate Zschäpe seien zusammen<br />

in Gefängnisse gefahren. Sie hätten gefangene Neonazis –<br />

„politische Gefangene“, wie sie das gesehen hätten – besucht,<br />

hätten ihnen geschrieben, sie ideologisch bei der<br />

Stange gehalten. Darin hätten sie ihre Aufgabe gesehen.<br />

Die HNG (Hilfsorganisation für nationale Gefangene) sei<br />

in diesem Zusammenhang besonders wichtig. Sie sei maßgeblich<br />

von Frauen geführt worden und hätte ihren Schwerpunkt<br />

in Mainz-Gonsenheim bei Ursula Müller gehabt. Zwei<br />

der Zöglinge von Ursula Müller – Chefin der HNG bis zum<br />

Verbot der Organisation – seien Kai Dalek und vor allem<br />

Norman Kempken von der späteren „Fränkischen Aktionsfront“<br />

gewesen.<br />

Diese Neonazis aus Franken hätten tatsächlich eine ähnliche<br />

Entwicklung genommen und sich an ähnlichen Idealen orientiert.<br />

Übrigens sei mit Silvia Endres, einer Frau aus Nürnberg, die<br />

dort die HNG vertreten habe, die HNG in Bayern innerhalb<br />

der Neonaziszene repräsentiert worden. Markant sei, dass<br />

später, als der NSU bzw. diese Zelle schon in Zwickau im<br />

„Untergrund“ gewesen sei, das vierzigzeilige Bekennerschreiben<br />

ausgerechnet an die HNG geschickt worden sei.<br />

Das heiße, der NSU habe der „Hilfsorganisation für nationale<br />

Gefangene“ mitgeteilt, dass er existiere. In dem vierzigzeiligen<br />

Schreiben hätten die NSU-Mitglieder Anerkennung<br />

für ihren Kampf gefordert.<br />

„Der Weiße Wolf“, eine Alternative zur HNG, sei eine<br />

Knastzeitung gewesen, übrigens mit Postfach in Kronach,<br />

also auch wieder in Bayern. „Der Weiße Wolf“ sei – das sei<br />

mittlerweile genauer recherchiert und belegt – ab 2002 von<br />

dem NSU mit Schreiben und mit einer Geldspende bedacht<br />

worden. In einer der Ausgaben des „Weißen Wolfes“ habe<br />

gestanden: „Danke an den NSU – der Kampf geht weiter!“<br />

Interessant sei auch hier wieder, dass Kai Dalek, der V-Mann<br />

des Bayerischen Landesamtes für Verfassungsschutz, zu<br />

diesem Umfeld gezählt werde. Silvia Endres, die HNG-<br />

Aktivistin aus Nürnberg, habe Maik Fischer, den Chef des<br />

„Weißen Wolfes“, geheiratet. Man sehe: eine Knastzeitung<br />

mit enger Verbindung nach Bayern.<br />

An aktuellen Entwicklungen seien vor allem die Aktivitäten<br />

des „Freundeskreises Gefangenenhilfe“ zu nennen. Nach<br />

dem Verbot der HNG habe die Szene sich neu organisieren<br />

müssen. Der „Freundeskreis Gefangenenhilfe“ werde von<br />

Skandinavien aus organisiert. Aber dahinter stecke wieder<br />

ein Bayer, Oliver-Gerd Raninger, der zurzeit in Niedersachsen<br />

leben würde. Er sei 2006 in das Visier der BAO<br />

„Bosporus“ geraten. Heute rufe er bei Facebook seine Sympathisanten<br />

ganz offen dazu auf, seine Aktion „Freiheit für<br />

Wolle“ zu unterstützen. „Wolle“ sei in der Szene der Codename<br />

für Wohlleben, der sehr beliebt in der Neonaziszene<br />

bundesweit sei.<br />

Dass es ein direktes Helfernetzwerk gebe, sei nachgewiesen.<br />

Das könne man mittlerweile so sagen. Nach der Flucht 1998<br />

seien sie nach Chemnitz gefahren. Zu den ersten Helfern,<br />

die ihnen eine Wohnung beschafft hätten, habe Thomas<br />

Rother, genannt „Dackel“, gehört. Das sei ein Anwärter von<br />

„Blood & Honour“. „Blood & Honour“ – „Blut & Ehre“,<br />

„B & H“ – sei eine in der Bundesrepublik seit 2000 verbotene<br />

Terrororganisation, auf deren Kosten Nagelbombenanschläge<br />

– auch Anschläge in Skandinavien und Großbritannien<br />

– gehen würden. Das „Blood-&-Honour“-Netzwerk<br />

sei sehr stark im Raum Chemnitz vertreten. Uwe Mundlos<br />

habe die meisten führenden Leute des „Blood-&-Honour“-<br />

Netzwerkes schon in seinem Telefonbuch aufgeführt gehabt.<br />

Siehe Protokollauszug. Sie seien erst zu Thomas Starke, dem<br />

Chef von „Blood & Honour“ Chemnitz, gefahren. Thomas<br />

Starke habe ihnen dann gesagt – das sei mittlerweile von den<br />

Ermittlungsbehörden dokumentiert –: „Das ist zu heikel bei<br />

mir“, und habe sie bei seinem Kameraden „Dackel“ untergebracht.<br />

Sie seien drei Wochen in der Wohnung des „Blood-&-<br />

Honour“-Aktivisten geblieben. Danach habe Mandy Struck,<br />

eine weitere „Blood-&-Honour“-nahe Aktivistin, sie in der<br />

Wohnung ihres Freundes untergebracht. Diese Fluchthilfe,<br />

die damals stattgefunden habe, auch die konspirative Wohnungsbeschaffung,<br />

sei direkt vernetzt mit „Blood & Honour“<br />

Chemnitz.<br />

Die Sachverständige Röpke sei ein bisschen erschüttert, dass<br />

„Blood & Honour“ in den Verfassungsschutzberichten der<br />

Länder kaum Erwähnung gefunden habe. 2000 sei „Blood &<br />

Honour“ verboten worden.

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