Schlussbericht (Drs. 16/17740) - Bayerischer Landtag
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Drucksache <strong>16</strong>/<strong>17740</strong> <strong>Bayerischer</strong> <strong>Landtag</strong> • <strong>16</strong>. Wahlperiode Seite 79<br />
A.2.9. Welche Kenntnisse hatten bayerische Sicherheitsbehörden<br />
über den Hintergrund und die Erkenntnisse<br />
der Operation „Rennsteig“, die zu Verbindungen von<br />
Rechtsextremisten zwischen Thüringen, Bayern und Soldaten<br />
einer bayerischen Kaserne durchgeführt wurde<br />
und bei der MAD eingebunden war?<br />
Die Operation „Rennsteig“ sei, nach Aussage des ehem.<br />
Präsidenten des Bundesamtes für Verfassungsschutz, Heinz<br />
Fromm, im Bundestagsuntersuchungsausschuss „Terrorgruppe<br />
Nationalsozialistischer Untergrund“, ein gemeinsames<br />
Unternehmen des LfV Thüringen, des MAD und<br />
des Bundesamts für Verfassungsschutz gewesen. Sie habe<br />
im Jahr 1996 begonnen und bis zum Jahr 2003 angedauert.<br />
Ziel dieses Vorhabens sei es gewesen, die Informationslage<br />
hinsichtlich der zum damaligen Zeitpunkt besonders aktiven<br />
Thüringer Neonaziszene bei den Verfassungsschutzbehörden<br />
zu verbessern. 325 Auch die NPD und deren Jugendorganisation<br />
„JN“ waren Zielobjekt des Vorhabens. 326<br />
Im Untersuchungsausschuss des Bundestages erläuterte<br />
der Zeuge Cremer, ehemaliger Leiter der Abteilung<br />
Rechtsextremismus im Bundesamt für Verfassungsschutz,<br />
bei der Operation „Rennsteig“ habe man V-Personen im<br />
„Thüringer Heimatschutz“ werben wollen. Die „Thüringer<br />
Heimatschutz“-Sektion Jena, zu der auch das spätere NSU-<br />
Trio gehörte, sei vom Thüringer Landesamt für Verfassungsschutz<br />
operativ bearbeitet worden. 327<br />
Das BayLfV hat zumindest an zwei Beratungen zu der Operation<br />
„Rennsteig“ teilgenommen.<br />
• Am 17.10.1996 fand eine Besprechung zwischen dem<br />
BayLfV, dem MAD und dem Bundesamt für Verfassungsschutz<br />
in Nürnberg statt 328 . Aus dem Besprechungsvermerk<br />
geht hervor, dass der Vertreter des BayLfV die<br />
Aktivitäten eines V-Manns in Coburg als Provokation bewertete,<br />
„da in dessen Schlepptau viele Rechtsextremisten<br />
von Thüringen nach Bayern mitlaufen“. 329 Hierbei handelte<br />
es sich um das Verhalten des Tino Brandt, der damals<br />
für das Thüringische Landesamt für Verfassungsschutz als<br />
V-Mann arbeitete und in Nordbayern den Fränkischen<br />
Heimatschutz als Ableger des von ihm geführten Thüringischen<br />
Heimatschutzes etablieren wollte. 330<br />
• Am 20.03.1997 hat eine Besprechung zwischen dem<br />
Bundesamt für Verfassungsschutz, dem MAD, dem Bayerischen<br />
Landesamt für Verfassungsschutz und dem Thüringer<br />
Landesamt für Verfassungsschutz in München stattgefunden.<br />
331 In der Anlage zu dem Besprechungsvermerk<br />
des Termins findet sich eine mit „OPERATION RENN-<br />
STEIG“ überschriebene Liste mit – mutmaßlich als denk-<br />
325 Akte Nr. 68, ZV Fromm, 24. Sitzung des 2. UA der 17. Wahlperiode<br />
im Deutscher Bundestag, 5. Juli 2012, S. 6.<br />
326 Akte Nr. 346, S. 207/1 (VS-NfD).<br />
327 Akte Nr. 68, ZV Cremer, 24. Sitzung des 2. UA der 17. Wahlperiode<br />
im Deutscher Bundestag, 5. Juli 2012, S. 65.<br />
328 Akte Nr. 346, S. 207.1 f. (VS-NfD), Akte Nr. 21, S. 1 f. (VS-V).<br />
329 Akte Nr. 21, S. 1 f. (VS-V).<br />
330 Forster, 09.10.2012, S. 25; Hegler, 23.10.2012, S. 46.<br />
331 Akte Nr. 346, S. 207.1 f. (VS-NfD).<br />
bare Zielpersonen 332 – 73 Personen. Darunter auch Uwe<br />
Mundlos und Uwe Böhnhardt. 333 Ferner sind auf dieser<br />
Liste auch Personen genannt, die damals in Bayern gewohnt<br />
hatten. 334<br />
Der Zeuge FORSTER berichtete, dass er in die „Operation<br />
Rennsteig“ persönlich eingeschaltet gewesen sei und sich<br />
oft über Quellen mit anderen Kollegen von anderen Landesämtern<br />
ausgetauscht habe. Er erklärte, dass damals an<br />
das BayLfV das Ansinnen herangetragen worden sei, im<br />
Rahmen der „Operation Rennsteig“ V-Leute im Fränkischen<br />
Heimatschutz zu werben. Der Fränkische Heimatschutz und<br />
der Thüringische Heimatschutz seien im Grunde ein und<br />
dieselbe Organisation gewesen, da der Fränkische Heimatschutz<br />
in Anlehnung an den Thüringischen Heimatschutz<br />
gegründet worden sei. Nach Aussage des Zeugen habe sich<br />
das Landesamt für Verfassungsschutz an dieser Operation<br />
nicht beteiligt. Das Interesse des Landesamts für Verfassungsschutz<br />
habe bei der Einstellung aller Aktivitäten Thüringer<br />
Neonazis, angetrieben durch Tino Brandt, in Bayern<br />
gelegen. Die Vorgänge um den Fränkischen Heimatschutz<br />
seien von bayerischer Seite als thüringisches Problem bewertet<br />
worden. Entgegen der sonstigen Gepflogenheiten<br />
habe das Landesamt für Verfassungsschutz dem Bundesamt<br />
für Verfassungsschutz mehrfach sein Benehmen gemäß § 9<br />
der Koordinierungsrichtlinie (Richtlinie für die Zusammenarbeit<br />
mit dem Bundesamt für Verfassungsschutz und den<br />
Landesbehörden für Verfassungsschutz) erteilt, wenn dieses<br />
in Bayern, im Rahmen dieser Operation „Rennsteig“, Anwerbeversuche<br />
unternommen hat. Das Bundesamt für Verfassungsschutz<br />
sei durch die Benehmensherstellung in der<br />
Lage gewesen, Quellen, die sich z. B. in bayerischen Kasernen<br />
aufgehalten hatten oder die den Nebenwohnsitz in<br />
Bayern gehabt hatten, anzuwerben. Dem Zeugen ist nicht<br />
mehr erinnerlich, ob die Werbungen des Bundesamts für<br />
Verfassungsschutz erfolgreich waren. 335<br />
Dem Untersuchungsausschuss liegen Unterlagen zu Benehmensherstellungen<br />
anlässlich solcher Werbeversuche vor. Es<br />
sind Benehmensherstellungen erfolgt. Die Akten sind hinsichtlich<br />
der Namen der Zielpersonen von Werbeansprachen<br />
geschwärzt vorgelegt worden. 336<br />
Auf Nachfrage erklärt der Zeuge HEGLER, dass ihm nicht<br />
bekannt sei, ob sich unter den damals befragten Personen<br />
auch in Bayern stationierte Soldaten befinden. Über die Benehmensherstellungen<br />
hinaus sei kein weiterer Austausch<br />
zwischen dem Bayerischen Landesamt für Verfassungsschutz<br />
und anderen Verfassungsschutzbehörden über Inhalt<br />
und Ergebnisse der „Operation Rennsteig“ erfolgt. Zu den<br />
Nachfolgeoperationen der „Operation Rennsteig“, namentlich<br />
den Operationen „Saphira“ und „Treibgut“, lägen nach<br />
Wissen des Zeugen beim Bayerischen Landesamt für Verfassungsschutz<br />
keine Erkenntnisse vor. 337<br />
332 Akte Nr. 346, S. 207.2 f. (VS-NfD).<br />
333 Akte Nr. 346, S. 207.1 f. (VS-NfD).<br />
334 Hegler, 23.10.2012, S. 44.<br />
335 Forster, 09.10.2012, S. 32 ff.<br />
336 Akte Nr. 100 (VS-Geheim).<br />
337 Hegler, 23.10.2012, S. 66 f.