Schlussbericht (Drs. 16/17740) - Bayerischer Landtag
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Drucksache <strong>16</strong>/<strong>17740</strong> <strong>Bayerischer</strong> <strong>Landtag</strong> • <strong>16</strong>. Wahlperiode Seite 133<br />
fassungsschutz vorhandenen Informationen zum „Werwolfkonzept“<br />
oder zum „führerlosen Widerstand“ wurden nicht<br />
mit der Mordserie in Verbindung gebracht. Eine wissenschaftliche<br />
Diskussion entsprechender analytischer Ansätze<br />
hätte – eine entsprechende Information aus anderen Bundesländern<br />
vorausgesetzt – möglicherweise zu einem neuen Ermittlungsansatz<br />
für die Polizei führen können.<br />
Der Untersuchungsausschuss hält es für sinnvoll, die wissenschaftliche<br />
Durchdringung des Phänomens Rechtsextremismus<br />
zu verstärken und die Analysefähigkeiten des<br />
Verfassungsschutzes zu verbessern, die dann auch stärker<br />
mit der Auswertung verknüpft werden muss. Kritisch ist in<br />
diesem Zusammenhang auch zu sehen, dass Ausführungen<br />
zu den Gefahren, die von Organisationen wie „Blood &<br />
Honour“ ausgingen, erstmals überhaupt im Verfassungsschutzbericht<br />
des Jahres 2000 enthalten waren und dort auch<br />
Ausführungen zu deren terroristischen Strategien fehlten,<br />
obwohl diese Organisationen damals schon länger auch in<br />
Bayern aktiv waren.<br />
2.1.1.2. Organisation<br />
2.1.1.2.1 Organisation<br />
Im Landesamt für Verfassungsschutz gab es im Untersuchungszeitraum<br />
mehrere organisatorische Änderungen.<br />
Der Untersuchungsausschuss hält die bis Mitte der 90er-<br />
Jahre vorhandene Arbeitsaufteilung bzw. Zersplitterung<br />
der jeweiligen Aufgabengebiete innerhalb des Bayerischen<br />
Verfassungsschutzes für ineffektiv. So waren bis 1995 die<br />
Bereiche „Informationsbeschaffung“ und „Informationsauswertung“<br />
getrennt, was sich im Nachhinein für die Koordinierung<br />
der Arbeitstätigkeiten als unpassend erwies. Diese<br />
Mängel wurden 1995 erkannt und die Organisationsstruktur<br />
entsprechend angepasst.<br />
Seit 01.04.1995 gab es eine eigene Abteilung Rechtsextremismus,<br />
in der Informationsbeschaffung und Informationsauswertung<br />
zusammen gefasst waren.<br />
Ab 01.08.1998 wurden nach den dem Untersuchungsausschuss<br />
vorliegenden Organigrammen des Landesamtes für<br />
Verfassungsschutz die Abteilungen Linksextremismus und<br />
Rechtsextremismus in einer Abteilung für Inlandsextremismus<br />
zusammengeführt. Zwei Sachgebiete beschäftigten<br />
sich ab dann mit dem Rechtsextremismus. Ein Sachgebiet<br />
war zuständig für den militanten Rechtsextremismus, Neonazismus<br />
und Skinheads, ein weiteres Sachgebiet für den<br />
organisierten Rechtsextremismus, Publizistik und Revisionismus.<br />
Diese Struktur wurde grundsätzlich bis 01.10.2011<br />
beibehalten. Anschließend sind die Sachgebiete organisierter<br />
und unorganisierter Rechtsextremismus zu einem einzigen<br />
Sachgebiet der Abteilung Inlandsextremismus zusammengefasst<br />
worden.<br />
Auch wenn dem Untersuchungsausschuss keine Erkenntnisse<br />
darüber vorliegen, dass durch die damalige Organisationsstruktur<br />
ein Informationsdefizit beim Landesamt für<br />
Verfassungsschutz entstanden ist, so erscheint es im Nachhi-<br />
nein aber fragwürdig, warum im Jahr 1998 die bis dahin getrennt<br />
bestehenden Abteilungen „Rechtsextremismus“ und<br />
„Linksextremismus“ in der Abteilung Inlandsextremismus<br />
zusammengelegt worden sind. Der Untersuchungsausschuss<br />
würde es wegen der vom Rechtsextremismus ausgehenden<br />
Gefährdung für sinnvoll halten, wieder eine eigene Abteilung<br />
für den Rechtsextremismus im Landesamt für Verfassungsschutz<br />
einzurichten. 819<br />
Die zum 15.03.2012 erfolgte Einrichtung eines eigenen<br />
Sachgebiets für den „Gewalttätigen Rechtsextremismus und<br />
– Terrorismus“, das den gewaltbereiten Rechtsextremismus<br />
personen- und fallorientiert beobachten soll, hält der Untersuchungsausschuss<br />
für sinnvoll.<br />
Exakte Angaben zur Personalausstattung im Bereich Rechtsextremismus<br />
sind nicht möglich, da die genaue Verteilung<br />
des Personals im Landesamt für Verfassungsschutz als Verschlusssache<br />
– vertraulich eingestuft ist und deshalb hier<br />
nicht veröffentlicht werden kann.<br />
Anhaltspunkte dafür, dass im Untersuchungszeitraum im<br />
Landesamt für Verfassungsschutz zu wenige Mitarbeiter im<br />
Bereich des Rechtsextremismus eingesetzt waren, haben<br />
sich nicht ergeben.<br />
Dem Untersuchungsausschuss liegen keine Erkenntnisse<br />
vor, ob und inwieweit der Verfassungsschutz über wissenschaftliches<br />
Personal zur Auswertung und Einschätzung der<br />
Phänomene des Rechtsextremismus verfügt. Die Defizite bei<br />
der Auswertung deuten aber darauf hin, dass es hier Nachbesserungsbedarf<br />
gibt.<br />
2.1.1.3. Quellenauswahl und -führung<br />
Bei der Auswahl und Führung der Quellen durch das Bayerische<br />
Landesamt für Verfassungsschutz haben sich im<br />
Untersuchungszeitraum verschiedene Kritikpunkte ergeben.<br />
Der Untersuchungsausschuss hat – soweit eine Überprüfung<br />
möglich war – keine Erkenntnisse darüber erlangen können,<br />
dass Quellen des Landesamts für Verfassungsschutz, insbesondere<br />
V-Leute, von den Mordtaten des NSU gewusst,<br />
diese sogar unterstützt und/oder das Landesamt für Verfassungsschutz<br />
informiert haben. Festgestellt worden ist aber,<br />
dass mindestens eine Quelle des Landesamts für Verfassungsschutz<br />
vor dem Untertauchen von Böhnhardt, Mundlos<br />
und Zschäpe diese zumindest aus der Szene gekannt hat. Bei<br />
einer weiteren Quelle liegen Indizien vor, die auf eine Bekanntschaft<br />
hinweisen. 820<br />
2.1.1.3.1 Rechtslage<br />
Die Auswahl und Führung von V-Leuten ist bislang nicht gesetzlich,<br />
sondern nur in Dienstvorschriften des Landesamts<br />
für Verfassungsschutz geregelt.<br />
819 vgl. Sachverhalt A.1.3.1.<br />
820 vgl. Sachverhalt A.1.4.1.