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Schlussbericht (Drs. 16/17740) - Bayerischer Landtag

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Seite 142 <strong>Bayerischer</strong> <strong>Landtag</strong> • <strong>16</strong>. Wahlperiode Drucksache <strong>16</strong>/<strong>17740</strong><br />

damals bei einer Arbeitsbesprechung beim Bundeskriminalamt<br />

zu der Bewertung, dass eine zentrale Ermittlungsführung<br />

durch das BKA nicht zwingend angezeigt sei. 840 Am<br />

01.07.2004 nahm das BKA deshalb lediglich ergänzende<br />

Strukturermittlungen unter dem Gesichtspunkt der Bildung<br />

einer kriminellen Vereinigung, § 129 StGB, durch die EG<br />

Ceska auf. Der Untersuchungsausschuss hat keine Hinweise<br />

darauf, dass das BKA eine vollständige Übernahme der Ermittlungen<br />

im Jahr 2004 abgelehnt hat. Eine formelle Ablehnung<br />

gab es mangels eines formellen Übernahmeersuchens<br />

an das Bundeskriminalamt nicht. Demgegenüber verfügt<br />

der Untersuchungsausschuss über tatsächliche Anhaltspunkte<br />

dafür, dass die ermittelnden Staatsanwaltschaften<br />

die Abgabe an das BKA im Jahr 2004 nicht gefördert haben:<br />

Dem Untersuchungsausschuss liegt ein Aktenvermerk zur<br />

Besprechung im BKA vom 20.04.2004 von Herrn KOR<br />

Schlüter vor, demzufolge keine Staatsanwaltschaft die Voraussetzung<br />

für eine Abgabe an das BKA schaffen wollte:<br />

„Nachdem sich somit keine Staatsanwaltschaft bereit erklärt,<br />

die für die Einschaltung des BKA erforderlichen Voraussetzungen<br />

zu schaffen, bleibt es beim status quo. Die<br />

Ermittlungen der KD Nürnberg zu den hiesigen Tötungsdelikten<br />

sind mit den vorhandenen Möglichkeiten quasi beendet.<br />

Nach meiner Meinung ist eine Einbindung des BKA<br />

– aufgrund der überörtlichen und internationalen Bezüge<br />

– der personellen und finanziellen Ressourcen des BKA<br />

– und der vorhandenen Ermittlungsinfrastruktur<br />

dringend notwendig und absolut zielführend. Zudem ist<br />

nach Meinung aller an der Besprechung in Wiesbaden teilnehmenden<br />

Beamten damit zu rechnen, dass die etwa 2 ½<br />

Jahre unterbrochene Serie von Tötungsdelikten fortgesetzt<br />

wird.“ 841<br />

Im Mai 2006, nach mittlerweile neun Morden, drängte<br />

das BKA mit Nachdruck auf die Zusammenführung der<br />

Ermittlungen. Die ausbleibenden Ermittlungserfolge der<br />

Landesbehörden führten zu dieser Neubewertung. Zu<br />

diesem Zeitpunkt waren mit der Mordserie fünf Staatsanwaltschaften<br />

und sechs Polizeibehörden befasst. Das BKA<br />

kritisierte u. a., dass die beteiligten Dienststellen kein einheitliches<br />

Ermittlungs- und Fahndungskonzept verfolgten<br />

und nicht sichergestellt sei, dass alle Informationen an einer<br />

Stelle zusammengeführt und zentral ausgewertet würden. 842<br />

Es regte beim BMI an, die Mordserie an das BKA zu übertragen,<br />

unabhängig vom Einvernehmen der betroffenen<br />

Länder.<br />

Am Rande der IMK in Garmisch-Partenkirchen am 04./05.<br />

Mai wurde entschieden, dass eine zentrale Ermittlungsführung<br />

durch das BKA nicht erfolgen sollte. Stattdessen wurde<br />

eine Steuerungsgruppe eingerichtet. Diese konstituierte sich<br />

erstmals am 07. 06. 2006.<br />

840 Akte 386, Bl. 14. (Vs-NfD)<br />

841 Akte Nr. 8/BY-2/3_Anlagen/1.Teillieferung, 1. Führungsakte Nr.06a<br />

der BAO Bosporus_Teilauszug, Seiten 34 f.<br />

842 Akte 386, Bl. 15.<br />

Der Untersuchungsausschuss kommt zu dem Ergebnis, dass<br />

die Anstrengungen zentrale polizeiliche Ermittlungen einzurichten,<br />

zu spät erfolgten. Auch aus einer ex-ante Perspektive<br />

der Ermittler wäre entweder eine zentrale Ermittlungsübernahme<br />

durch das BKA oder zumindest die Errichtung<br />

einer Steuerungsgruppe bereits im Jahr 2004 das richtige<br />

Mittel gewesen. Nur so hätte gewährleistet werden können,<br />

dass alle relevanten Informationen zentral gebündelt und bearbeitet<br />

werden, was einen Mehrwert für die kriminalistische<br />

Arbeit bedeutet hätte. Zumindest aber hätten die beteiligten<br />

Stellen in regelmäßigen Abständen überprüfen müssen, jedenfalls<br />

nach jedem neuen Mordfall der Serie, ob eine zentralisierte<br />

Ermittlungsleitung vielversprechendere Ergebnisse<br />

hätte liefern können. Es ist für den Untersuchungsausschuss<br />

nicht erklärlich, weshalb diese Fragestellung nur in den<br />

Jahren 2004 und 2006 diskutiert worden ist.<br />

Bei den Zeugen aus dem Bereich der bayerischen Polizei<br />

begegneten dem Untersuchungsausschuss teilweise Vorbehalte<br />

gegenüber der fachlichen Kompetenz des Bundeskriminalamts.<br />

Es kann daher nicht sicher festgestellt werden, dass<br />

es ausschließlich sachliche Gründe waren, die zu der Entscheidung<br />

geführt haben, das Verfahren nicht an das Bundeskriminalamt<br />

abzugeben. Ob nun diese Vorbehalte zutreffend<br />

sind oder nicht, vermag der Untersuchungsausschuss nicht<br />

zu beurteilen. Wenn solche Vorbehalte bestanden, hätten<br />

sie jedoch im Rahmen der Übernahmediskussion offen angesprochen<br />

werden müssen, was jedoch nach den Erkenntnissen<br />

des Untersuchungsausschusses nicht der Fall war.<br />

3.4. Verdeckte Ermittlungen<br />

Im Rahmen der verdeckten Ermittlungen der Polizei wurde<br />

massiv in die Persönlichkeitsrechte der Angehörigen der<br />

Opfer eingegriffen, indem man die Telefonanschlüsse der<br />

Angehörigen überwacht und eine verdeckte Observation,<br />

durch das Anbringen einer Wanze im Fahrzeug der Familie<br />

Simsek, durchgeführt hat. Es bestehen aus heutiger Sicht<br />

Zweifel, ob die Vielzahl und der Vollzug dieser Maßnahmen<br />

im familiären Umfeld der Opfer in manchen Fällen noch verhältnismäßig<br />

war.<br />

Es wurden weitere verdeckte Ermittlungen getätigt, die zwar<br />

Engagement und Phantasie der Ermittler zeigen, aber aus<br />

heutiger Sicht fraglich erscheinen.<br />

• Verdeckte Ermittler haben sich als Journalisten ausgegeben<br />

und freie Mitarbeiter geworben, um Informationen<br />

von diesen und über diese zu erhalten.<br />

• Verdeckte Ermittler haben als angebliche Privatdetektive<br />

Angehörige der Opfer besucht und auf diese Weise ausgehört.<br />

• In Nürnberg und München wurde jeweils ein „Dönerstand“<br />

von sonstigen Vertrauenspersonen betrieben, um<br />

eventuelle Schutzgelderpressungen zu provozieren.<br />

Durch letztere Maßnahmen wurden die Vertrauenspersonen<br />

einem enorm hohen Risiko ausgesetzt. Dieses Risiko bewegt

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