Schlussbericht (Drs. 16/17740) - Bayerischer Landtag
Schlussbericht (Drs. 16/17740) - Bayerischer Landtag
Schlussbericht (Drs. 16/17740) - Bayerischer Landtag
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
Seite 148 <strong>Bayerischer</strong> <strong>Landtag</strong> • <strong>16</strong>. Wahlperiode Drucksache <strong>16</strong>/<strong>17740</strong><br />
ist, begründet den tatbestandlich vorausgesetzten Zusammenhang<br />
der Straftat und gebietet die Führung einheitlicher<br />
Ermittlungen, wie die Staatsanwaltschaft Rostock zu Recht<br />
angenommen hat.<br />
Der Untersuchungsausschuss schließt sich in diesem Punkt<br />
vollumfänglich dem Votum der BLKR an. Für ein Sammelverfahren<br />
im Sinne von Nr. 25 RiStBV ist es gerade nicht<br />
erforderlich, dass die Taten vom selben Täter begangen<br />
werden. Bereits der Umstand, dass bei allen Morden dieselbe<br />
Tatwaffe verwendet worden ist, begründet einen klaren Tatzusammenhang<br />
und damit zwingend ein einheitliches Verfahren.<br />
3.10.2. Berichtspflicht<br />
Nach Ziffer 1 der Berichtspflicht in Strafsachen (BeStra), berichten<br />
die Staatsanwaltschaften dem Justizministerium u. a.<br />
über solche Verfahren, die wegen der Art oder des Umfangs<br />
der Beschuldigung oder aus anderen Gründen weitere Kreise<br />
beschäftigen oder voraussichtlich beschäftigen werden.<br />
Den ersten Bericht hat die Staatsanwaltschaft München I<br />
im September 2001, nach dem Mord an Habil Kilic, dem<br />
vierten Mord der Mordserie, über den Generalstaatsanwalt<br />
an das Justizministerium geleitet. Erst auf Anforderung des<br />
Justizministeriums berichtete daraufhin auch die Staatsanwaltschaft<br />
Nürnberg-Fürth über die beiden bereits zuvor in<br />
Nürnberg verübten Morde.<br />
Die Berichte liegen dem Untersuchungsausschuss vor, und<br />
sind allesamt als wenig aussagekräftig zu beurteilen. Nicht<br />
akzeptabel ist, dass die Berichte den Sachstand der Ermittlungen<br />
zum Teil unzutreffend wiedergegeben haben. Im 17.<br />
Sachstandsbericht der BAO Bosporus vom Oktober 2006,<br />
der ohne weitere Erläuterungen durch die Staatsanwaltschaft<br />
als Bericht an das STMJ weitergeleitet wurde, findet sich als<br />
in Bezug auf eine mögliche Verbindung zum Nagelbombenattentat<br />
in Köln folgende Ausführung:<br />
„Zwei Zeuginnen aus Nürnberg und Dortmund wurden die<br />
Aufnahmen aus Köln vorgelegt – mehr als eine Ähnlichkeit<br />
konnte jedoch nicht festgestellt werden.“ 860<br />
Im Protokoll der Zeugenvernehmung der Augenzeugin Beate<br />
Keller ist demgegenüber vermerkt:<br />
„Wenn ich die auf dem Video gezeigten Personen nun mit<br />
den beiden vergleiche, die ich im Mordfall des Ismail Yasar<br />
in der Scharrerstraße gesehen habe, kann ich dazu sagen,<br />
dass ich mir ziemlich sicher bin, dass jeweils eine Person aus<br />
dem Kölner Video mit einem von mir in der Scharrerstraße<br />
gesehenen Radfahrer identisch ist.“ 861<br />
Wie diese Abschwächung der Zeugenaussage Keller Einzug<br />
in den Bericht der Staatsanwaltschaft Nürnberg-Fürth finden<br />
konnte, konnte der zuständige Staatsanwalt Dr. Kimmel nicht<br />
860 Bericht BLKR vom, Rn. 507-508.<br />
861 Akte 1, 17. Sachstandsbericht der BAO Bosporus vom Oktober 2006,<br />
S. 4.<br />
erklären. Zumal der Untersuchungsausschuss die Erkenntnis<br />
gewonnen hat, dass bereits das Vernehmungsprotokoll die<br />
tatsächliche Zeugenaussage der Frau Keller („Der war es!“,<br />
siehe oben unter B.3.18.) nur abgeschwächt darstellt. Der<br />
Bericht enthält also eine doppelte Abschwächung der ursprünglichen<br />
Aussage. Der eigentliche Aussagegehalt wird<br />
erheblich verzerrt wiedergegeben. Die Ergebnisse der OFA<br />
2 wurden zwar einmalig berichtet, sind allerdings derart verkürzt<br />
wiedergegeben, dass die Arbeitshypothese eines möglicherweise<br />
rechtsextremistischen Hintergrundes der Taten<br />
aus dieser Zusammenfassung nicht mehr ersichtlich ist.<br />
Im Ergebnis ist festzustellen, dass die Staatsanwaltschaft<br />
Nürnberg der ihr nach Nr. 1 BeStra (Berichtspflichten in<br />
Strafsachen) obliegenden Berichtspflicht zu spät, nur auf<br />
Anforderung und inhaltlich zuweilen den tatsächlichen Ermittlungsstand<br />
verkürzend, nachgekommen ist.<br />
3.10.3. Kompetenzstreit zum Generalbundesanwalt<br />
Darüber hinaus bleiben erhebliche Zweifel, ob die Theorie<br />
des missionsgeleiteten Einzeltäters, die im Jahr 2006 nach<br />
der OFA II als neue Ermittlungshypothese verfolgt worden<br />
ist, durch die Staatsanwaltschaft Nürnberg mit dem erforderlichen<br />
Antrieb verfolgt wurde. Aus einem Vermerk des<br />
BKA 862 ergibt sich der Eindruck, dass eine allzu intensive<br />
Konzentration auf diese Ermittlungsrichtung nicht erwünscht<br />
war, da in diesem Fall die Zuständigkeit des Generalbundesanwalts<br />
gegeben gewesen wäre (siehe Sachverhalt Frage<br />
B.4.<strong>16</strong>). Der zuständige Staatsanwalt Dr. Kimmel hat diesem<br />
Verdacht vor dem Untersuchungsausschuss ausdrücklich widersprochen.<br />
Er führte aus, auch bei Zugrundelegung dieser<br />
Hypothese sei eine Zuständigkeit des Generalbundesanwalts<br />
nicht gegeben. Dagegen sprechen die Protokolle und Aufzeichnungen<br />
von Besprechungen der Steuerungsgruppe der<br />
BAO Bosporus, in denen festgehalten worden ist, dass die<br />
Staatsanwaltschaft Nürnberg-Fürth darauf hingewiesen habe,<br />
bei allzu intensiver Diskussion dieser Hypothese könne eine<br />
Zuständigkeit des Generalbundesanwalts greifen. 863 In der<br />
Gesamtschau hat insbesondere die Staatsanwaltschaft Nürnberg-Fürth<br />
ihre Sachleitungsbefugnis über die Ermittlungen<br />
nicht im wünschenswerten Umfang ausgeübt. Die Mordserie<br />
wurde nicht entsprechend ihrer bundesweiten Dimension<br />
behandelt. Das Bayerische Staatsministerium für Justiz ist<br />
in dieser Hinsicht seiner Fachaufsicht über die Staatsanwaltschaft<br />
nicht im erforderlichen Maße nachgekommen.<br />
B.III. Gemeinsame Schlussfolgerungen aller Mitglieder<br />
des Untersuchungsausschusses<br />
1. Einleitung<br />
Gemäß dem Untersuchungsauftrag vom 04.07.2012 hatte<br />
der Untersuchungsausschuss auch der Frage nachzugehen,<br />
welche Schlussfolgerungen im Hinblick auf die Bekämpfung<br />
des Rechtsextremismus für die Struktur und Organisa-<br />
862 Akte 8, BY-2, Anlagen, 3. Teillieferung, 2. Band, S. 91.<br />
863 Fundstelle ergänzen