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Schlussbericht (Drs. 16/17740) - Bayerischer Landtag

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Seite 34 <strong>Bayerischer</strong> <strong>Landtag</strong> • <strong>16</strong>. Wahlperiode Drucksache <strong>16</strong>/<strong>17740</strong><br />

Wenn man recherchieren würde, lese man immer wieder,<br />

es habe sich um ein großes Musiknetzwerk gehandelt. Das<br />

stimme sicherlich auch; denn „Blood & Honour“ habe dazu<br />

gedient, ein Millionengeschäft – Musik, Konzerte, Erlebniswelt<br />

– aufzuziehen und zu dominieren. Aber „Blood &<br />

Honour“ sei viel mehr gewesen. „Blood & Honour“ sei<br />

auch in Deutschland der Versuch gewesen, einen Rassenkrieg,<br />

einen Terrorismus von Rechts zu beginnen. In „Blood<br />

& Honour“-Materialien würden sich Aussagen finden wie:<br />

„Man darf nicht vergessen, dass wir im Krieg sind mit<br />

diesem System, und da gehen nun mal einige Bullen oder<br />

sonstige Feinde drauf.“<br />

Ziel sei die Bildung von terroristischen Kleinstgruppen nach<br />

dem Vorbild von „Combat 18“, dem militärischen, radikalen<br />

Arm von „Blood & Honour“ gewesen. „Combat 18“ werde<br />

direkt für Terroranschläge verantwortlich gemacht. „Blood<br />

& Honour“ habe es hier in zwei Sektionen, Franken und<br />

Bayern, gegeben. Bernd Peruch, genannt „Pernod“, sei als<br />

einer der führenden „Blood & Honour“-Aktivisten in Bayern<br />

aktiv gewesen.<br />

Die Neonaziszene habe immer wieder einem Werwolf-Konzept<br />

gefolgt; es sei auch in „Blood-&-Honour“-Kreisen kursiert<br />

und in Schulungsveranstaltungen vorgestellt worden.<br />

Darin heiße es: „Die Strategie eines Partisanenkampfes“ sei<br />

vorbildlich. Und weiter: „Eine scheinbar bürgerliche Existenz<br />

sollte die Basis bilden, um aus dem Verborgenen heraus<br />

operieren zu können. Waffen sollten im Ausland beschafft<br />

werden und zellenartige Widerstandsgruppen netzartig<br />

die BRD überziehen.“ Die Parallelen zum NSU seien also<br />

durchaus erkennbar. Die Sachverständige sei bei der „Heimattreuen<br />

Deutschen Jugend“, der Nachfolgeorganisation<br />

der Wiking-Jugend, darauf gestoßen, dass sie in Schriften<br />

für die Kinder und die Jugendlichen das Werwolf Prinzip besprochen<br />

hätten. Da gehe es sogar weiter mit Aufrufen wie:<br />

„Bewaffnet euch, rüstet zu Hause auf, wir stehen kurz vor<br />

dem Bürgerkrieg.“<br />

Das Feindbild seien laut „Blood-&-Honour“-Fanzines „stinkende<br />

Araber und Juden“ gewesen. Führerloser Widerstand<br />

sei direkt propagiert worden. Eine bürgerliche Tarnung habe<br />

als Basis gedient. Es habe autonome, zellenartige Gruppen<br />

gegeben. Denjenigen, die in dieser „Kampfzeit“ weitergehen<br />

wollten, habe man ganz klar verordnet, Bekennerschreiben<br />

zu unterlassen, weil diese die Ermittlungsbehörden nur auf<br />

Spuren bringen würden.<br />

Bayerische Bands von „Blood & Honour“ seien „Radikahl“,<br />

„Faustrecht“ – aus dem Allgäu – und „Hate Society“ gewesen.<br />

Dort habe übrigens auch Matthias Fischer von der<br />

„Fränkischen Aktionsfront“ getrommelt. Auch hier zeige<br />

sich wieder die Verbindung. Aber der Verfassungsschutz in<br />

Bayern hatte vor dem Verbot 2000 keinen Grund für die Erwähnung<br />

von „Blood & Honour“ im Jahresbericht gesehen,<br />

was für die Sachverständige völlig unerklärlich sei.<br />

Die Person des Matthias Fischer hält die Sachverständige<br />

in diesem Zusammenhang für sehr wichtig. Nicht nur, dass<br />

er Uwe Mundlos persönlich gekannt habe, sondern sie habe<br />

Matthias Fischer auch immer wieder selbst als Drahtzieher<br />

erkannt. Sie habe gesehen, wie er vor zwei Jahren in Regen<br />

gerade junge Leute angesprochen habe. Er sei derjenige, der<br />

mit Aktionismus, Dynamik, immer neuen Lifestyles, immer<br />

neuen Ideen, immer neuen rechten Aktionen versucht, die<br />

Jugend auf seine Seite zu ziehen. Er sei fast immer im Gespann<br />

mit Norman Kempken unterwegs, einem – wie Kai<br />

Dalek – der ganz alten Hasen in der fränkischen Neonaziszene,<br />

der weniger oft im Vordergrund, etwa als Redner, in<br />

Erscheinung trete, sondern eher als Drahtzieher im Hintergrund<br />

wirke.<br />

Matthias Fischer – das sei wenig bekannt – habe sich auch<br />

mit dem Fanzine „Landser“ einen gewissen Ruf in der Szene<br />

erarbeitet. In diesem Fanzine habe es – das sei bei dem<br />

Archiv von „a.i.d.a.“ belegt – Ende der 90er Jahre an die<br />

Szene einen Aufruf zur Radikalisierung gegeben. Es habe<br />

konkret geheißen, „militant ins neue Jahrtausend“ zu gehen.<br />

In der inneren Umschlagseite der Hefte habe immer wieder<br />

die Parole: „Keine Worte, sondern Taten!“ gestanden. Das<br />

war auch die Parole, mit der der „Nationalsozialistische<br />

Untergrund“ sein fürchterliches, menschenverachtendes<br />

Bekennervideo geschmückt habe. In der „Landser“-Ausgabe<br />

4/1999 habe es geheißen: „Gruß an die Untergrundkämpfer“.<br />

Die „Fränkische Aktionsfront“ sei 2004 verboten worden,<br />

doch Fischer habe eigentlich in gleichen Strukturen weiter<br />

gemacht. Was markant sei – das hätten die Behörden recherchiert;<br />

es sei auch im „Spiegel“ zu lesen gewesen –: Auch<br />

der „Landser“ habe ab 2002 Bekennerschreiben des NSU<br />

bekommen. Kontakt habe es immer auch zu André Kapke<br />

und Ralf Wohlleben gegeben; das habe sie selbst erlebt<br />

und dokumentiert. Matthias Fischer habe auf fast keinem<br />

der Veranstaltungen „Rock für Deutschland“ und „Fest der<br />

Völker“ in Thüringen gefehlt. Fischer mit seinen fränkischen<br />

Neonazis sei immer ein willkommener Gast gewesen – wie<br />

selbstverständlich. Auch der Austausch mit Norman Bordin<br />

sei immer sehr rege gewesen. Fischer habe fast schon zum<br />

Mobiliar bei Neonazievents gehört, vor allem bei Musikevents<br />

in Thüringen.<br />

Matthias Fischer sei derjenige gewesen, der auch Mandy<br />

Struck politisiert und vor allem radikalisiert habe. Beate<br />

Zschäpe habe den Namen von Mandy Struck als einen ihrer<br />

Aliasnamen verwendet. Mandy Struck habe sie selbst erlebt.<br />

Sie sei heute Frisörin in Johanngeorgenstadt und wolle gar<br />

nichts mehr von ihrer rechten Vergangenheit wissen. Sie<br />

sage, sie sei nur Mitläuferin gewesen und niemals richtig in<br />

der Neonaziszene dabei gewesen. Mittlerweile sei sie Aussteigerin<br />

und könne das alles nicht mehr hören.<br />

Tatsächlich sei Mandy Struck diejenige gewesen, die – nachdemThomas<br />

Rother alias „Dackel“ von „Blood & Honour“<br />

geholfen habe – den Dreien als Nächstes eine Wohnung in<br />

Chemnitz besorgt habe, bei ihrem Freund. Mandy Struck<br />

habe auch Kontakte nach Franken gehabt; später sei sie nach<br />

Selb, Büchenbach und Nürnberg gezogen. Mandy Strucks<br />

Name sei von Beate Zschäpe immer wieder als Tarnname<br />

benutzt worden. Es sei auch ein gefälschter Tennisklubaus-

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