Schlussbericht (Drs. 16/17740) - Bayerischer Landtag
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Seite 44 <strong>Bayerischer</strong> <strong>Landtag</strong> • <strong>16</strong>. Wahlperiode Drucksache <strong>16</strong>/<strong>17740</strong><br />
2011:<br />
„Die Ende 2011 aufgedeckte Mordserie dokumentiert erstmals,<br />
dass Rechtsextremisten aus dem Untergrund heraus<br />
gezielt strategisch Gewalttaten geplant und auch umgesetzt<br />
haben. Die „Zwickauer Terrorzelle“ hat in den Jahren<br />
2000, 2001 und 2005 insgesamt fünf ihrer Morde in Bayern<br />
begangen. Innerhalb der rechtsextremistischen Szene in<br />
Bayern konnte ein derart politisch motivierter Terrorismus<br />
bislang nicht festgestellt werden.<br />
In Bayern werden rechtsextremistische Gewalttäter derzeit<br />
selten aufgrund einer strategischen Zielsetzung gewalttätig,<br />
sondern spontan in der Gruppe (2011:24 der insgesamt<br />
57 Gewaltdelikte) und häufig unter Alkoholeinfluss (2011:<br />
bei 27 von 46 aufgeklärten Gewaltdelikten waren die Tatverdächtigen<br />
alkoholisiert). Zwei Gewalttaten wurden im<br />
Rahmen rechtsextremistischer Demonstrationen begangen.<br />
Eine hohe Gewaltbereitschaft besteht aktuell nach wie vor<br />
bei den subkulturell geprägten Rechtsextremisten, vor allem<br />
bei den rechtsextremistischen Skinheads. Bei zehn von 46<br />
aufgeklärten Gewalttaten waren Skinheads beteiligt.“ 45<br />
2012:<br />
„Die Mordserie des Nationalsozialistischen Untergrunds<br />
(NSU) hat die besondere Gefährlichkeit der Szene und die<br />
Notwendigkeit eines entschiedenen Vorgehens gegen rechtsextremistische<br />
Bestrebungen bestätigt.“ 46<br />
„Bislang konnten keine tatsächlichen konkreten Erkenntnisse<br />
gewonnen werden, dass das Trio zur Vorbereitung<br />
seiner Taten Helfer oder Mitwisser aus der rechtsextremistischen<br />
Szene in Bayern hatte. Böhnhardt, Mundlos und<br />
Zschäpe waren Mitglieder der rechtsextremistischen Gruppierung<br />
Thüringer Heimatschutz (THS). Vor dem Untertauchen<br />
des Trios haben einzelne bayerische Rechtsextremisten<br />
an Veranstaltungen des THS teilgenommen. Zudem haben<br />
einzelne Mitglieder des Trios damals bundesweite Veranstaltungen<br />
der Szene, auch in Bayern, besucht. Zwischenzeitlich<br />
wurden einige frühere Verbindungen von Böhnhardt,<br />
Mundlos und Zschäpe – vor ihrem Untertauchen im Jahr<br />
1998 – zu bayerischen Rechtsextremisten bekannt.“ 47<br />
Bayerisches Handlungskonzept gegen Rechtsextremismus:<br />
Die Staatsregierung hat unter der Federführung des Staatsministeriums<br />
des Innern am 12.01.2009 ein „Bayerisches<br />
Handlungskonzept gegen Rechtsextremismus“ beschlossen.<br />
48<br />
Hierin kommt die Staatsregierung zu folgenden zusammenfassenden<br />
Einschätzungen des gewaltbereiten Rechtsextremismus:<br />
45 Verfassungsschutzbericht 2011, S. 137 f.<br />
46 Verfassungsschutzbericht 2012, S. 65.<br />
47 Verfassungsschutzbericht 2012, S. 71 f.<br />
48 Bayerisches Handlungskonzept gegen Rechtsextremismus, Akte 44<br />
oder im Internet abrufbar unter: http://www.innenministerium.bayern.<br />
de/imperia/md/content/stmi/sicherheit/verfassungsschutz/rechtsextremismus/handlungskonzept_rechtsextremismus.pdf<br />
„Die Zahl der potenziell gewaltbereiten Personen im rechtsextremistischen<br />
Bereich liegt derzeit in Bayern konstant<br />
bei 1.100 Personen (bundesweit 13.750 Personen entsprechend<br />
den kumulierten Zahlen in den Jahresberichten der<br />
Länder). Der bayerische Anteil an gewaltbereiten Personen<br />
liegt damit bei rund acht Prozent und damit deutlich unter<br />
dem bayerischen Anteil an der Gesamtbevölkerung Deutschlands.<br />
Besonderer Beachtung bedarf die potenzielle Gewaltbereitschaft<br />
des nichtorganisierten Rechtsextremismus.“ 49<br />
„Rechtsextremisten haben bei Wahlen in Bayern keine politische<br />
Bedeutung. Gleichwohl gibt es auch in Bayern ein<br />
rechtsextremistisches Potenzial, dem unsere wehrhafte Demokratie<br />
konsequent entgegentreten muss. Bayern bildet<br />
derzeit allerdings keinen Brennpunkt des Rechtsextremismus.<br />
Eine besondere Gefahr geht aber von gewaltbereiten Rechtsextremisten<br />
aus, die auch vor schweren Gewalttaten nicht<br />
mehr zurückschrecken.“ 50<br />
Inhaltlich enthält das Handlungskonzept neben einer Bestandsaufnahme<br />
der schon laufenden Maßnahmen gegen den<br />
Rechtsextremismus folgende zusätzlichen Maßnahmen:<br />
• Optimierungen zum Schutz von Polizeibeamten durch<br />
technische Schutzmaßnahmen an Wohnobjekten, Schutz<br />
von Einsatzkräften vor Foto- und Videoaufnahmen, Erweiterung<br />
des Rechtsschutzes für Polizeibeamte und eine<br />
offensive Darstellung der Rolle der Polizei.<br />
• Verbesserungen des Schutzes von Vollstreckungsbeamten<br />
im Strafrecht.<br />
• Intensivierung der repressiven und präventiven Maßnahmen<br />
durch Intensivierung der Informationsgewinnung,<br />
Lösungen für die Problematik der Skinhead- und<br />
Heavy-Metal-Veranstaltungen, Maßnahmen im Zusammenhang<br />
mit geplanten Veranstaltungen, Nutzung der erkennungsdienstlichen<br />
Möglichkeiten und Intensivierung<br />
präventiver Maßnahmen.<br />
• Verbesserungen im Strafrecht und Strafprozessrecht.<br />
• Maßnahmen im Jugendstrafrecht und Jugendstrafvollzug,<br />
wie Hilfe für erstauffällige rechtsextremistische Jugendliche,<br />
umfassende Nutzung des Sanktionsspektrums im<br />
Jugendstrafrecht, gezielte Fortbildung von Jugendrichtern<br />
und Ausweitung des Modellprojekts "Change".<br />
• Fortführung der Aufklärungsarbeit des Landesamts für<br />
Verfassungsschutz durch Aufklärung der gewaltbejahenden<br />
und gewaltbereiten rechtsextremistisches Szene,<br />
Internetbeobachtung und Internetauswertung, Aussteigerprogramm<br />
und Öffentlichkeitsarbeit.<br />
• Konsequente Anwendung des neuen Versammlungsrechts.<br />
49 Bayerisches Handlungskonzept gegen Rechtsextremismus, S. 7.<br />
50 Bayerisches Handlungskonzept gegen Rechtsextremismus, S. 13.