Schlussbericht (Drs. 16/17740) - Bayerischer Landtag
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Drucksache <strong>16</strong>/<strong>17740</strong> <strong>Bayerischer</strong> <strong>Landtag</strong> • <strong>16</strong>. Wahlperiode Seite 153<br />
Die Verfassungsschutzbehörden müssen zudem verloren<br />
gegangenes Vertrauen der Bürger in ihre Arbeit zurückgewinnen.<br />
Zu begrüßen ist deshalb, dass auch das Bayerische<br />
Landesamt für Verfassungsschutz, daran mitarbeitet, wieder<br />
Vertrauen aufzubauen. Dies muss insbesondere dadurch<br />
geschehen, dass der Verfassungsschutz seine Aufgabe, extremistische<br />
Bestrebungen zum Schutz der verfassungsmäßigen<br />
Ordnung zu beobachten, in der Öffentlichkeit offensiv<br />
und transparent darstellt und sich zum Zwecke der Bekämpfung<br />
des Rechtsextremismus noch intensiver mit relevanten<br />
gesellschaftlichen Akteuren und auch mit der Wissenschaft<br />
vernetzt. Die nach Aufdeckung des NSU intensivierte Arbeit<br />
der Bayerischen Informationsstelle gegen Extremismus im<br />
Landesamt für Verfassungsschutz muss deshalb weiter ausgebaut<br />
werden.<br />
1.2.2. Verdeckte Informationsgewinnung<br />
1.2.2.1. Beibehaltung der V-Leute als nachrichtendienstliches<br />
Mittel<br />
Die Mitglieder des Untersuchungsausschusses von CSU und<br />
FDP sind der Auffassung, dass die Befugnis der Sicherheitsbehörden<br />
zum Einsatz von Vertrauensleuten beibehalten<br />
werden sollte.<br />
Auch wenn in dem Zusammenhang mit dem NSU-Komplex<br />
teils auch in Bayern Sachverhalte bekannt geworden sind,<br />
die Anlass für Zweifel an dem nachrichtendienstlichen<br />
Mittel des V-Mannes geben können, können die Vertrauensleute<br />
trotz der systemimmanenten Unzulänglichkeiten mangels<br />
Alternative nicht abgeschafft werden. Einsatz, Führung<br />
und Abschaltung der V-Leute müssen aber weiter reformiert<br />
werden.<br />
Die Taten des NSU zeigen deutlich, wie wichtig es ist, die<br />
rechtsextremistische Szene auch weiterhin mit sämtlichen<br />
nachrichtendienstlichen Mitteln zu beobachten. Es darf in<br />
diesem Zusammenhang auch nicht vergessen werden, dass<br />
V-Leute in der Vergangenheit auch dazu beigetragen haben,<br />
rechtsterroristische Anschläge zu verhindern, wie z. B. das<br />
von der Gruppe um den Rechtsextremisten Martin Wiese geplante<br />
Attentat auf das jüdische Gemeindezentrum in München.<br />
Der Einsatz menschlicher Quellen ist für die Aufgabenerfüllung<br />
der Verfassungsschutzbehörden unersetzbar. Sie stellen<br />
in bestimmten Bereichen das wesentliche Mittel zur Aufklärung<br />
dar. Vor allem der unorganisierte Rechtsextremismus,<br />
dessen Ziel häufig die Anwendung von massiver Gewalt<br />
und die Begehung von erheblichen Straftaten ist, agiert regelmäßig<br />
konspirativ. Dieser Gefahr kann wirksam nur mit<br />
einer aufmerksamen Aufklärung der rechtsextremistischen<br />
Szene, insbesondere unter Einsatz von V-Leuten begegnet<br />
werden. Nur hierdurch können Funktionen der Szeneangehörigen,<br />
deren Personalien und die Fluktuationen in deren<br />
Sozialgefüge (Kern und Umfeld) festgestellt und rechtsextremistische<br />
Gruppenaktivitäten einer laufenden begleitenden<br />
Beobachtung unterzogen werden. Damit sind von<br />
solchen Gruppierungen ausgehende Gefährdungspotenziale<br />
einschätzbar und eine gegebenenfalls zunehmende das ideologische<br />
Radikalisierung oder Gewaltbereitschaft einzelner<br />
Szeneaktivisten oder der gesamten Gruppierung frühzeitig<br />
erkennbar. Indem der Verfassungsschutz beabsichtigte Gewalttaten<br />
oder gar Verabredungen zu Verbrechen in Erfahrung<br />
bringt und an die Polizei berichtet, können Leib und<br />
Leben geschützt und erforderliche Gegenmaßnahmen ergriffen<br />
werden. Dies schließt nicht aus, dass es Sachverhalte<br />
gibt, bei denen ein Quellenzugang in eine Gruppierung nicht<br />
möglich ist.<br />
Verdeckte Ermittler, also unter einer Legende agierende<br />
Beamte der Sicherheitsbehörden, können V-Leute nicht ersetzen:<br />
• Die rechtsextremistische Szene ist weit verzweigt und<br />
teilt sich in viele Klein- und Kleinstgruppen (Kameradschaften)<br />
auf. Es wären also eine Vielzahl von verdeckten<br />
Ermittlern für eine flächendeckende Beobachtung der<br />
Szene notwendig. Abgesehen von den damit verbundenen<br />
Kosten, die um ein Vielfaches über den an V-Leute bezahlten<br />
Honoraren liegen dürfte, ist auch zweifelhaft,<br />
ob sich für diese mit erheblichen Gefahren für Leib und<br />
Leben verbundene Aufgabe überhaupt genug geeignetes<br />
und bereites Personal finden ließe.<br />
• V-Leute gehören im Normalfall der Szene an, verdeckte<br />
Ermittler müssen von außen in die Szene eingeschleust<br />
werden. Bis diese innerhalb der Szene ein entsprechendes<br />
Vertrauen aufgebaut haben, um überhaupt an relevante Informationen<br />
herankommen zu können, können Jahre vergehen.<br />
• Extremistische Szenen zeichnen sich durch die Begehung<br />
von Straftaten aus. Ein Externer wird auf dem Weg<br />
zu einem anerkannten Mitglied der Szene kaum umhinkommen,<br />
ggf. auch in Straftaten hineingezogen zu werden.<br />
Hier stößt der Einsatz eines unter Beamteneid stehenden<br />
verdeckten Ermittlers schnell an rechtsstaatliche Grenzen.<br />
Gleiches gilt auch für den verstärkten Einsatz von technischen<br />
Überwachungsmaßnahmen oder Observationen:<br />
• Abgesehen davon, dass technische Überwachungsmaßnahmen<br />
(G10-Maßnahmen) jeweils mit massiven Grundrechtseingriffen<br />
verbunden sind, stoßen diese auch in<br />
weiten Teilen der Bevölkerung – auch aufgrund der Erfahrungen<br />
mit dem Staatssicherheitsdienst der DDR – auf<br />
erhebliche Vorbehalte. Würde man die V-Leute durch<br />
technische Maßnahmen ersetzen wollen, müsste man die<br />
Telefonüberwachung, Abhörmaßnahmen in Wohnungen<br />
und sonstigen Versammlungsorten, Sattelitenüberwachung<br />
und die Überwachung im Internet massiv ausbauen, was<br />
abgesehen von den rechtlichen Schwierigkeiten – auch<br />
in Anbetracht der aktuellen Diskussionen um Überwachungsprogramme<br />
wie PRISM – kaum geeignet sein<br />
dürfte, das Vertrauen der Bevölkerung in die Nachrichtendienste<br />
zu erhöhen. Technische Überwachungsmaßnahmen<br />
sind auch alleine zudem wenig effektiv, da nicht<br />
zu erwarten ist, dass rechtsextremistische Aktivisten über